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Arbeiter in der Klimakrise: Wenn der Job krank macht


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Arbeiter in der Klimakrise
Wenn der Job krank macht


Aktualisiert am 05.01.2023Lesedauer: 3 Min.
Ein Hochofenarbeiter reinigt ein Anlagenteil im Stahlwerk der Salzgitter AG: Gerade auch im Umgang mit Industriemaschinen stellt Hitze ein zusätzliches Risiko dar.Vergrößern des Bildes
Ein Hochofenarbeiter reinigt ein Anlagenteil im Stahlwerk der Salzgitter AG: Gerade im Umgang mit Industriemaschinen stellt Hitze im Sommer ein zusätzliches Risiko dar. (Quelle: imageBROKER/Werner Bachmeier/IMAGO)

Die Erinnerung an die Hitzewellen des Sommers ist verblasst. Dabei wäre jetzt Zeit, um vorzusorgen. Das gilt vor allem für viele Betriebe in Deutschland.

Kaum ein Großraumbüro ohne Temperaturkonflikt: Den einen ist es zu warm, den anderen zu kalt, und angesichts hoher Energiepreise wird die Heizung mancherorts momentan gar nicht angeschaltet. Was bislang oft nur eine Frage des Komforts war, weitet sich inzwischen bei vielen zur Sorge um die eigene Gesundheit am Arbeitsplatz aus. Schuld ist die Klimakrise.

Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Arbeit und Gesundheit (IAG) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zeigt, dass knapp ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland in den vergangenen Jahren bereits die Folgen des Klimawandels in ihrem Betrieb erlebt haben.

Als größtes Risiko sehen die 1.047 Befragten dabei gesundheitliche Probleme durch Hitze, beispielsweise Herz-Kreislauf-Beschwerden, Dehydrierung und Atemwegsprobleme. Besonders viele Teilnehmer der Umfrage, deren Ergebnisse t-online exklusiv vorliegen, stellen Elektro- oder Metallerzeugnisse her, arbeiten in der Automobilproduktion, im KfZ-Gewerbe, im Gesundheits- oder Sozialwesen, im Verkehrssektor oder in der Lagerlogistik.

Folgen für Körper und Psyche

Viele sorgen sich auch wegen einer erhöhten Unfallgefahr durch hitzebedingte Erschöpfung und Schlafmangel sowie eine stärkere Belastung durch Allergien – denn mit steigenden Durchschnittstemperaturen verlängert sich die Pollensaison. Neben den körperlichen Auswirkungen fürchtet mehr als die Hälfte der Beschäftigten außerdem psychische Klimarisiken am Arbeitsplatz: Stressreaktionen wie Reizbarkeit und Hilflosigkeit liegen dabei ganz vorne.

Experten betonen bereits seit Längerem, wie berechtigt diese Bedenken gerade mit Blick auf die Sommertemperaturen in Deutschland sind. "Hitze ist ein medizinischer Notfall", schrieb unlängst etwa der Arzt und Klimaaufklärer Eckart von Hirschhausen in einem Gastbeitrag bei t-online. Der Körperteil, der am wenigsten Hitze vertrage, sei nun einmal das Gehirn.

"Lange bevor wir mit Hitzschlag zusammenbrechen, reduziert sich klammheimlich unsere geistige Leistung, unser Wohlbefinden und unsere seelische Gesundheit", so Hirschhausen. An sich ein Alarmsignal an alle Arbeitgeber, die hier ihre wertvollste Ressource in Gefahr wähnen müssten.

Doch das Thema scheint in den Büros und Werkhallen der Bundesrepublik bisher eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. So gab nur ein Drittel der Beschäftigten in der IAG-Umfrage an, dass ihr Betrieb sich bereits mit dem Klimawandel und seinen Folgen für sicheres und gesundes Arbeiten auseinandersetze.

Besonders großen Handlungsbedarf sehen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Blick auf Hitze in Innenräumen und bei der Arbeit im Freien. Hinzu kommt der Wunsch nach Vorsorgeangeboten für die psychische Gesundheit der Belegschaft und Prävention für Unfallrisiken, die durch Extremwetter, Gefahrenstoffe und hitzebedingte Störungen an Maschinen entstehen können.

Es kann schnell zu spät sein

Schicksale wie jene von José Antonio Gonzalez und Kenton Scott Krupp untermauern solche Forderungen: Krupp starb 2021 im US-Bundesstaat Oregon nach einer Schicht in einem Containerbüro, das trotz Hitzewelle nur mit einem einzigen Ventilator ausgestattet war. Gegen Schichtende habe er kaum noch gehen oder sprechen können, berichtet die "New York Times". In Madrid schaffte es derweil der Straßenkehrer Gonzales bei 41 Grad im vergangenen Juli nicht einmal bis zur Mittagspause – er brach nach einem Hitzschlag zusammen und starb kurz darauf.

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Um solche Fälle zu verhindern, bemühen sich in Deutschland vor allem Gewerkschaften darum, die gesundheitlichen Gefahren durch die Klimakrise in den Betrieben auf die Agenda zu heben. So gibt die IG Metall Tipps, wie man vermeidet, dass der Arbeitsplatz "zur Sauna wird" und berät, was zu tun ist, wenn der Arbeitgeber sich querstellt.

Verdi bietet rechtliche Informationen zur Temperatur am Arbeitsplatz, die IG Bau tourt Baustellen mit einer Anti-Hautkrebs-Kampagne, und der europäische Gewerkschaftsverband hat 2020 erstmals einen Leitfaden über die "Anpassung an den Klimawandel und die Arbeitswelt" herausgegeben.

Denn: Auch laut Deutschem Gewerkschaftsbund mangelt es vor allem am nötigen Bewusstsein für die gesundheitlichen Gefahren, die der Klimawandel mit sich bringt. Arbeitsschutz werde in vielen Betrieben fatalerweise noch immer vorrangig als Unfallvermeidung verstanden, was auch einige Ergebnisse der IAG-Umfrage andeuten. Das müsse sich schnell ändern, findet man bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Keine offiziellen Grenzwerte

"Wie die Befragung zeigt, wirkt sich der Klimawandel bereits auf die Beschäftigten aus", bekräftigt Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV. Doch neben einem stärkeren Bewusstsein fehle es teils auch an Daten, die zeigen, wie gefährlich bestimmte Aspekte des Klimawandels für die Gesundheit sind. So gibt es mangels wissenschaftlicher Grundlagen beispielsweise noch keine offiziellen Grenzwerte für die Belastung durch UV-Strahlung.

Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV forscht daher seit 2014, wie viel UV-Strahlung beispielsweise ein Abfertiger auf dem Flughafenvorfeld, ein Kranmonteur oder ein Plakatkleber bei der täglichen Arbeit abbekommt. Wie dringend dieses Wissen benötigt wird, um Beschäftigte im Freien besser zu schützen, zeigt die Statistik: Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Hautkrebsfälle in Deutschland fast verdoppelt.

Verwendete Quellen
  • Umfrage des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherer (2022): "Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit"
  • Internationale Politik und Gesellschaft (02.08.2022): "Arbeiten bis zum Wegschmelzen"
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