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PFAS-Chemikalien: Woher kommen sie und wie schützt man sich im Alltag?


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Verseuchung mit PFAS
Das alltägliche Gift

  • Theresa Crysmann
Von Theresa Crysmann

Aktualisiert am 25.02.2023Lesedauer: 7 Min.
Pommes in einer chinesischen McDonalds-Filiale: Fastfood- und Einwegverpackungen sind vielfach mit PFAS behandelt - zwingend nötig ist das wohl aber nicht.Vergrößern des Bildes
Pommes in einer chinesischen McDonald's-Filiale: Fastfood- und Einwegverpackungen sind vielfach mit PFAS behandelt – zwingend nötig ist das aber wohl nicht. (Quelle: IMAGO)
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Tausende Orte in Europa sind mit giftigen PFAS-Chemikalien belastet, ein umfassendes Verbot fehlt bislang. Woher die Stoffe kommen, was sie so gefährlich macht und wie man sich schützt.

Was sind PFAS?

Die Abkürzung PFAS bezieht sich auf per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, zu denen mehr als 10.000 künstlich hergestellte Chemikalien zählen. Ihre zentrale Eigenschaft: Sie sind wasserresistent und weisen Fette, Öle und Schmutz ab. Am stärksten verbreitet ist unter anderem PFOA (Perfluoroctansäure, C8), das beispielsweise genutzt wird, um Regenjacken zu imprägnieren. Allerdings gelten PFAS als krebserregend, sollen unfruchtbar und den menschlichen Körper anfälliger für Infekte machen, da sie das Immunsystem schwächen.

Wo kommen sie vor?

PFAS sind extrem weit verbreitet und finden sich in zahlreichen beschichteten Alltagsgegenständen. Im Haushalt können PFAS beispielsweise in schmutzabweisenden Teppichen, der Anti-Haft-Beschichtung von Pfannen und Backpapier, Lebensmittelverpackungen wie Coffee-to-go-Bechern, wasserabweisenden Jacken, Schuhen und Rucksäcken stecken. Auch Kosmetika, Hautcremes, Shampoo und Gesichtsmasken enthalten oft PFAS, wie jüngst eine Studie der Umweltorganisation BUND gezeigt hat. Putzmitteln und Möbelpolituren sind sie ebenfalls oft beigemischt.

Außerdem kommen sie in nahezu allen Einwegverpackungen wie Plastikflaschen, Pommes-Tüten, Donut-Boxen oder Salatschüsseln aus Plastik und aus Papier vor. Hohe Konzentrationen von PFAS finden sich auch in Löschschäumen und strömen aus den Schornsteinen einschlägiger Chemiefabriken. Als Kältemittel sind die Substanzen darüber hinaus für Kühlregale, Wärmepumpen und Klimaanlagen verbreitet.

Wieso werden PFAS auch "ewige Chemikalien" genannt?

Was die Substanzen so praktisch für Beschichtungen macht, ist gleichzeitig ihr Haken. PFAS sind so stabil, dass weder Wasser, Luft, Licht noch Bakterien ihre Bestandteile vollständig abbauen können. Einzig die sehr hohen Temperaturen in Müllverbrennungsanlagen können die Moleküle von PFAS-Substanzen vollständig zerstören. Sie schaffen es jedoch durch Kläranlagen und überdauern Abfalldeponien, von wo sie sich über Wasser, Luft und lose Erde verteilen. Einmal in der Umwelt angekommen, halten sie sich dort sehr lange, was ihnen auch den Beinamen "ewige Chemikalien" eingebracht hat.

Wie gefährlich sind PFAS?

Inzwischen werden PFAS im menschlichen Blut und in Muttermilch nachgewiesen, mahnt das Umweltbundesamt. Schwangere Frauen können die Stoffe an ihre ungeborenen Kinder übertragen, stillende Mütter die Gifte über die Milch an ihre Babys. In einer repräsentativen Studie stellte das Umweltbundesamt 2020 fest: Ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren hat in Deutschland zu viel PFAS im Blut. Bei 21 Prozent lag die Konzentration der bedenklichen Chemikalien über dem Grenzwert, der laut der Behörde ein gesundheitliches Risiko ausschließen lässt.

Während PFAS bei Erwachsenen vor allem mit Unfruchtbarkeit und Krebserkrankungen in Verbindung gebracht werden, können die Stoffe auch die Wirkung von Impfungen verringern, das Immunsystem schwächen, schlechte Cholesterinwerte und eine Erkrankung mit Diabetes Typ 2 wahrscheinlicher machen. Bei Neugeborenen gelten PFAS als ein möglicher Grund für ein verringertes Geburtsgewicht. Zu möglichen Langzeitschäden gibt es bisher kaum Forschungsergebnisse.

Wie gelangen die Stoffe in den Körper?

