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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Torf-Diskussion Blumenerde: Deshalb könnte sie in Zukunft teurer werden
Julia Klöckner will torfhaltige Blumenerde verbieten. Der Naturschutzbund findet das gut, verlangt aber mehr Ehrlichkeit von der Bundeslandwirtschaftsministerin. Denn die Exit-Strategie könne Folgen haben.
Wer Garten oder Balkon bepflanzen möchte, braucht Blumenerde. Schnell greift man deshalb im Supermarkt und Pflanzencenter zu günstigen Angeboten: 20 Liter für unter drei Euro sind dabei keine Seltenheit. Was viele Hobbygärtner nicht wissen: Solche billige Blumenerde enthält zumeist Torf, eine spezielle Form von Humus, der in Hochmooren abgebaut wird.
Fürs Klima ist der Torfabbau allerdings schlecht. Denn die Moore speichern klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Werden die Feuchtgebiete entwässert, um den Humus für Blumenerde zu verwenden, entweicht das Treibhausgas – ein wichtiger Speicher für CO2 fällt weg.
Das hat jetzt auch Julia Klöckner (CDU) erkannt. Die Bundeslandwirtschaftsministerin schrieb vor wenigen Wochen öffentlichkeitswirksam die größten Baumärkte und Lebensmitteleinzelhändler an. In dem Brief forderte sie die Konzernchefs auf, längerfristig torfhaltige und torfreduzierte Blumenerde aus den Regalen zu nehmen. Zudem strebe die Bundesregierung einen kompletten Torfausstieg bis Ende 2026 an.
"Klimaschutzprogramm 2030": Weniger Torf in Blumenerden
Was in der Diskussion bislang unterging: Einige Unternehmen, wie die Baumarktkette Toom, haben sich bereits vor vielen Jahren dafür entschieden, ihr Erdensortiment auf torffreie Alternativen umzustellen. Toom will das bis zum Jahr 2025 schaffen. Also ein Jahr früher.
Hintergrund von Klöckners Vorstoß ist das vom Bundeskabinett beschlossene "Klimaschutzprogramm 2030". Darin steht auch, dass Moorböden geschützt und Torf in Blumenerden reduziert werden sollen.
Marja Rottleb vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) begrüßt zwar den Ausstieg, ist aber skeptisch, ob die Ministerin diesen Zeitplan wirklich einhalten kann. "Noch fehlen ausreichend Ersatzstoffe, also naturverträgliche und nachhaltige Alternativen zum Torf", sagt Rottleb t-online.de. Wenn das Ministerium einen Ausstieg plane, müsse es gleichzeitig auch die Voraussetzungen dafür schaffen. Die sieht Rottleb noch nicht erfüllt.
"Darüber muss der Verbraucher aufgeklärt werden"
Mehr noch: Der Preis für Blumenerde könne langfristig steigen, wenn nur noch torffreie Produkte angeboten werden. "Darüber muss der Verbraucher aufgeklärt werden", fordert die Nabu-Gartenexpertin. Ihr fehle ein Kommunikationskonzept, das ein Bewusstsein für die Problematik beim Verbraucher schaffe.
Als sogenannte Torf-Ersatzstoffe gelten zum Beispiel Rinde, Holz- und Kokosfasern. Doch jeder dieser Rohstoffe ist in der Natur nur begrenzt vorhanden. Außerdem ist der Energieverbrauch für Herstellung und Transport zu bedenken. Letztlich sind diese Torf-Ersatzstoffe auch anfällig für globale Krisen. Laut Rottleb klagt mancher Hersteller von torffreien Blumenerden schon jetzt, dass es ihm an Rindenhumus fehle, weil der Borkenkäfer die Fichtenbestände generalstabsmäßig vernichte.
Gärtnermeister Holm Wießner vom Rosengut Langerwisch südöstlich von Potsdam berichtet wiederum davon, dass die Lieferung von Kokosfasern durch die Corona-Krise ins Stocken geraten sei. Containerfrachtschiffe aus Übersee blieben in den Häfen, Torfersatzstoffe konnten nicht geliefert werden.
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Kokosfasern müssen importiert werden. Hauptproduktionsländer sind Indonesien, Indien, Sri Lanka, Thailand, Mexiko, Vietnam, Malaysia und die Philippinen.
