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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Bericht über PFAS-Giftstoffe "Was will man machen?" Resignation bei Leverkusener Anwohnern
Die Debatte um PFAS-Giftstoffe lässt die Leverkusener kalt. Zu lange sind sie schon an den Anblick von Industrieanlagen und ihre Auswirkungen gewöhnt.
Hinter dem Bahnhof Mitte verwandelt sich das Leverkusener Stadtbild schnell in ein ruhiges Wohnviertel. Die Straßen sind benannt nach großen Chemie-Magnaten: "Friedlieb-Ferdinand-Runge-Straße" oder "Dr.-August-Blank-Straße". Während das Aushängeschild der Stadt hier geehrt wird, hat ein Graffiti-Sprayer im Park gegenüber wohl eine andere Meinung: "Die Stadt ist grau" hat er auf eine Mauer gesprüht.
Davor trotzt eine Frau mit ihren beiden Hunden dem Nieselwetter. Von der Recherche zu den PFAS habe sie an diesem Morgen im Radio gehört. "Da sagten sie, dass der Stoff häufig in Plastik enthalten wäre. Man müsste den Plastikverbrauch schon reduzieren, allein schon für meine vier Enkel", sagt sie. "Aber es ist jetzt nicht so, dass ich nicht mehr ruhig schlafen könnte. Ich meine, wenn nur Deutschland strengere Umweltauflagen durchsetzt und die anderen Länder nicht, bringt es ja nichts."
"Die Industrie gibt vielen Leuten Arbeit"
Die Nachricht des Tages ist der vermeintliche Giftskandal für die Menschen in Leverkusen nicht. Simone Unger etwa hat noch gar nichts mitbekommen von den gefährlichen Chemikalien im Boden. "Beunruhigend ist das schon", gibt sie zu. "Aber was will man machen? Wer weiß, was durch Bayer schon alles im Boden liegt. Oder generell durch die Schornsteine gekommen ist." Ruckartig zieht sie ihren Hund von der Grasfläche. "Hör auf, Gras zu fressen!", schimpft sie mit ihm. "Selbst bei den Tieren muss man aufpassen", sagt sie schmunzelnd.
Unger lebt seit 15 Jahren in Leverkusen. "Wegen der Arbeit, ich bin Krankenpflegerin. Eigentlich komme ich ja woanders her", sagt sie. "Man muss es auch so sehen: Die Industrie gibt vielen Leuten Arbeit." Dann geht sie weiter, ihr Mischling hinterher.
Der nächste Passant scheint schon lange in der Stadt zu leben. "Da liegen ja noch ganz andere Giftstoffe im Boden. Das ehemalige Gelände von Dynamit Nobel ist schon seit Jahren gesperrt", sagt er. "Und die Deponien am Rhein erst", fügt er hinzu und deutet Richtung Fluss. Die Menschen hätten hier andere Sorgen: Wenn die Leverkusener Brücke ausgebaut wird, soll die Autobahntrasse über ihre Häuser führen.
- Reporter vor Ort