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Schwangerschaft nach Fehlgeburt: Ab wann wieder möglich?


Kinderwunsch
Schwangerschaft nach Fehlgeburt: von guter Hoffnung weit entfernt

t-online, Simone Blaß

22.03.2013Lesedauer: 5 Min.
Eine Fehlgeburt und die Frage nach einer erneuten Schwangerschaft belasten häufig auch die Partnerschaft.Vergrößern des Bildes
Eine Fehlgeburt und die Frage nach einer erneuten Schwangerschaft belasten häufig auch die Partnerschaft. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Der Körper, die Seele und die Lebensplanung - alles war auf ein weiteres Familienmitglied ausgerichtet. Doch dann kommt es zur Fehlgeburt. Wie soll es weitergehen? Gleich wieder versuchen schwanger zu werden? Sich physisch und psychisch ein bisschen Zeit geben? Die Partner sind sich oft nicht einig, der Verlust wird unterschiedlich verarbeitet, wobei die Beziehung dabei auf eine harte Probe gestellt wird.

Gibt es einen richtigen Zeitpunkt für eine neue Schwangerschaft?

Sich nach einer Fehlgeburt wieder für eine Schwangerschaft zu entscheiden, ist vor allem eines: mutig. Denn es bedeutet in der Regel einen Kampf mit inneren Ängsten, einem erschütterten Vertrauen in die Welt, die Medizin und in den eigenen Körper. Außerdem ist das Paar oft verunsichert ist, wie lange man warten sollte, bis man sich an eine neue Schwangerschaft heranwagt.

Die Meinungen gehen auseinander. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von sechs Monaten, die gängige Meinung unter Frauenärzten ist drei Monate - wobei immer nicht nur der Körper, sondern eben auch die Seele und deren Erholung von dem Schock im Blickfeld stehen.

Theoretisch kann die Frau mit dem nächsten Eisprung wieder schwanger werden und glaubt man einer Studie der Universität von Aberdeen, ist das sogar sinnvoll. Denn ein Schwangerwerden innerhalb der ersten sechs Monate wirkte sich günstig auf den Verlauf aus - die Zahl der erneuten Fehlgeburten war niedriger. Hinzu kommt, dass je Älter Frauen werden, die Wahrscheinlich für Komplikationen steigt. Das Risiko steigt ab 35 Jahren deutlich an und liegt mit 42 Jahren schon bei 54 Prozent.

"Die Fehlgeburt war wichtig für unsere Entwicklung"

"Ich glaube nicht, dass es genau den einen richtigen Moment für eine neue Schwangerschaft gibt", meint Silvia Oddo von der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Frankfurt. "Viele Menschen lösen die Enttäuschung und den Schmerz, in dem sie sich ganz schnell wieder für ein Baby entscheiden. Andere müssen das Erlebte erst einmal verarbeiten und ein bisschen warten, um nicht zu verdrängen."

Die 38-jährige Anja ist sich sicher, dass sie wieder schwanger wird und sie vertraut darauf, dass es zum richtigen Zeitpunkt geschieht. "Ich denke, dass die Fehlgeburt wichtig war für unsere Entwicklung, für meinen Mann Mario ebenso wie für mich - damit wir uns unser Leben genau ansehen. Uns fragen, ob hier wirklich genug Zeit und Raum ist für ein zweites kleines Wesen, dem wir ja gerecht werden wollen", überlegt die Mutter der knapp vierjährigen Louisa. Die selbstständige Steuerberaterin hat im vergangen Jahr ein Wunschkind verloren und nutzt die Zeit jetzt, um mehr Freiraum zu schaffen. "Als ich mit Lou schwanger war, bin ich von einem Termin zum anderen gehetzt - und das will ich so nicht mehr leben. Für mich ist die Fehlgeburt ein Warnschuss. Die kleine Seele hat sich dazu bereit erklärt, mich in meiner persönlichen Entwicklung voranzubringen. Ich sehe das als Geschenk und danke ihr dafür, kurz in meinen Körper geschlüpft zu sein, um mich wachzurütteln."

Wann psychologische Unterstützung notwendig ist

Die Verarbeitung einer Fehlgeburt hängt stark von der Persönlichkeit einer Frau ab, von ihrer Lebensgeschichte und von ihrer Partnerschaft. Nicht jeder gelingt es, so positiv heranzugehen wie Anja. Natürlich spielen neben der Persönlichkeit und dem Umfeld viele weitere Faktoren eine Rolle: In welcher Woche hat die Frau das Baby verloren? Wie sehr hat sie sich vorher die Schwangerschaft gewünscht und wie lange musste sie darauf warten? Hat sie bereits gesunde Kinder oder wäre es das erste Kind? "Jede Frau, die ein Baby verliert, ist traurig. Die entscheidende Frage ist: Wie verarbeitet sie es?" Silvia Oddo ist in der Uniklinik Frankfurt verantwortlich für den Bereich Psychologie in der Pränatalmedizin und Geburtshilfe und betreut unter anderem auch Frauen vor und nach Fehlgeburten.

