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Corona: Wie lange schützen Chinas Totimpfstoffe noch?


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Weltweit am häufigsten verabreicht
Chinas Totimpfstoffe werden zum Problem

  • Melanie Rannow
Von Melanie Rannow und Heike Aßmann

Aktualisiert am 03.11.2021Lesedauer: 5 Min.
Corona-Impfung: Die chinesischen Vakzine könnten vom Retter zum Problemfall werden.Vergrößern des Bildes
Corona-Impfung: Die chinesischen Vakzine könnten vom Retter zum Problemfall werden. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)
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Mehr als sieben Milliarden Corona-Impfdosen wurden weltweit verabreicht. Der Großteil davon entfällt auf zwei chinesische Impfstoffe. Sie konnten viele Leben retten – doch werden jetzt zum Problem.

Fast die Hälfte aller weltweit verabreichten Impfstoffdosen gegen Covid-19 entfällt mittlerweile auf zwei chinesische Vakzine. Das geht aus einem im Oktober veröffentlichten Artikel im englischsprachigen Fachblatt "Nature" hervor.

Demnach ist Coronavac, hergestellt von der in Peking ansässigen Firma Sinovac, der weltweit am weitesten verbreitete Covid-19-Impfstoff. Dahinter liegt das mRNA-Präparat von Biontech/Pfizer. Und gleich danach folgt der zweite chinesische Impfstoff Sinopharm, der vom gleichnamigen Unternehmen ebenfalls in Peking entwickelt wird. Beide Impfstoffe basieren auf inaktivierten Viren – sie werden deshalb auch Totimpfstoffe genannt.

Chinas Impfstoffe weltweit verbreitet

Mehr als zwei Milliarden Dosen der beiden Vakzine wurden allein in China verabreicht. Fast eine Milliarde Dosen gingen in 110 andere Länder auf der ganzen Welt. Vor allem viele ärmere Länder in Asien und Latein- und Südamerika profitierten von den zum Teil von China gespendeten Impfdosen.

Schnell wurde aber auch Kritik laut, die Volksrepublik wolle damit ihr Image verbessern und verfolge nur eine Strategie. Hinzu kamen Zweifel an der Wirksamkeit der Impfstoffe von Sinovac und Sinopharm.

Chinesischen Vakzine im Vergleich weniger wirksam

Studiendaten deuteten darauf hin, dass Coronavac zu 51 Prozent und Sinopharm zu 79 Prozent symptomatische Covid-Erkrankungen verhinderten. Diese Ergebnisse waren vergleichbar mit der Wirksamkeit von 63 Prozent, die für den Vektorimpfstoff von Astrazeneca zum Zeitpunkt der WHO-Zulassung angegeben wurde.

Die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna wiesen mit einer 90-prozentigen Wirksamkeit einen deutlich höheren Schutz vor Covid-19 auf. Dennoch erlangten auch die chinesischen Impfstoffe eine Notfallzulassung der WHO.

Nimmt bei Milliarden Menschen nun die Immunität ab?

Experten weltweit stellten den Schutz der Vakzine immer wieder öffentlich in Frage. Und selbst aus China mehrten sich im Frühjahr 2021 kritische Stimmen. So war es der Leiter des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention, Gao Fu, der davon sprach, dass die chinesischen Impfstoffe "keine sehr hohe Schutzrate" hätten. Später ruderte er zurück.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse bekräftigen diese Zweifel. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass die Immunität nach zwei Dosen von einem der beiden Impfstoffe rapide abnimmt und der Schutz für ältere Menschen begrenzt ist.

Und tatsächlich zeigen sich erste Korrelationen: Zu Beginn des Jahres 2021 gab es in mehreren Ländern, die vorrangig die chinesischen Impfstoffe nutzten, einen erneuten Anstieg der Corona-Fallzahlen – beispielsweise auf den Seychellen und in Indonesien.

Dem Bericht im Fachblatt "Nature" zufolge stellten manche Experten daraufhin sogar infrage, ob Chinas Impfstoffe überhaupt noch verwendet werden sollten, wenn es doch andere Möglichkeiten gibt.

mRNA- und Vektorimpfstoffe wirken gezielter als Totimpfstoffe

Viele von ihnen sehen den entscheidenden Punkt bei den unterschiedlichen Impfstoffarten und ihren Wirkweisen: Bei beiden chinesischen Präparaten handelt es sich um Impfstoffe, die auf inaktivierten Viren basieren – auch Totimpfstoffe genannt. Die im Impfstoff verwendeten abgetöteten SARS-CoV-2-Viren lösen jedoch eine Immunreaktion gegen viele virale Proteine aus.

Im Gegensatz dazu zielen mRNA- und Vektorimpfstoffe aber auf genau das Spike-Protein des Coronavirus ab, mit dem dieses in menschliche Zellen eindringt. "Bei inaktivierten Impfstoffen wählt man das Ziel nicht konkret aus, sondern man gibt einfach all diese verschiedenen Antigene hinein", erklärt dazu Jorge Kalil, Arzt und Immunologe an der Medizinischen Fakultät der Universität von São Paulo (Brasilien) in "Nature".