Wießner arbeitet in der Pflanzenproduktion des Gutes. Es ist eines von fünf finanziell geförderten Modell- beziehungsweise Demonstrationsbetrieben, ausgewählt vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Die Idee: In den fünf Zierpflanzenbau-Firmen werden die Mitarbeiter vier Jahre lang bis 2024 von regionalen Experten begleitet. Sie sollen helfen, den Torfanteil in den Pflanztöpfen der Betriebe zu verringern und regionale Lösungen zu entwickeln. Dabei sollen sowohl bekannte organische und mineralische Substratausgangsstoffe wie Kompost, Rindenhumus und Holzfasern als auch neue Materialien eine Rolle spielen.
Nabu-Gartenexpertin Rottleb weiß, dass vor allem der Erwerbsgartenbau – zu denen die Baumschulen, Staudengärtnereien, der Gemüse- und Obstbau sowie Garten- und Landschaftsbau zählen – hier vor einer großen Herausforderung steht und seine Infrastruktur entsprechend umstellen muss. "Es ist aber grundsätzlich möglich, auch hier auf Torf zu verzichten", sagt Rottleb.
Hersteller verkaufen torffreie und torfhaltige Blumenerden
Dagegen könne man im Privatgarten jetzt schon komplett ohne Torf pflanzen. Was viele Verbraucher aber nicht tun. Denn die meisten Hersteller setzen neben torffreien nach wie vor auf torfhaltige Blumenerden, wie die Compo GmbH aus Münster. "Mit unserem breiten Angebot geben wir dem Verbraucher die Wahl, das passende Produkt zu erwerben und einzusetzen", sagt Vanessa Lange t-online.de. Der in Compo-Blumenerden verarbeitete Torf stamme aber ausschließlich aus zertifiziertem RPP-Torfabbau.
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Die Foundation Responsibly Produced Peat (RPP), deutsch: Stiftung für verantwortungsvoll hergestellten Torf, hat ein Zertifizierungsmodell mit bestimmten Prinzipien und Kriterien entwickelt. Damit sollen während und nach der Torfproduktion die jeweiligen Abbaugebiete umweltfreundlich behandelt werden.
Aufgrund seiner Eigenschaften wie Verfügbarkeit, pH-Wert, Strukturstabilität oder Preis sei Torf aus Gärtnersicht der ideale Ausgangsstoff zur Herstellung von Blumenerden, ergänzt Lange. "Aktuell existiert kein Alternativstoff, der in gleichem Maße diese Eigenschaften besitzt und ebenso gut verfügbar ist." Daher werde dieser "in fachlich notwendigem Maße" eingesetzt. Man forsche allerdings daran, den Torfanteil weiterhin fortlaufend zu senken.
Compo halte aber an dem Ziel der Substratindustrie fest, bis 2030 den Torfanteil in eigenen Blumenerden auf 30 Prozent zu reduzieren. Wie auch der Hersteller Floragard, der neben torfreduzierter und torffreier auch torfhaltige Blumenerde produziert. Dabei bewirbt die Oldenburger Firma einige Produkte mit dem Hinweis "torfreduzierte Rezeptur mit regionalen nachwachsenden Rohstoffen". Diese enthalte Grünschnittkompost, Bio-Holzfasern oder Rindenhumus, erklärt Christian Mauke auf Anfrage von t-online.de.
Gartenkompost sei der beste Torfersatz
Um Umwelt und Klima zu schützen, empfiehlt das Umweltbundesamt dennoch komplett torffreie Blumenerde im Garten und für Balkon sowie Terrasse zu verwenden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) hat dafür einen praktischen "Einkaufsführer für torffreie Erden" (Stand: Juni 2020) erstellt. Einige Blumenerden tragen zum Beispiel auch das RAL-Gütezeichen und das Europäische Umweltzeichen, sind allerdings oft etwas teurer.
Wer kein Geld ausgeben möchte, verbessert seinen Boden mit Kompost. Der lässt sich selbst im Garten herstellen. So schließt sich der Nährstoffkreislauf und die Pflanzen sind optimal versorgt, auch ohne Torf.
- Eigene Recherchen
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): "Landwirtschaft und Klimaschutz"
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): "Torfminderungsstrategie"
- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): "Bund-Einkaufsratgeber für torffreie Erden"
- Nachrichtenagentur dpa
- Responsibly Produced Peat: "Umweltfreundlich hergestellter Torf – ein Überblick"
- toom Baumarkt GmbH: "Torfausstieg bis 2025: toom stellt weiter konsequent das Erdensortiment um"
- Umweltbundesamt: "Kein Torf in den Topf"