"Bei allen organischen Prozessen muss immer die Seele in Betracht gezogen werden. Wenn man merkt, dass es nach einer normalen Trauerreaktion von vier bis sechs Wochen nicht besser wird, dann ist es völlig gerechtfertigt, sich psychologische Unterstützung zu holen." Wobei man davon ausgehen kann, dass es umso länger dauert, je länger auch der Kinderwunsch bestand und umso weniger man seinen Gefühlen Raum in der eigenen Lebensgeschichte gibt.

Ein Baby sollte nicht das alleinige Lebensziel sein

Auch wenn eine erneute Schwangerschaft auf sich warten lässt, sollte man neben einer Abklärung durch Gynäkologen und Endokrinologen eine seelische Ursache in Betracht ziehen: "Möglicherweise ist die Fehlgeburt noch nicht richtig verarbeitet. Oder es gibt einen anderen Grund, der davon abhält, den Wunsch nach einem Baby zu realisieren. Der psychische Druck, die Erwartungen der Umwelt, die eigene Vorwurfsspirale - hier kann viel mit hineinspielen." Silvia Oddo findet es wichtig, den Fokus nicht auf ein Baby als alleiniges Lebensziel zu legen, sondern seinen Alltag normal zu gestalten, für eine weitgehend stressfreie Umgebung zu sorgen und sich so oft wie möglich etwas Gutes zu tun. Auch als Paar. "So eine Situation kann ein Paar sehr nah zusammen-, aber auch auseinanderbringen."

Die Gefühle des anderen nicht aus den Augen verlieren

Der Diplompsychologin ist es wichtig, auch die Gefühle der Männer im Blick zu haben. "Auch sie haben das Recht traurig zu sein. Viele richten ihren Fokus zu sehr darauf, wie es der Frau geht und vergessen dabei sich selbst. Beide Partner sollten im Dialog bleiben, aber auch außerhalb der Beziehung Ansprechmöglichkeiten haben, um den Druck etwas vom anderen zu nehmen." Von der Sehnsucht des einen nach einem Baby bis zur gemeinsamen Entscheidung kann es nämlich ein weiter Weg sein. "Die Entscheidung sollte man aber immer gemeinsam treffen und nie dem anderen zuliebe", rät Oddo.

Dem verlorenen Baby Raum in der Familie geben

Die Wucht der Gefühle erschreckt das Umfeld oft - vor allem dann, wenn die Frau das Baby sehr früh verloren hat, fehlt es häufig an Verständnis. Doch das verlorene Baby braucht seinen Raum in der Familie und kann keinesfalls durch ein weiteres Kind einfach so ersetzt werden. Diese Erwartung, die oft von außen an das Paar beziehungsweise die Familie herangetragen wird, ist gerade bei einer erneuten Schwangerschaft eine hohe Belastung. Doch die Freude wird nicht nur überschattet von Schuldgefühlen gegenüber dem verstorbenen Kind, sie wird oft auch von der Frau gar nicht zugelassen. Mit dem klaren Ziel, eine möglicherweise weitere bevorstehende Verletzung zu vermeiden. Das kann wiederum zu Schuldgefühlen dem neuen Baby gegenüber führen. Ein Teufelskreis, den beide Partner nur gemeinsam durchbrechen können.

Eine Fehlgeburt ist kein persönliches Versagen

Jede fünfte Schwangerschaft endet mit einer Fehlgeburt. Erst wenn eine Frau mehrere Fehlgeburten hatte, schaut man genauer hin. Humangenetische Untersuchungen werden zum Beispiel von den Kassen erst nach frühestens drei Fehlgeburten genehmigt - bis dahin geht man davon aus, dass alles "normal" ist. Auch unter dem Aspekt, dass viele Abgänge, die man früher nicht einmal bemerkt hätte, heute nur aufgrund der medizinischen Möglichkeiten erkannt werden. Trotzdem wird eine neue Schwangerschaft von vornherein als Risikoschwangerschaft bezeichnet - was einen nicht verrückt machen sollte, denn es handelt sich hier lediglich um eine Vorsichtsmaßnahme. Es ist absolut an der Tagesordnung, dass Frauen auch nach einer Fehlgeburt gesunde Kinder auf die Welt bringen.

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Mögliche Gefahren jetzt im Vorfeld ausschließen

Eltern, die bereits ein Baby verloren haben, haben Angst davor, dass es sich wiederholen könnte. Gerade deswegen ist es wichtig, die möglichen Ursachen der Fehlgeburt abzuklären, um zu sehen, ob erneut damit gerechnet werden muss und welche Möglichkeiten es gäbe, das zu verhindern. Nicht zuletzt sollte man darüber nachdenken, sich auch während der Schwangerschaft seelsorgerische Hilfe zu suchen. Das muss keine Therapie sein, manchmal genügen auch ein paar Beratungsgespräche oder das Hinzuziehen einer erfahrenen Hebamme. Sie kann oft mehr Zuversicht vermitteln als eine Vielzahl an Untersuchungen. Denn schließlich sind die meisten Frauen in dieser speziellen Situation bei erneuter Schwangerschaft von "guter Hoffnung" meilenweit entfernt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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