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Krank nach der Corona-Impfung: Wer vom Post-Vac-Syndrom besonders betroffen ist


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Krank nach der Impfung
Die vergessenen Corona-Opfer


Aktualisiert am 13.10.2022Lesedauer: 10 Min.
Mit einem Instagram-Post machte Felicia Binger im September 2021 ihre Beschwerden nach der Impfung publik.Vergrößern des Bildes
Mit einem Instagram-Post machte Felicia Binger im September 2021 ihre Beschwerden nach der Impfung publik. (Quelle: Instagramprofil von Felicia Binger)
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Weil Schäden nach einer Impfung selten sind, werden die Betroffenen oft nicht ernst genommen. Was ihr Leid vergrößert. Eine Gruppe scheint besonders gefährdet.

Wenn Stephanie Köhlke über das vergangene Jahr erzählt, fallen Begriffe wie aus einem medizinischen Lexikon: Myalgische Enzephalomyelitis, Small-Fiber-Neuropathie oder Lambert-Eaton-Syndrom. Dabei ist die 39-Jährige keine Ärztin, sondern Verkäuferin in einer niedersächsischen Kleinstadt. Mit solchen Krankheiten hat die zweifache Mutter sich zudem nie intensiver beschäftigt. Warum auch? Abgesehen von einem Schuppenflechtenrheuma (das sie bereits seit mehr als 15 Jahren begleitet) hatte Köhlke bislang eine robuste Gesundheit. Auch zu Impfungen hatte sie stets ein entspanntes Verhältnis: Als Kind wurde sie gegen alles Mögliche geimpft, Probleme hatte es dabei nie gegeben.

Das änderte sich im Mai 2021. Weil Köhlke bei ihrer Arbeit auf einem Wochenmarkt viel Kontakt zu anderen Menschen hat und eines ihrer Kinder chronisch krank ist, ließ sie sich mit Biontech impfen. Im Gegensatz zu ihren Kollegen und Kolleginnen litt sie eine Woche unter Impfreaktionen: Fieber, Kopfschmerzen, Erschöpfung. Danach schien alles zunächst wieder gut zu sein.

Doch nach der zweiten Impfung sechs Wochen später kamen schnell zu den bereits bekannten Impfreaktionen neue Symptome hinzu: eine Brustentzündung, bei der sich ein gutartiger Tumor bildete, qualvolle Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Erschöpfungszustände. "Ich bin nach der Arbeit aufs Sofa gefallen und nicht mehr hochgekommen", erinnert sich Köhlke.

Nach der Booster-Impfung im Dezember haute es Köhlke dann völlig um. Sie schaffte es morgens nicht mehr aufzustehen. "Dann ging die Odyssee los", sagt Köhlke. Mit Verdacht auf Bandscheibenvorfall landete sie zunächst beim Orthopäden, später wurde sie in einem Klinikum durchgecheckt, erhielt eine Cortison-Therapie. Das Kribbeln und die Taubheitsgefühle blieben. Inzwischen konnte sich Köhlke nur noch mit Rollator bewegen. "Doch es hieß stets: Wir finden nichts", erzählt sie. Am Ende habe man ihr gesagt: "Hören Sie auf zu simulieren, lassen Sie mal Ihre Psyche überprüfen." Noch heute ringt sie um Fassung, wenn sie davon erzählt.

Dabei leidet Stephanie Köhlke vermutlich unter dem sogenannten Post-Vac-Syndrom (aus dem englischen Begriff für Impfung = vaccination), also starken Nebenwirkungen, ausgelöst durch die Impfung. Solche Impfschäden sind selten. Laut jüngsten Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das zum Bundesgesundheitsministerium gehört, wurden vom 30. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2022 323.684 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen insgesamt nach einer Impfung gegen Covid-19 registriert. Was schwerwiegende Nebenwirkungen wie Herzmuskelentzündungen, Lungenembolien, Hörstürze, Gesichtslähmungen oder Krampfanfälle betrifft, so kommen auf 1.000 Impfungen laut PEI lediglich 0,3 Meldungen. Verglichen mit den Fällen von schweren Erkrankungen nach einer Corona-Infektion ist das eine kleine Zahl. Aber wenn über 63,5 Millionen Menschen gegen Covid-19 geimpft sind, dann heißt das, dass es eine fünfstellige Zahl von Betroffenen gibt.

