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Energieausweis vor Einführung der Pflicht 2013 heftig kritisiert


Energieausweis
Kritik am Energieausweis

dpa-tmn, mb; rw

14.03.2012Lesedauer: 4 Min.
Der im Energieausweis angegebene Wert sagt nur wenig darüber aus, wie viel Energie Sie verbrauchen werden. (Quelle: dena)Vergrößern des Bildes
Der im Energieausweis angegebene Wert sagt nur wenig darüber aus, wie viel Energie Sie verbrauchen werden. (Quelle: dena)

Beim Autokauf ist es völlig selbstverständlich, dass man sich auch über den Treibstoffverbrauch informiert, bevor man sich für ein Modell entscheidet. Dasselbe soll Verbrauchern auch beim Kaufen oder Mieten einer Immobilie möglich sein. Deshalb müssen Makler beziehungsweise Hausbesitzer schon heute ihren Kauf- und Mietinteressenten auf Verlangen einen Energieausweis vorzeigen. Einige Experten und die Ergebnisse einer Regierungs-Studie werfen allerdings die Frage auf: Kann man dem Energieausweis überhaupt vertrauen?

Der Energieausweis soll fundiert Auskunft darüber geben, mit welchem Energieverbrauch in einem Gebäude pro Quadratmeter und Jahr zu rechnen ist. Sein eigentlicher Zweck ist es, Kauf- oder Mietinteressenten zu erlauben, die energetischen Eigenschaften verschiedener Immobilien untereinander zu vergleichen.

Dass eben dies oft nicht möglich sei, zeigt eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Für die "Evaluierung ausgestellter Energieausweise für Wohngebäude nach EnEV 2007" wurden Entstehung und Qualität von 94 Energieausweisen untersucht, die gemäß den Vorschriften der Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2007 erstellt worden waren.

Den Energieausweis gibt es in zwei Varianten

"Den Energieausweis gibt es in zwei Varianten", erklärt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin den aktuellen Stand der Dinge. Dem Verbrauchsausweis liegen die Heizkostenabrechnungen der vergangenen drei Jahre zu Grunde. Für die zweite Variante, den sogenannten Bedarfsausweis, nimmt ein Fachmann die energetisch relevanten, baulichen Bestandteile des Gebäudes wie Heizungsanlage, Fenster und Dämmung sowie die Baupläne unter die Lupe. Auf dieser Grundlage wird dann der Energiebedarf für das Haus ausgewiesen.

Schon bei diesen beiden Varianten kommt es zu teils gravierenden Abweichungen im Ergebnis. In der Studie "Evaluierung ausgestellter Energieausweise für Wohngebäude nach EnEV 2007", die das BMVBS im Januar 2011 veröffentlicht hat, machten die Autoren bedenkliche Beobachtungen: Bei Häusern, für die beide Ausweis-Arten erstellt wurden, wies der Verbrauchsausweis stets einen um 24 bis 30 Prozent niedrigeren Energiedarf aus, als der Bedarfsausweis.

Wenig Fehler beim Verbrauchsausweis

Und welcher Wert kommt der Wahrheit nun am Nächsten? Der Verbrauchsausweis basiert auf konkreten Heizkostenabrechnungen. Bei der Auswertung dieser Daten sollten Fachleute eigentlich wenig falsch machen können. Das zeigen auch die Ergebnisse der BMVBS-Evaluierung: Zwei Drittel aller untersuchten Verbrauchsausweise wichen weniger als fünf Prozent oder gar nicht vom tatsächlichen Energiebedarf ab.

Die Schwächen beim Verbrauchsausweis

Allerdings muss man beim Verbrauchsausweis bedenken, dass die Höhe der Heizkostenabrechnungen stark von der Anzahl der im Haushalt wohnenden Bewohner und deren Heizgewohnheiten abhängen. Wer schnell friert, verbraucht vermutlich auch mehr Energie, weil er seine Wohnung um einige Grad höher beheizen wird. Jedes Grad mehr in der Wohnung erhöht dabei den Heizenergie-Bedarf um etwa sechs Prozent. Deshalb ist die Reduzierung der Raumtemperatur auch eines der effektivsten Mittel, wenn man Heizkosten sparen will.

In Mehrfamilienhäusern spielen die Heizgewohnheiten der einzelnen Bewohner eine etwas geringere Rolle. Je mehr Haushalte sich in einem Gebäude befinden, desto weniger fallen die Eigenheiten eines Einzelnen im Energieverbrauch ins Gewicht. Allerdings spielt hier die Lage der Wohnung eine umso größere Rolle: Liegt sie etwa über einem unbeheizten Keller, ist ihr Energiebedarf deutlich höher als im übrigen Gebäude.