Die Chemikalien können auf unterschiedlichen Wegen in den Organismus gelangen:

  • Lebensmittel: Da PFAS in der Natur nicht zerstört werden, sind sie in Böden, Trinkwasser und Futtermitteln nachweisbar und reichern sich in Pflanzen und Tieren an. Die Europäische Lebensmittelbehörde geht derzeit davon aus, dass vor allem tierische Produkte mit PFAS belastet sind. Das Bundesamt für Risikobewertung listet Fischprodukte in einer Auswertung von 2021 als die Lebensmittelgruppe mit den deutlich höchsten PFAS-Konzentrationen. Bei den Fleischprodukten weisen demnach Leber und Nieren die höchsten Werte auf. Ungeborene Kinder nehmen die Stoffe aus dem Blut der Mutter, gestillte Säuglinge aus der Milch auf.
  • Trinkwasser: Vielerorts dürften PFAS direkt aus dem Hahn kommen, da das Grundwasser mit den "ewigen Chemikalien" belastet ist. Ob jedoch die zugelassenen Grenzwerte überschritten werden, ist bislang noch nicht systematisch erfasst – erst seit Anfang 2023 gibt es in Deutschland überhaupt entsprechende Limits für Trinkwässer. Eine frühere Auswertung bereits erfasster Proben zeigt, dass wohl nur ein kleiner Teil der Trinkwässer im Land die erlaubten Maximalwerte überschreitet. Geht man jedoch von der wöchentlichen Menge an PFAS aus, die man laut der EU-Lebensmittelbehörde EFSA nicht überschreiten sollte, könnte der Trinkwasserkonsum knapp ein Drittel des deutschen Wassers in den roten Bereich schieben.
  • Kontakt mit PFAS-haltigen Produkten: Die Aufnahme über die Haut ist laut dem Bundesamt für Risikoforschung nicht zu vernachlässigen. Bei Kosmetika und Hygieneprodukten scheint dies besonders relevant zu sein, aber auch für den häufigen Umgang mit flüssigen, PFAS-haltigen Arbeitsmaterialien wie zum Beispiel Reinigungsmitteln dürfte der Hinweis wichtig sein. Darüber hinaus deuten einige Studien darauf hin, dass die Chemikalien durch Wärme oder Abrieb von Lebensmittelverpackungen auf Nahrungsmittel übergehen.
  • Staub und Atemluft in Innenräumen: Imprägnierte Textilien wie Regenjacken, Teppiche mit Fleckenschutz oder belastete Möbelpolituren geben PFAS nach und nach in die Raumluft ab. Beim Auftragen von Imprägniersprays besteht das Risiko, den oft PFAS-haltigen Nebel einzuatmen.

Welche Gebiete in Deutschland sind besonders betroffen?

Eine groß angelegte Recherche europäischer Medien, darunter ARD, NDR und die "Süddeutsche Zeitung", hat jüngst aufgedeckt, dass Deutschland zu den EU-Ländern mit besonders vielen belasteten Gebieten gehört: Mehr als 1.500 Orte in der Bundesrepublik überschreiten demnach die zulässigen Grenzwerte für die PFAS-Konzentration im Grundwasser. Dort könnte ein erhöhtes Risiko für die Bevölkerung bestehen. Lesen Sie hier mehr über die Verteilung der betroffenen Gebiete in den Bundesländern.

Wer produziert PFAS?

In Deutschland stellen Chemiekonzerne an sechs Standorten die Substanzen her – das sind mehr PFAS-Fabriken als in jedem anderen EU-Staat. Zu den Produzenten gehören Lanxess mit einer Fabrik in Leverkusen, einem PFAS-Hotspot, Solvay in Wimpfen und Daikin in Frankfurt am Main. Im bayerischen Gendorf haben sich mit Archroma, W.L. Gore und 3M sogar drei Hersteller im selben Industriegebiet angesiedelt. Außerhalb der Bundesrepublik sind unter anderem auch BASF (Ciba), DuPont, Arkema, Asahi, Clariant und DuPont (Chemours) im Geschäft mit den toxischen Stoffen aktiv.

Wie verbreitet sind die Substanzen weltweit?

Atemluft, Wasser und Böden sind weltweit mit PFAS kontaminiert. Vor allem über den Wasserkreislauf – also Kondensation, Niederschläge und deren Ablauf ins Grundwasser – gelangt belastetes Wasser in nahezu alle Regionen der Erde. Selbst in der tibetischen Hochebene und in der Antarktis haben Forscherinnen und Forscher der Universität Stockholm im Sommer 2022 diese Stoffe nachgewiesen.

Wieso sind nicht alle PFAS verboten?

Von den insgesamt mehr als 10.000 PFAS sind nur rund vierzig bekannt; beim Großteil der Substanzen ist selbst den Regulierungsbehörden weder bekannt, woraus diese bestehen, noch wie sie eingesetzt werden. Von den bekannten Stoffen sind in der EU laut dem Bundesumweltministerium derzeit drei verboten. Selbst hier bestehen jedoch recht umfassende Ausnahmen, beispielsweise für Löschschäume, Fotobeschichtungen, Outdoor-Textilien und viele Industriestoffe. Bisher gebe es "keine geeigneten Alternativen", heißt es aus dem Ministerium.

