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Corona-Durchseuchung: Was bedeutet das genau – und ist die Zeit jetzt reif?


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Omikron-Welle
Für wen eine Corona-Durchseuchung besonders riskant wäre


18.01.2022Lesedauer: 3 Min.
Angespannte Corona-Lage: Eine Durchseuchung könnte aus der Pandemie führen – mit großen Risiken.Vergrößern des Bildes
Angespannte Corona-Lage: Eine Durchseuchung könnte aus der Pandemie führen – mit großen Risiken. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

Die Omikron-Variante ist hochansteckend, der Krankheitsverlauf scheint aber milder zu sein. Können wir dem Virus also zeitnah freien Lauf lassen? Was Experten von der Durchseuchungsoption halten.

Jeder zweite Europäer könnte sich bis März mit Omikron infizieren. Davor warnte kürzlich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter Berufung auf eine aktuelle Hochrechnung. Die Variante stelle eine Flutwelle dar, die von West nach Ost über die europäische Region hinwegfege, sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge. Dabei erwarten die Experten, dass sich auch viele Geimpfte und Geboosterte zumeist asymptomatisch infizieren.

Wenn sich jetzt also immer mehr Menschen mit Corona anstecken, können wir nicht einfach darauf hoffen, dass irgendwann jeder die Infektion hatte und die Bevölkerung dadurch immun ist? Maßnahmen fallen lassen und beobachten, was passiert?

Experten diskutieren eine solche unkontrollierte "Durchseuchung" schon länger. Im Zusammenhang mit Omikron rückt das Thema nun erneut in den Fokus. Wir klären, was genau mit der Durchseuchungsstrategie gemeint ist und welche Risiken sie birgt.

Omikron laufen lassen, um die Pandemie zu beenden?

"Eine unkontrollierte Durchseuchung bedeutet, dass sich große Teile der Bevölkerung in sehr kurzer Zeit anstecken werden", erklärt der Epidemiologe Prof. Markus Scholz von der Universität Leipzig im Gespräch mit t-online. Das Ziel dabei: mit massenweise Infektionen eine Grundimmunisierung der Bevölkerung – auch Herdenimmunität genannt – herbeiführen. Diese könnte dann das Ende der Pandemie einläuten.

Was ist eine Herdenimmunität?
Als Herdenimmunität beschreiben Epidemiologen einen Zustand, in dem ein indirekter Schutz vor einer ansteckenden Krankheit entsteht, weil ein ausreichend hoher Teil der Bevölkerung immun ist. Das geschieht sowohl durch Impfung als auch durch Infektion. So wird verhindert, dass sich der Erreger weiter ausbreiten kann.

Doch diese Strategie sei hinsichtlich mehrerer Punkte kritisch, so Scholz. Er ist der Meinung, dass wir die Omikron-Ausbreitung nicht einfach laufen lassen können. Auch wenn Omikron wahrscheinlich nicht so schwer verläuft wie die Delta-Variante, die Studienlage, wie viel weniger gefährlich Omikron tatsächlich gegenüber Delta ist, sei noch immer uneinheitlich.

Bei einer Durchseuchung der Bevölkerung könnten die vielen Corona-Fälle zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen, die wiederum die gesamte medizinische Versorgung verschlechtern würde. Zudem bedeuteten hohe Infektionszahlen auch viele personelle Ausfälle in den kritischen Infrastrukturen.

Für wen eine Durchseuchung besonders riskant wäre

Hinzu kommt: Mit einer Corona-Durchseuchung läuft man auch Gefahr, bestimmte Personen einer Infektion auszusetzen, die für diese gefährlich werden könnte. In Deutschland haben laut Robert Koch-Institut (RKI) rund 27 Prozent der Gesamtbevölkerung noch keine Impfung gegen Covid-19 erhalten (Stand 18. Januar 2022). Viele dieser Menschen wären bei einer Durchseuchung, wenn also dem Virus freie Bahn gelassen würde, einem hohen Risiko ausgesetzt.

Auch Kinder und Jugendliche, die bisher noch keinen Impftermin bekommen konnten oder für die noch gar kein Covid-Vakzin zugelassen ist, wären gefährdet. Bei den Jüngeren verlaufen Covid-19-Erkrankungen zwar meist ohne schwere Symptome. Experten warnen jedoch, dass über die Langzeitfolgen noch wenig bekannt ist.

Nicht zuletzt ginge dieses Konzept auch auf Kosten von einigen Geimpften. Denn auch wer gegen das Virus immunisiert wurde, kann – wenn auch selten – schwerer an Corona erkranken.

Und wenn die Risikogruppen abgeschirmt werden?

Die Möglichkeit, dass bei einer Durchseuchungsstrategie die Risikogruppen besonders geschützt werden könnten, während weniger gefährdete Teile der Bevölkerung wieder dem normalen Leben nachgehen können, gilt unter Experten als nicht umsetzbar. Deutschland hat zudem noch immer viele Ungeimpfte über 60 Jahren, die doppelt gefährdet wären. Die Älteren der Bevölkerung zu isolieren, könne nicht das Ziel sein.

Außerdem gibt es noch weitere Risikogruppen, die nicht einfach abgeschirmt werden können – darunter Menschen mit Vorerkrankungen, Übergewicht oder auch Schwangere.

Knackpunkt Long Covid

Experten weisen auch auf das Long-Covid-Syndrom hin. Infiziert sich ein Großteil der Bevölkerung mit Corona, gibt es viele, die bleibende Schäden davontragen. Studien zufolge leiden etwa 40 Prozent der Corona-Erkrankten an Spätfolgen – unabhängig von der Schwere der Krankheit und häufig auch nach mildem Verlauf. Erste Untersuchungen legen nahe, dass Geimpfte vor Langzeitfolgen besser geschützt sind.

Von Long Covid sprechen Mediziner, wenn noch lange nach einer Infektion mit dem Coronavirus teils erhebliche Beschwerden bei den Patienten zu beobachten sind. Die Symptome sind vielfältig: Erschöpfung und geringe Belastbarkeit ("Fatigue-Syndrom"), Muskelschmerzen, Atemnot, Depressionen, Angstzustände, Gedächtnisstörungen und auch Seh- und Höreinschränkungen zählen dazu.

Noch ist aber zu wenig über das Krankheitsbild Long Covid und dessen Behandlungsmöglichkeiten bekannt. Treten die Fälle aber nach Masseninfektionen vermehrt auf, würde das auch eine dauerhafte weitere Bürde für das Gesundheitssystem bedeuten. Epidemiologe Scholz sieht aktuell nur einen Ausweg: die Durchseuchung durch Omikron verlangsamen und die Impflücke schließen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Robert Koch-Institut (RKI)
  • Nachrichtenagentur dpa
  • DW: "COVID-'Durchseuchung': Warum wir uns nicht zurücklehnen können", 6. Januar 2022
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