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Bäume pflanzen gegen den Klimawandel: Der große Irrtum


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Doch kein Grund zum Verzweifeln
Das reicht nicht

MeinungSara Schurmann

23.12.2024 - 10:02 UhrLesedauer: 5 Min.
Olaf ScholzVergrößern des Bildes
Kanzler Olaf Scholz (Archivbild): In puncto Klimaschutz werden einfache Maßnahmen von der Regierung bisher nicht durchgesetzt. (Quelle: Soeren Stache/dpa/dpa-bilder)
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Lange galt, es müssten nur genügend Bäume gepflanzt werden, dann ließen sich die Treibhausgase schon binden. Eine neue Prognose zeigt nun, das wird nicht reichen. Kein Grund zum Verzweifeln, findet unsere Kolumnistin.

Bäume pflanzen gegen den Klimawandel. Das klingt so simpel wie einleuchtend. Bäume können CO2 absorbieren. Je mehr Bäume gepflanzt werden, desto mehr CO2 wird aus der Luft gefiltert. Kein Wunder also, dass Supermarktketten, Unternehmen und sogar Internetportale damit werben, genau das zu tun, wenn man bei ihnen einkauft, ihre Produkte oder eben ihre Plattform nutzt. Auch mir gibt das oft ein gutes Gefühl.

"Wie Bäume das Klima retten könnten" hatte 2019 die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich die Pressemitteilung zu einer viel beachteten Studie überschrieben. In der folgenden Debatte war teils der Eindruck entstanden, dass gegen die Klimakrise kaum mehr getan werden müsse, als Bäume zu pflanzen.

Doch so einfach ist das nicht. Dass Bäume allein uns nicht retten werden, war Umweltexpertinnen und Forstfachleuten immer klar. Drei Monate später wurde die Überschrift der ETH Zürich angepasst: "Wie Bäume helfen könnten, das Klima zu retten" heißt es seitdem, Bäume und Wälder zu pflanzen sei "ein wirksames Mittel, um Kohlenstoff in der Atmosphäre zu reduzieren". Das Potenzial, CO2 aus der Luft zu binden, wurde aber von vielen dennoch weiter hoch gehandelt, in diversen Projektionen über künftige Entwicklungen der Emissionen werden sie aktiv als sogenannte Senken eingeplant.

Von einer Trendwende ausgegangen

Berechnungen des renommierten Thünen-Instituts und eine neue Studie des Umweltbundesamtes zeigen nun aber: Wald und Landwirtschaft werden in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten deutlich weniger zum Klimaschutz beitragen als geplant. Demnach ist die CO2-Speicherfähigkeit im Bereich Landnutzung zuletzt stark gesunken.

In Fachkreisen wird der Sektor LULUCF genannt. Die Abkürzung steht für die englischen Begriffe "Land Use", "Land Use Change" und "Forestry", also Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft. Es ist der einzige Sektor, der nicht nur Treibhausgase ausstößt, sondern auch bindet.

In der Vergangenheit überwog allerdings der Ausstoß. Denn in Deutschland wurden viele Flächen für die Landwirtschaft entwässert und Moore trocken gelegt, wodurch CO2 freigesetzt wurde. Unterm Strich gibt der Sektor daher derzeit etwas mehr Emissionen ab, als er aufnimmt. Im Zuge der Klimaschutzmaßnahmen der kommenden Jahre sollte der Trend aber umgekehrt werden. Davon ging man zumindest lange aus.

Video | Die Moore müssen bewässert werden
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Quelle: t-online

In den Böden und Pflanzen deutscher Felder und Wälder wird dem Thünen-Institut zufolge derzeit so viel CO2 gespeichert, wie Deutschland zwischen 2000 und 2022 ausgestoßen hat. Das ist enorm. Land- und Forstwirtschaft tragen also eine große Verantwortung in der Klimakrise, ihre Flächen nachhaltig zu bewirtschaften, damit die Treibhausgase gebunden bleiben. Idealerweise sollen künftig noch weitere gespeichert werden.

40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente

Sie sollen Emissionen ausgleichen, die in anderen Sektoren nicht zu 100 Prozent eingespart werden können. Das Klimaschutzgesetz plante bislang fest damit. Der Bereich Landnutzung sollte demnach in den kommenden Jahren im Schnitt 25 Millionen Tonnen sogenannte CO2-Äquivalente pro Jahr einbinden und die Menge weiter steigern.

Von CO2-Äquivalenten wird gesprochen, weil sich unterschiedliche Treibhausgase unterschiedlich stark auf das Klima auswirken. Diese Wirkung wird daher umgerechnet und so vergleichbar gemacht. Zwischen 2042 und 2045 sollten deutsche Felder, Wälder und Böden 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen.