Sie werden als "Schwurbler" abgetan

Was das Leben für die Betroffenen zusätzlich zu ihrem Leiden besonders schwer macht: Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Sie werden als "Schwurbler" abgetan, obwohl die meisten von ihnen nie zum Lager der Impfskeptiker gehört haben. Viele haben aufgrund von Vorerkrankungen die Impfung vielmehr herbeigesehnt. Hinzu kommt: Die Versorgung von solchen Fällen ist schlecht, das Phänomen kaum erforscht, das Angebot an professioneller Unterstützung noch sehr gering.

Hilfe fand Verkäuferin Köhlke erst bei Julien Dufayet. Dem Bremer Internisten fielen bereits relativ früh bei Patienten nach der Impfung Reaktionen auf, die über die üblichen Nebenwirkungen hinausgingen. "Wenn ich versuchte, dies im Kollegenkreis zu diskutieren, wurde ich belächelt", sagt er. Im März richtete er eine Sprechstunde für Post-Covid-Fälle ein, in die auch immer mehr Geimpfte mit Post-Vac-Symptomen kamen – ohne dass er dafür Werbung gemacht hätte.

"Der zeitliche Verlauf ist in der Regel klar", sagt Dufayet. Trotzdem würden Beschwerden von anderen Ärzten oft als "psychosomatisch" eingestuft: "Diese Leute werden abgetan, bekommen nicht die Diagnostik." Dabei funktioniere bei vielen Patienten der Körper nur noch "rudimentär", weil das Immunsystem völlig aus dem Gleichgewicht sei oder zum Beispiel auch das autonome Nervensystem mit einer Art dauerhafter Paralyse reagiere. Er behandelt seine Patienten mit einer Mischung aus Schulmedizin und Naturheilkunde.

Grundsätzlich hält Dufayet Impfungen für sinnvoll. Aber es müsse über einen längeren Zeitraum mehr Informationen geben, insbesondere weil wieder mit dem gleichen Wirkprinzip des Impfstoffs gearbeitet wird, was das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen könnte, sagt er. Und er vermisst ein größeres Bewusstsein für mögliche Nebenwirkungen in der Ärzteschaft.

Auch im Sekretariat von Bernhard Schieffer steht seit Monaten das Telefon nicht mehr still. Er ist Direktor der Kardiologie am Universitätsklinikum Marburg. Weil es dort eine Post-Covid-Sprechstunde gibt, bemerkte Schieffer schon im vergangenen Jahr die ähnliche Symptomatik bei Patienten, die nach einer Impfung über massive Beschwerden berichteten: Herzmuskelentzündung, Fatigue, Allergien, Konzentrationsstörungen, Muskelzuckungen. Im Januar richtete Schieffer gemeinsam mit Kollegen aus anderen Fachrichtungen deshalb eine weitere Sprechstunde ein, für Post-Vac-Fälle. Es ist eine von zwei offiziellen Anlaufstellen in ganz Deutschland.

Zehn bis zwölf Betroffene sieht Schieffer täglich, neben seiner eigentlichen Arbeit als Kardiologe. Trotzdem stehen derzeit noch mehr als 5.800 Menschen auf der Warteliste. Wer bei Schieffer landet, hat wie Stephanie Köhlke in der Regel schon eine monatelange Odyssee hinter sich. War bei Ärzten, die bei Ultraschall, Herzuntersuchung oder Test der Lungenfunktion nichts Ungewöhnliches fanden.

"Wenn Sie nicht wissen, wo Sie hinschauen müssen, finden Sie nichts", sagt Schieffer, ein kräftiger, großer Mann, als er in seinem Büro im Klinikum zum Gespräch empfängt. Dann zeigt er auf seinem Computer Grafiken, die illustrieren, wohin er schaut. Zum Beispiel auf die Prozesse im Gefäßsystem des Herzens und des Gehirns. Anders als bei einem normalen Impfverlauf, bei dem der Körper seine Immunität stärkt und danach regeneriert, stecken die Post-Vac-Patienten in einer Entzündungsschleife fest. Trotzdem bekommen sie immer wieder zu hören, dass sie sich die Symptome nur einbilden.

