Alarmierende Prognose Gaspreise: Es besteht dringender Handlungsbedarf
Die deutschen Gasspeicher sind im März ungewöhnlich leer, was die Branche vor große Herausforderungen stellt. Warum? Das zeigt ein Bericht des "Spiegel".
Die Heizsaison ist fast zu Ende – die Temperaturen steigen allmählich. Das ist eine gute Nachricht. Denn derzeit sind die deutschen Gasspeicher nur noch zu knapp 32 Prozent gefüllt. Im Vergleich dazu liegt das Mittel der Jahre 2017 bis 2021 etwa neun Prozentpunkte höher.
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Günstig einkaufen im Sommer – das war einmal
In den vergangenen Jahren hätte diese Situation wenig Probleme bereitet. Denn die meisten Stadtwerke planen solche Entwicklungen ein und kaufen in der Regel im Frühjahr und Sommer Erdgas, wenn die Preise eher niedriger sind. So füllen sie ihre Speicher rechtzeitig auf – und das zu günstigeren Konditionen. Teilweise ist der Erdgaspreis außerhalb der Heizsaison um sechs Euro je Megawattstunde (MWh) niedriger als in der Saison.
Nun kommt jedoch eine eigentlich untypische Entwicklung auf dem Gasmarkt hinzu: Anders als sonst steigen die Gaspreise nach der Heizsaison wieder. Und das schreckt viele ab, jetzt schon die Gasspeicher für den Winter 2025/26 zu füllen. Spätestens dann könnte das Zögern der Branche für Deutschland und somit für die Verbraucher zum Problem werden.
Obwohl die Zahl aktiver Gasheizungen in Deutschland sinkt, gibt es noch immer viele Haushalte, die mit diesem fossilen Brennstoff heizen. Und Privatleute sind nicht die Einzigen, die unter der möglichen Gasknappheit leiden werden: Auch die Chemieindustrie und die Gaskraftwerke, die mit dem Erdgas Strom erzeugen, dürften die nicht ausreichend gefüllten Gasspeicher bitter zu spüren bekommen.
Deutschland droht Milliardenverlust
Sollte sich die Situation nicht ändern, drohen den Verbrauchern, der Industrie und der Wirtschaft hohe Kosten, berichtet der "Spiegel". Schließlich würde Deutschland damit eine zentrale EU-Vorgabe verfehlen: Infolge der Energiekrise 2021 hatte die EU 2022 festgelegt, dass die Speicher der jeweiligen Mitgliedstaaten bis November jedes Jahr zu mindestens 90 Prozent gefüllt sein müssen.
Gelingt das nicht, muss wieder teures Gas hinzugekauft werden. Im Ernstfall sogar wieder vom Staat. Schon 2022 hatte die Trading Hub Europe (THE) im Auftrag der Bundesregierung Erdgas für etwa 8,7 Milliarden Euro gekauft. Und zwar nur, um einen Engpass zu vermeiden. Der spätere Verkauf führte jedoch zu einem Milliardenverlust (6,3 Milliarden Euro) und ging zulasten des Bundeshaushalts und damit der Steuerzahler.
Besonders stark werden dann jedoch all diejenigen zur Kasse gebeten, die Erdgas benötigen – und zwar über die Gasspeicherumlage. Diese wurde 2022 eingeführt und betrug 59 Cent je MWh. Inzwischen liegt sie bei knapp drei Euro je MWh. Sollte THE die Speicher erneut füllen müssen, könnte die Umlage weiter steigen.
Warum ist Gas aktuell so teuer?
Es gibt mehrere Faktoren, die den Gasmarkt aktuell beeinflussen. So ist Europa stärker als je zuvor auf verflüssigtes Erdgas (LNG) angewiesen – denn die Gasleitungen, durch die von der Ukraine russisches Gas nach Europa floss, sind stillgelegt. Zwar ist LNG eine geeignete Alternative – kritisch ist bei dem Umstieg allerdings, dass es international zu stark schwankenden Preisen gehandelt wird.
Die Entwicklung wird durch den in einigen Ländern kalten Winter befeuert. Er führt zu erhöhter Nachfrage, weshalb einige Händler davon ausgehen, dass die Preise für LNG auch noch im Sommer in die Höhe schnellen werden. "Der Markt versucht verzweifelt, genügend LNG anzulanden. Das Preisniveau deutet auf einen Aufschlag für LNG-Ladungen nach Europa im Vergleich zu Asien hin", berichten Analysten der norwegischen Bank DNB. Hinzu kommen gewiefte Investoren, erklärt "n-tv", die auf den LNG-Preis wetten. Demnach würden die Gaspreise auch von Investmentfonds getrieben, die auf steigende Preise setzen, heißt es in dem Bericht.
Industrie fordert Abschaffung der Speicherumlage
Die Unternehmen, die besonders auf die Gaslieferungen angewiesen sind und dementsprechend eine hohe Gasspeicherumlage zahlen müssen, sehen sich dadurch im Wettbewerbsnachteil: In anderen Ländern zahlten die Gasverbraucher (Besitzer von Gasheizungen) die Speicherkosten saisonal für die Heizsaison – nicht aber die Industrie, die das Gas ganzjährig benötigt und entsprechend die Umlage zahlen muss, argumentieren die Betroffenen.
Dieser Nachteil könnte dazu führen, dass Unternehmen ihre Produktion nach und nach in die Länder verlegen, in denen sie die Umlage nicht zahlen müssen. Damit würde Deutschland als Standort für Großunternehmen immer unattraktiver.
Dem Bundeswirtschaftsministerium ist die Problematik bekannt, berichtet das "Handelsblatt". Das Ministerium plädiert daher bei der EU dafür, die Füllstandsvorgaben zu lockern. "Die Europäische Kommission hat in Aussicht gestellt, hier Abhilfe zu schaffen. Mehr Flexibilität kann dazu führen, dass der Druck, alle Gasspeicher gleichermaßen zu befüllen, abnimmt und es zu einer Normalisierung der Marktverhältnisse kommt", zitiert das Handelsblatt eine Sprecherin. Erste Signale aus Brüssel sind demnach positiv. Zudem wird ein Modell ausgearbeitet, das den Preisunterschied zwischen Sommer- und Wintergas relativieren soll. Das bedeutet, dass Händler auch während der Heizsaison bis zu einer bestimmten Menge noch günstiges Erdgas kaufen können und dafür nicht bis zum Sommer warten müssen.
Angesichts dieser Entwicklung sollten Verbraucher verstärkt darüber nachdenken, ihre Gasheizung gegen eine bessere und zukunftssichere Heizmethode einzutauschen. Denn nicht nur die Erdgaspreise könnten zum Problem werden: Auch steigende Netzentgelte und die bevorstehende Abschaltung der Gasversorgung in vielen Städten sind wichtige Faktoren, die früher oder später auf den einen oder anderen zurückfallen könnten.
Aktuell gibt es also nur zwei Möglichkeiten: abwarten und pokern oder aktiv werden und sich um eine neue Heizmethode kümmern.
- spiegel.de "Warum für den Sommer die Gaspreise steigen – und das Heizen im Winter teuer werden könnte" (kostenpflichtig)
- handelsblatt.com "Deutscher Industrie droht der nächste Preisschock"
- n-tv.de "Am Horizont zieht eine neue Energiekrise auf"
- ndr.de "Gasspeicher: Der aktuelle Füllstand in Deutschland"