Ende Februar 2023 sollen zwar sechs weitere PFAS auf die Verbotsliste kommen, doch auch hier sind Ausnahmeregelungen vorgesehen. Alle anderen bleiben vorerst unangetastet. Auch Regeln für die systematische Entsorgung von PFAS fehlen bisher. Allerdings liegt seit Kurzem ein Vorschlag aus Deutschland, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und Schweden bei der EU-Chemikalienbehörde auf dem Tisch, der nahezu alle PFAS verbieten will. Diese Abschussliste würde auch für Importe gelten. Eine Entscheidung der EU-Chemikalienwächter wird 2025 erwartet.

Welche Alternativen gibt es?

Während die Chemieindustrie sich darauf beruft, dass PFAS in vielen Anwendungsbereichen alternativlos seien, gibt es einige Gegenbeispiele. So verweist die Deutsche Umwelthilfe auf Propan als alternatives Kältemittel für Wärmepumpen und Klimaanlagen, das umweltfreundlich und gleichzeitig deutlich effizienter sei als PFAS. Und bei Lebensmittelverpackungen zeigt Dänemark, dass es anders geht: Im Gegensatz zu Pommes-Tüten in Deutschland, Großbritannien und Tschechien enthalten die Verpackungen von McDonald's in dem skandinavischen Land keine der "ewigen Chemikalien". Im Outdoorbereich haben zahlreiche Marken ebenfalls bereits umgesattelt und nutzen PFAS-freie Imprägniermittel.

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Wie lassen sich PFAS im Alltag vermeiden?

Um die Menge an PFAS zu reduzieren, der man ausgesetzt ist, lässt sich einiges tun. Wer weiß, wo die Stoffe im Alltag lauern, kann diese zumindest teils vermeiden oder auf Alternativen setzen. Im Outdoorbereich und bei Textilien achtet man am besten auf den Hinweis "PFC-frei", zum Kochen kann man Teflon-Pfannen durch solche mit einer Keramikbeschichtung, aus Gusseisen oder Edelstahl ersetzen. Statt Einwegverpackungen für unterwegs bieten sich wiederverwendbare Coffee-to-go-Becher und Lebensmittelcontainer aus Keramik, Metall oder BPA-freiem Kunststoff an.

Nur beim Fastfood muss man meist noch eher verzichten - zumindest bis 2025; spätestens dann wollen in Deutschland immerhin Burger King und McDonalds auf die giftigen Verpackungen verzichten.

Komplizierter wird es bei Kosmetika, Pflegeprodukten und Reinigungsmitteln. Zwar müssen Hersteller laut EU-Chemikalienregeln angeben, ob sich PFAS oder andere "besonders besorgniserregende Stoffe" in ihren Produkten befinden – jedoch nur auf Anfrage. Drucken die Konzerne die Inhaltsstoffe auf die Verpackung, steht dort allerdings auch nicht "PFAS", sondern der Name der jeweiligen PFAS-Substanz, in Kosmetika zum Beispiel "Methyl Perflorobutyl Ether", "Perfluorooctyl Triethoxysilane" oder "Perfluorohexane".

Ein gutes Hilfsmittel kann die App "Toxfox" der Umweltschutzorganisation BUND sein: Mit der Handykamera lässt sich der Strichcode eines Produkts einscannen, um den Inhalt auf mögliche Schadstoffe zu prüfen. Sind die Informationen zu dem Produkt in der wachsenden BUND-Datenbank verfügbar, wird das Ergebnis sofort angezeigt. Sind Schadstoffe enthalten, können die Nutzer sich mit zwei Klicks beim Hersteller beschweren. Seit November 2022 bietet der "Toxfox" auch Informationen zu einigen der am weitesten verbreiteten PFAS.

Das Umweltbundesamt hat eine vergleichbare App im Angebot, jedoch scheint die Produktdatenbank von "Scan4Chem" kleiner zu sein als beim BUND. Das dürfte auch an der deutlich kleineren Nutzergruppe liegen – während "Toxfox" bereits mehr als eine Million Mal heruntergeladen wurde, verzeichnet die App des Umweltbundesamtes noch weniger als 50.000 Downloads.

Bei einem stichprobenartigen Test durch t-online wurde beispielsweise eine Handcreme der Marke Neutrogena durch "Toxfox" als "unbedenklich" eingestuft – die App der Bundesbehörde hatte hingegen keine Informationen vorliegen. Der Vorteil der Amts-App ist jedoch: Fehlen die Informationen zu einem Produkt, lässt sich in wenigen Schritten eine Anfrage an den Hersteller abschicken. Dieser ist dann gesetzlich verpflichtet, innerhalb von 45 Tagen Auskunft zu geben.

Im Bereich der Lebensmittel zieht das Bundesamt für Risikobewertung folgendes Fazit: "Verbraucherinnen und Verbraucher können ihre Exposition gegenüber PFAS kaum beeinflussen", die Stoffe seien inzwischen allgegenwärtig. Das Amt rät jedoch, weniger Lebensmittel aus besonders belasteten Kategorien zu konsumieren. Sprich: Weniger Fisch, weniger Leber- und Nierengerichte. Die Österreichsische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit empfiehlt außerdem, keine Innereien von Wildtieren zu verzehren.

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