Es ist also davon auszugehen, dass der Schutz vor Covid-19 durch die Totimpfstoffe generell schwächer ausfällt. Bestätigen konnten Studien aus Thailand und Brasilien auch, dass Chinas inaktivierte Impfstoffe im Vergleich zu Impfstoffen, die mit anderen Technologien hergestellt werden, geringere Mengen an virusblockierenden Antikörpern erzeugen. Diese gelten als Indikator für den Schutz, den eine Impfung bietet. Außerdem würden die Antikörper bei Coronavac und Sinopharm mit der Zeit schnell abnehmen, hieß es in den Studien.

Weniger Antikörper gleich weniger Schutz?

Allerdings bedeutet das Nachlassen der Antikörper nicht immer automatisch ein Nachlassen des Immunschutzes, wird Ben Cowling, Epidemiologe an der Universität Hongkong, in "Nature" zitiert. Er sagt, dass Impfstoffe komplexe Immunreaktionen auslösen, einschließlich B-Zellen und T-Zellen, die möglicherweise langlebiger sind als neutralisierende Antikörper.

Eine noch nicht von Fachkreisen begutachtete Studie aus Hongkong hat demnach gezeigt, dass Coronavac einen Monat nach der zweiten Impfung zwar eine deutlich geringere Antikörperreaktion auslöst als der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer, dass aber die T-Zell-Reaktion vergleichbar war.

Auch bei anderen Corona-Impfstoffen wie eben von Biontech/Pfizer, Moderna oder Astrazeneca ist ein ähnlicher Trend zu beobachten. Mit der Zeit nehmen die Antikörper und der Schutz vor Corona-Infektionen ab. Allerdings bleibt der Schutz vor schweren Erkrankungen und Tod stabiler.

Da die chinesischen Impfstoffe jedoch von einer niedrigeren Basis an neutralisierenden Antikörpern ausgehen, könnte der Schutz, den sie bieten, schneller abnehmen als bei Impfstoffen mit einem größeren Wirksamkeitsvorsprung, so die Forscher aus Hongkong.

Zudem habe die weniger starke Immunreaktion auf Totimpfstoffe auch Auswirkungen auf den Schutz bei älteren Menschen. Denn das Immunsystem werde mit zunehmendem Alter schwächer und auch insgesamt seien die inaktivierten Impfstoffe bei Älteren weniger wirksam.

Auffrischungs- statt Erstimpfungen?

Wie also reagieren die betroffenen Länder auf diese Erkenntnis der schwindenden Immunität? Aus China hört man dazu wenig. Es kursieren zwar Berichte, dass dort über Booster-Impfungen mit Biontech/Pfizer nachgedacht werde. Doch genaue Informationen gibt es bislang nicht.

Der Hersteller Sinovac selbst empfiehlt natürlich eine Auffrischimpfung mit seinem Präparat. Studien zufolge wären solche Booster-Impfungen definitiv sinnvoll. Die dritte Impfung könne die Antikörperzahl erheblich steigern, heißt es.

Anfang Oktober 2021 hat die Strategische Beratende Expertengruppe für Impfungen (SAGE) der Weltgesundheitsorganisation WHO daher empfohlen, dass Menschen, die älter als 60 Jahre alt sind, eine dritte Dosis desselben oder eines anderen Impfstoffs erhalten sollten, um ausreichend geschützt zu sein.

"Die Empfehlung ist sinnvoll und notwendig", sagt Manoel Barral-Netto, Immunologe an der Oswaldo Cruz Foundation in Salvador (Brasilien) in "Nature". Eine Reihe von Ländern bietet bereits allen Erwachsenen eine dritte Dosis an. Doch das wird gerade in ärmeren Ländern, wo der Impfstoff ohnehin schon knapp ist, zum Problem. Dort muss nun abgewogen werden zwischen einer dritten Impfung für bereits Geimpfte oder einer Erstimpfung bei bisher Ungeimpften.

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Vertrauen in Chinas Impfstoffe stark gesunken

Einige Länder setzen zunächst auf die Auffrischungsimpfungen – jedoch mit einem anderen Mittel. In Indonesien etwa sind die Corona-Fallzahlen stark angestiegen. Das Vertrauen in Coronavac und Sinopharm hingegen ist stark gesunken. Die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die einem hohen Corona-Risiko ausgesetzt sind, werden deshalb erneut geimpft und zwar mit dem mRNA-Impfstoff von Moderna.

Auch Brasilien muss die Impfkampagne anpassen und erklärte, man werde den Kauf von Coronavac einstellen und nun auf den sogenannten "Mix-and-Match"-Ansatz – also Mischimpfungen mit Biontech oder Moderna – setzen. Forscher halten dies für sinnvoll, auch wenn aktuell nicht klar sei, wie lange der Schutz von solchen Mischimpfungen anhält und wie sich diese Antikörperspiegel auf den tatsächlichen Schutz vor Covid-19 in den betroffenen Regionen auswirken.

Immunologe Barral-Netto fasst in "Nature" klar zusammen: "Es war besser, Coronavac zu erhalten als gar nichts, aber jetzt, da es auch andere Impfstoffe in Brasilien gibt, ist es wahrscheinlich nicht sehr klug, die Menschen weiterhin mit diesem Impfstoff zu impfen."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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