Anstatt CO2 zu binden, gehen die Forschenden in den neuesten Berechnungen von 2024 jedoch nun davon aus, dass der Sektor in den kommenden Jahren tendenziell mehr Treibhausgase ausstößt, als er einlagert. Zwischen 2027 und 2030 wird zwar eine geringe Senkwirkung von 0,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent erwartet. Vom Ziel der 25 Millionen Tonnen ist das aber weit entfernt.

Eine deutliche Lücke

Im Vorjahr sah das noch anders aus. Berechnungen gingen davon aus, dass in diesem Zeitraum eine effektive Einbindung von 16,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten möglich sei. Auch hier zeigt sich eine deutliche Lücke zum Ziel, aber eine wesentlich geringere. Was ist passiert?

Sara Schurmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom Medium Magazin zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

In den aktuellen Berechnungen werden Daten berücksichtigt, die bisher außen vor gelassen wurden. Europäische Richtlinien fordern aber, Methanemissionen aus Gewässern wie Entwässerungsgräben, Fischteichen und Talsperren einzubeziehen; das wurde in den neuen Berechnungen gemacht. Schon daraus ergibt sich eine Differenz von 4,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Emissionen, die vorher einfach nicht erfasst wurden.

Aber auch die Folgen der Erderhitzung machen sich bereits bemerkbar. In den vergangenen Jahren war es zeitweise so trocken, dass die Dürre große Flächen des Waldes beschädigte. Ganze Bereiche sind abgestorben, und das macht sich auch in den Treibhausgasbilanzen sichtbar. So stark, dass das Thünen-Institut feststellt: "Die aktuelle Entwicklung im Sektor LULUCF passt nicht zu den Klimazielen. Die Ziele für 2030 werden deutlich verfehlt." Außerdem würden beschlossene Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichend umgesetzt.

Die Politik handelt nicht

Ein Problem ist zudem, dass es dauert, bis die Veränderungen im Bereich Landnutzung Effekte zeigen. Kleine Bäume binden deutlich weniger CO2 als große, alte. Moore wieder zu vernässen, dauert. Das heißt nicht, dass es egal ist, ob die Maßnahmen heute durchgeführt werden oder nicht. Im Gegenteil. Um mittelfristig das Potenzial auszuschöpfen, müssen sie schneller und umfassender umgesetzt werden.

Aber selbst einfache Maßnahmen werden von der Regierung bisher nicht durchgesetzt. Als ich im Frühjahr meinen Balkon bepflanzt habe, musste ich selbst darauf achten, Blumenerde ohne Torf zu kaufen. Der Abbau und Verkauf von Torf sind noch immer nicht verboten, obwohl sich damit erhebliche Mengen an CO2 vermeiden ließen.

Was mit den abgestorbenen Wäldern passieren soll, darüber gibt es hitzige Debatten. Die einen wollen die Natur sich selbst überlassen, die anderen drängen zur Aufforstung. Das Thünen-Institut empfiehlt, auch mit Blick auf die Treibhausgasbilanz, abgestorbene Wälder schnell wieder aufzuforsten. Dafür sollten zügig wachsende Baumarten verwendet werden, die sowohl zum Standort passen, als auch widerstandsfähig gegen die Erderhitzung sind. Auch neue Wälder sollten demnach geschaffen werden und sogar Hecken könnten eine erhebliche Menge an Emissionen binden.

Es muss noch viel mehr getan werden

Es ist also richtig, viel aufzuforsten und nachhaltige Aufforstung zu unterstützen – gern auch durch den Einkauf bei Unternehmen, die das glaubwürdig tun. Doch: Das allein reicht nicht. Es muss noch viel mehr getan werden.

Wichtig ist es, bestehende Wälder zu schützen, egal ob vor der eigenen Haustür oder global, in tropischen Regenwäldern. Ein Baum, der nicht gefällt wird, bringt kurz- und mittelfristig mehr als einer, der neu gepflanzt wird. Auch für den Erhalt der Artenvielfalt sind gesunde Wälder entscheidend, das Artensterben lässt sich nicht bremsen, wenn die Entwaldung nicht gestoppt wird. Forste mit Monokulturen würden zwar CO2 binden, die Biodiversitätskrise aber sogar noch verschärfen.

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Ebenso sollten die Möglichkeiten, Emissionen langfristig in Holzprodukten zu speichern, stärker genutzt werden, etwa durch Holzbauweise. Wird das Holz verbaut, bleibt das CO2, das der Baum vorher aus der Luft gezogen hat, in Form von Kohlenstoff im Material gebunden. An der gleichen Stelle kann ein neuer Baum wachsen und weitere Mengen des Treibhausgases binden.

Auch der Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, ist Fan dieser Idee. Er nennt sie "Bauhaus der Erde". Was an dieser Bauwende fast noch wichtiger ist, vor allem jetzt, wo die Senken fehlen: Damit ließen sich gleichzeitig Emissionen aus der Produktion von Beton und Stahl einsparen, die sich derzeit noch nicht klimaneutral produzieren lassen.

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