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Schwanger nach Brustkrebs: "Felix hat mir das Leben gerettet"


Schwanger nach Brustkrebs
Schwanger nach Brustkrebs: "Felix hat mir das Leben gerettet"

t-online, Anja Speitel

Aktualisiert am 06.11.2013Lesedauer: 7 Min.
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Drei Jahre nach Catrins Brustkrebserkrankung kam ihr Sohn Felix auf die Welt. (Quelle: privat)
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Die Diagnose Brustkrebs ist für jede Frau ein Schock. Bei jungen Frauen kommt neben der belastenden Erkrankung und Therapie auch noch die quälende Frage hinzu, ob sie jemals ein Kind bekommen können. RTL-Moderatorin Miriam Pielhau hat im Mai 2012 eine gesunde Tochter zur Welt gebracht - vier Jahre nach ihrer Brustkrebs-Diagnose. Ihre Ärzte und auch die 37-Jährige selbst bezeichnen dies als "Wunder" - doch das ist es nicht! Experten wissen heute, dass Frauen nach Brustkrebs die Zukunft mit einem Baby nicht abschreiben müssen. Ein weiteres positives Beispiel ist Catrin B. mit ihrem Sohn Felix.

Da jede Schwangerschaft mit einem hohen Östrogenspiegel einhergeht und Östrogen Brustkrebs begünstigen kann, wurde Frauen nach überstandener Behandlung noch vor zehn Jahren wegen der Rückfallgefahr davon abgeraten, schwanger zu werden. "Die generelle Empfehlung überhaupt nicht mehr schwanger zu werden, ist heute überholt", so Klaus Friese, Direktor der Klinik & Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in München. "Wir wissen heute, dass Frauen, die nach therapiertem Brustkrebs schwanger werden, keine schlechtere Überlebensrate haben als Frauen, die danach nicht schwanger wurden. Das Risiko, wieder Krebs zu bekommen, ist durch eine Schwangerschaft nicht erhöht", so Friese, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ist.

Kind trotz Brustkrebs - positive Beispiele gibt es viele

Brustkrebs ist die häufigste Tumorart bei Frauen unter 35. Zehn Prozent aller Mamakarzinome treten bei Frauen im gebärfähigen Alter auf. Bei Catrin B. wurde 2006 mit 37 Jahren ein 1,6 Zentimeter großer Tumor in der linken Brust diagnostiziert. Nach zwei Operationen im Juli musste sie sich ab August einer Chemotherapie unterziehen. Nach Abschluss dieser folgten dann ab Anfang 2007 noch Bestrahlungen der Brust und eine Bisphosphonat-Therapie.

"Ich hatte schon bedenken, ob ich nach all dem überhaupt noch schwanger werden kann. Doch als wir es drei Jahre nach Therapie-Ende dann versucht haben, hat es auch gleich auf natürlichem Weg geklappt", erinnert sich Catrin B., heute glückliche Mutter von Felix. "Im April ist er drei geworden. Felix ist ein sehr aufgewecktes Kind, alles ist mit ihm in Ordnung und ich bin überglücklich, dass ich ihn habe." Durch ihre eigene Geschichte hat Catrin B. noch Kontakt mit vielen Leidensgenossinnen: "Alle, die es wollten, sind nach dem Krebs schwanger geworden. Eine hat sogar noch drei Kinder bekommen", freut sie sich. Nach der Statistik gebären heute drei bis 15 Prozent aller Brustkrebspatientinnen ein vitales Kind.

Erhalt der Fruchtbarkeit bei Krebs ist möglich

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes werden Frauen heute im Alter von durchschnittlich 29,8 Jahren erstmals schwanger. Krebspatienten werden aber immer jünger, die Heilungschancen jedoch auch immer besser. Damit gewinnt die Erhaltung der Fruchtbarkeit trotz Krebstherapie zunehmend an Bedeutung: Das Netzwerk Fertiprotekt wurde 2006 in Deutschland gegründet und ist inzwischen auf Österreich und die Schweiz ausgeweitet worden. Es berät Frauen und Männer vor und nach einer Chemo- oder Strahlentherapie hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit und eventueller Schutz-Maßnahmen.

Die Zukunft trotz Krebs im Auge behalten

"Wir sprechen alle Krebspatientinnen darauf an, dass es heute Möglichkeiten gibt, die Fruchtbarkeit zu schützen. Denn die Patientinnen selbst sind von der Diagnose Brustkrebs so geschockt, dass das Thema Kinderwunsch für die meisten in dem Moment keine Rolle spielt. Da geht es erstmal ums eigene Überleben", weiß Friese. "Wir bieten allen Brustkrebspatientinnen Fertiprotekt an und ermutigen, trotz Krebs an die Zukunft zu denken. Nach überstandener Erkrankung sind die Patientinnen dann natürlich sehr froh, auch das Zukunftsszenario Familie noch realisieren zu können." Allerdings sollten zwei Jahre ab Chemotherapie-Ende vergehen, bis man versucht schwanger zu werden. "Davor ist die Fehlgeburtenrate um zehn bis 40 Prozent erhöht", warnt Friese.