Ist der Bedarfsausweis der bessere Energieausweis?

Anders als beim Verbrauchsausweis spielen beim Bedarfsausweis die Verbrauchsgewohnheiten der Bewohner keine Rolle. "Beim Bedarfsausweis wird der Zustand des Hauses und nicht das Verhalten der Bewohner analysiert, wie beim Verbrauchsausweis. Ob jemand viel oder wenig heizt, spielt beim Bedarfsausweis keine Rolle", verdeutlicht Ulrich Ropertz den unterschied.

Häufig wird unterstellt, der Bedarfsausweis sei aussagekräftiger als der Verbrauchsausweis, weil er eben nicht das persönliche Verhalten, sondern die baulichen Begebenheiten bewertet. Auch einige Experten schätzen das so ein. Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren etwa wirbt für den Bedarfsausweis. Dieser sei zwar teurer als der Verbrauchsausweis, böte potenziellen Mietern oder Käufern dafür aber eine echte Vergleichsgrundlage.

Der Bedarfsausweis ist in der Praxis völlig unzuverlässig

Eine ganz andere Sprache sprechen dagegen die Ergebnisse der BMVBS-Studie: Bei den untersuchten Bedarfsausweisen haben die Forscher schier unglaubliche Abweichungen vom tatsächlichen Energiebedarf um bis zu 108 Prozent festgestellt. Von den analysierten 21 Bedarfsausweisen wichen weniger als ein Drittel kaum oder gar nicht vom tatsächlich auszuweisenden Energiebedarf ab. Knapp zwei Drittel aller ausgestellten Bedarfsausweise lagen um über sechs Prozent daneben.

Grund für die krassen Unterschiede bei Bedarfsausweisen: Für deren Berechnung müssen konkrete Daten oft durch Annahmen und Erfahrungswerte ergänzt werden. Da wird dann mit falschen Wärmedurchgangskoeffizienten gerechnet oder veraltete Baupläne zugrunde gelegt. Eine "Häufung unterschiedlicher Annahmen" und "insgesamt unschlüssige Berechnungen" attestierten die Studienautoren den untersuchten Bedarfsausweisen deshalb.

"Der eigentlich als hochwertiger geltende Bedarfsausweis hat in der Praxis eine unzureichende Zuverlässigkeit", stellen die Forscher abschließend fest.

Einsparpotenzial wird im Bedarfsausweis oft überschätzt

Dafür soll der Bedarfsausweis detaillierte Empfehlungen zur energetischen Sanierung eines Gebäudes geben und Hausbesitzern somit im Vergleich zum Verbrauchsausweis einen echten Mehrwert liefern. In der Praxis allerdings bleibt von diesem Versprechen oft nur wenig übrig. "Die Modernisierungsempfehlungen sind häufig zu pauschal gehalten und daher auch völlig unwirksam", so das gängige Urteil der für die Studie befragten Hausbesitzer.

Eine weitere Fehlerquelle beim Bedarfsausweis ist das Alter der Immobilie. So kommt eine Studie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zum Ergebnis, dass der für den Bedarfsausweis theoretisch ermittelte Energiebedarf bei älteren Gebäuden um rund ein Drittel höher liegt, als der tatsächlich realisierte Verbrauch. Umgekehrt würde der Energiebedarf bei modernen Immobilien meist unterschätzt.

Im Ergebnis bedeutet das, dass die durch energetische Sanierung zu erzielenden Ersparnisse, die ohne Einbeziehung von praktischen Daten zur Erstellung des Bedarfsausweises errechnet wurden, mit hoher Wahrscheinlichkeit überschätzt werden. Für Hausbesitzer ist das wichtig, wenn es um die Frage geht, ob und wann sich eine Investition amortisiert. Laut Gesetz ist die Ermittlung von Verbrauchswerten, welche die im Bedarfsausweis unterstellten Sparpotenziale relativieren könnten, nicht notwendig.

Den Energieausweis nicht überbewerten

Trotz all seiner Nachteile und Unzulänglichkeiten kann der Energieausweis ein hilfreiches Mittel für Kauf- und Mietinteressenten sein, sich zumindest einen ungefähren Eindruck über die energetischen Eigenschaften einer Immobilie zu machen. Allerdings darf man sich eben nicht blind auf die Ausweise verlassen und sollte schon gar nicht die Entscheidung für oder gegen größere Investitionen von ihnen abhängig machen.

Wer sich als Mieter für die Heizkosten interessiert, die in einer bestimmten Wohnung wohl auf ihn zukommen werden, der kann sich auch beim Vormieter oder den zukünftigen Etagen-Nachbarn über deren Heizgewohnheiten und -kosten informieren.

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