Chemotherapie ist heute sanfter

Wie sich Brustkrebs auf die Möglichkeit auswirkt, ein Kind zu bekommen, hängt weniger von der Erkrankung, sondern vielmehr von der Art der Behandlung ab. "Heute gibt es viel bessere Medikamente. In den 80er/90er Jahren war das Zytostatikum CMF noch Standard in der Chemotherapie. Dadurch sind die Eierstöcke so geschädigt worden, dass Frauen danach nicht mehr schwanger werden konnten. Heute jedoch führen die meisten Zytostatika nicht mehr zu einer dauerhaften Störung der Fruchtbarkeit", erklärt Professor Friese. Es kommt also stark auf die Auswahl der Medikamente an: Mit den passenden Zytostatika ist eine Chemotherapie heute sogar ab der 15. Schwangerschaftswoche möglich. "Und die Daten zeigen relativ einheitlich, dass Fehlbildungen beim Kind dadurch nicht zunehmen", so der Experte. Zur Quantifizierung des Risikos genetischer Erkrankungen bei Kindern zytotoxisch behandelter Eltern wurden mehrere Studien durchgeführt. Alle Untersuchungen konnten keine statistisch signifikante Erhöhung des Risikos genetischer Erkrankungen feststellen. Gesichert ist auch, dass Operation und Nachbestrahlung der Brust keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit oder die spätere Entwicklung des Kindes im Mutterleib haben.

Antihormontherapie bremst die Fruchtbarkeit

Brustkrebs tritt in zwei Formen auf: hormonabhängig oder hormonunabhängig. Das Wachstum eines hormonabhängigen Tumors kann mit einer antihormonellen Behandlung gebremst werden. Viele Brustkrebspatientinnen müssen deshalb noch bis zu fünf Jahre nach Entfernung des Tumors Antiöstrogene einnehmen. Diese Gegenspieler des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen führen oft zum Ausbleiben des Monatszyklus - und verhindern meist eine Schwangerschaft. Dennoch raten die Hersteller auch zu Empfängnisverhütung! Deshalb ist die Erfüllung des Kinderwunsches während einer Antihormontherapie normalerweise nicht möglich.

"Aber nach Therapie-Ende können junge Frauen in der Regel nach einem Jahr wieder schwanger werden“, berichtet Friese. Im jungen Körper normalisiert sich der Hormonspiegel wieder ganz von allein. Bei über Dreißigjährigen kann es nach einer mehrjährigen Antihormonbehandlung hingegen leider sein, dass ihre Eierstöcke nicht wieder voll funktionstüchtig werden und die Wechseljahre früher als normal einsetzen.

Maßnahmen zum Fruchtbarkeitsschutz

Frauen mit hormonunabhängigen Tumoren werden mit einer Chemotherapie behandelt. Für den Fall, dass die Chemotherapie so aggressiv gewählt werden muss, dass mit bleibenden Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit zu rechnen ist, gibt es heute schon einige Methoden, die Fruchtbarkeit dennoch zu schützen:

  • Eizellen einfrierenDer Nachteil beider Methoden besteht darin, dass eine hormonelle Vorbehandlung von rund zwei Wochen erforderlich ist. "Man muss natürlich von Fall zu Fall abwägen, ob man solange noch mit der Chemotherapie warten kann", gibt Friese zu bedenken. "Aber mit dieser Methode haben wir in Großhadern schon einige Kinder gewonnen."
  • Eierstockgewebe einfrieren dient dem Ziel, noch unreife Eizellen im natürlichen Gewebeverbund zu konservieren. Nach überstandener Brustkrebsbehandlung kann das Gewebe dann rückverpflanzt werden und für eine gewisse Zeit weibliche Sexualhormone und Eizellen produzieren. Da diese Methode recht neu ist, können jedoch noch keine genauen Aussagen hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit gemacht werden.
  • Spritzen mit GnRHa (Gonadotropin-releasing-Hormon-Analoga), die für die Dauer der Chemotherapie verabreicht werden, versetzen den Körper hormonell in einen vorpubertären beziehungsweise den Wechseljahren ähnlichen Zustand. Das soll die Eierstöcke gegenüber den schädlichen Wirkungen der Chemotherapie schützen. "Leider kam in der ZORO-Studie heraus, dass das wenig effektiv ist", so Friese. Andere Studien wiederum brachten positivere Ergebnisse.

So einfach wie es sich anhört, ist es aber nicht

Auch Catrin B. hatte diese GnRHa-Spritzen während ihrer Chemotherapie bekommen - und sich persönlich gegen die anderen Methoden entschieden. "Durch die Hormon-Spritzen quasi in die Wechseljahre versetzt zu werden, war schon nicht schön. Angst und Nervosität prägen das Leben mit Krebs schon ohne dieses Hormon-Chaos. Die anderen Methoden hätten noch mehr in meinen Körper eingegriffen und das wollte ich nicht", erinnert sich die Münchnerin. "Erkrankung und Therapie haben mich und meinen Körper schon so wahnsinnig belastet. Selbst heute spüre ich noch die Nachwirkungen: Ich ermüde schnell und das Kribbeln in meinen Fingern ist immer noch da. Ich denke, eine Chemotherapie lässt einen einfach schneller altern. Aber ich darf mich nicht beschweren: Ich lebe noch und habe sogar auf ganz natürlichem Weg ein Kind bekommen."

Schwangerschaft von Angst begleitet

Obwohl viele Daten heute belegen, dass eine Schwangerschaft Brustkrebs-Rückfälle nicht begünstigt und sich Catrin B. unbändig auf ihr Baby freute, war die Schwangerschaft noch mal ein schwerer Weg für sie: "Jede Schwangere spürt wohl, wie die Brust durch das Kind im Bauch arbeitet. Bei mir schmerzte das richtig und löste Angst aus, dass da wieder was ist. Zusätzlich belastete mich, dass eine ehemalige Mitpatientin, die zu einer Freundin geworden war, erneut erkrankte. Sie fing mit allem wieder von vorne an und ist trotzdem gestorben", erzählt Catrin B. traurig.

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Brust bleibt ein Fremdkörper

Obwohl sie den Tumor in ihrer Brust 2006 selbst entdeckte, tastet Catrin B. sich heute nicht mehr selber ab. "Ich kann da immer noch nicht hinfassen. Durch die OPs und Bestrahlungen ist so viel Narbengewebe in der Brust, das sich alles knotig anfühlt. Da kriege ich gleich Panik", gibt sie zu und nimmt deshalb alle drei Monate den Weg zu ihrer Frauenärztin auf sich. "Und natürlich mache ich jedes Jahr eine Mammographie - auch wenn die furchtbar viel Überwindung kostet und immer eine Zitterpartie für mich ist." Aufgrund dieses Verhältnisses zu ihrer Brust hat Catrin B. ihren Felix auch nicht gestillt: "Ich konnte mir nicht vorstellen, mit der bestrahlten Brust mein Kind zu füttern. Da ist auch schon so viel Chemie durch gegangen. Allein die Vorstellung, mich beim Stillen ständig mit der Brust beschäftigen zu müssen, war für mich ein Grauen."

Generell spricht aber auch nach Brustkrebs nichts dagegen, dass Frauen stillen: "Es kommt natürlich auf die Operationsmethode an", gibt Friese zu bedenken. "Wenn man um die Brustwarze rum operiert hat und eventuell auch Milchgänge wegnehmen musste, ist das natürlich problematisch. Aber wenn - wie bei Brustkrebs häufig gegeben - der Tumor im oberen oder unteren Quadranten saß und man deshalb nur ein Segment rausnehmen musste, spricht nichts dagegen, dass das Stillen auch nach einer Brustkrebs-OP klappt. Vielmehr verändert die Bestrahlung das Drüsengewebe. Da es fester wird, können sich Probleme ergeben - doch immerhin stillen 30 bis 40 Prozent der ehemaligen Patientinnen." Bei Frauen, die solch ein Schicksal nicht erleben mussten, stillen hingegen heute fast 90 Prozent.

Felix hat Catrin das Leben gerettet

Bis Felix auf die Welt kam, bestimmte ständige Angst Catrin Bs. Leben - jeden Tag dachte sie an den Krebs. "Felix gibt mir jetzt Kraft und lenkt mich ab. Insofern hat er mir irgendwo das Leben gerettet. Ich lebe nun viel bewusster, ernähre mich extrem gesund und treibe viel Sport - denn meine Erkrankung habe ich auch als Warnschuss verstanden", sagt Catrin B. "Jetzt wertschätze ich jeden Tag und das Leben an sich - mich kann nicht mehr viel stressen. Auch aus Liebe zu Felix schaue ich jetzt nur noch nach vorne!" Catrin B. und ihre Familie sehen der Zukunft positiv entgegen. Im vergangenen Jahr haben sie sich den Traum von einem eigenen Haus erfüllt.

Weitere Infos: Die Internetseite www.fertiprotekt.de bietet ausführliche Informationen zum Fruchtbarkeitsschutz für Frauen und Männer, die sich einer Chemo- oder Strahlentherapie unterziehen müssen.

Das Netzwerk Fertiprotekt wurde 2006 gegründet. Hier arbeiten universitäre Zentren, Kliniken und Praxen zusammen. Das Netzwerk ist inzwischen auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgeweitet und umfasst über 50 Einrichtungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Fertiprotekt arbeitet nicht profitorientiert.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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