"Das ist eine grundsätzliche Fehleinschätzung, diese Menschen sind ernsthaft krank", sagt Schieffer. Wenn er dies seinen Patienten und Patientinnen bei ihrem ersten Besuch sagt, brechen viele in Tränen aus. Es ist für die meisten das erste Mal, dass sie von einem Arzt ernst genommen werden.

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So ging es auch Felicia Binger, einer Patientin von Schieffer. Bei der 28-jährigen Frankfurterin, die ihre Impfung wegen einer Asthmaerkrankung herbeigesehnt hatte, setzten die ersten Beschwerden nur Tage nach der ersten Spritze im Mai 2021 ein, zunächst in Form von roten Quaddeln am ganzen Körper. "Nesselsucht" diagnostizierte die Hautärztin und fragte Binger, ob es irgendwelche Veränderungen in ihrem Leben gegeben habe. Als dieser nach langem Überlegen die Impfung einfiel, habe die Ärztin aber abgeblockt, erzählt sie. Mit den Worten: "Daran kann es nicht liegen." Dabei hatte das Paul-Ehrlich-Institut schon in einem "Sicherheitsbericht" vom 28. Januar 2021 die Urtikaria, wie Nesselsucht im Fachjargon heißt, als mögliche Impfnebenwirkung aufgelistet.

Inzwischen sind zahlreiche weitere Beschwerden bei Binger hinzugekommen. Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen, extreme Erschöpfung, Tinnitus, ein gestörter Menstruationszyklus, Nervenschmerzen und Seh- und Gleichgewichtsstörungen.

Neben der Belastung für Körper und Psyche bedeutet das für Binger auch beruflich massive Einschränkungen. Vor der Impfung hatte ihre Karriere als junge Schauspielerin gerade Fahrt aufgenommen. Jetzt braucht sie deutlich länger, um die Texte für ihre Rollen zu lernen. Für viele Drehs wird zudem der Nachweis einer vollständigen Impfung verlangt, Binger hat aber aufgrund der Symptome nur eine einzige. Auch die Bestätigung für Produktionen, dass sie gesund ist, kann sie nicht mehr vorlegen, mehrere Drehtage am Stück überfordern sie physisch. Mit etwas Zeit und den richtigen Medikamenten könnte sie zwar auch an einzelnen Tagen arbeiten. Aber so funktioniert die Branche nicht. Wer nicht berühmt ist, auf den wird keine Rücksicht genommen: Entweder man schafft einen Zwölf-Stunden-Tag oder man ist raus.

Momentan lebt Binger deshalb von Erspartem. Sie hat sich einen Anwalt genommen, der eine Klage gegen Biontech vorbereitet.

Im September 2021 verfasste Binger einen Post auf Instagram, in dem sie über ihre Situation berichtete. Dieser ging viral. Seither hat sie Tausende von Nachrichten von Menschen bekommen, die ähnliche Geschichten erlebt haben. Aber auch Hassbotschaften. "Impfgegner verhöhnen mich, weil ich mich impfen ließ; Impfbefürworter unterstellen mir, ich würde alles inszenieren", sagt Binger. "Ich weiß nicht, wer schlimmer ist." Bis heute erreichen sie täglich verzweifelte Berichte. Manchmal hat die junge Frau nicht die Kraft zu antworten.

In ihrer Verzweiflung hat sie kürzlich sogar eine neue experimentelle Methode ausprobiert, die auch bei Long-Covid-Patienten eingesetzt wird: die sogenannte Immunadsorption – eine Blutwäschebehandlung unter anderem für Menschen mit schweren Störungen im Fettstoffwechsel. Die Kosten dafür in Höhe von über 15.000 Euro musste sie selbst finanzieren, aus einem kleinen Erbe von ihrem Großvater und einer Spendenaktion in den sozialen Netzwerken. Ob es etwas bringt, weiß sie noch nicht. Die Behandlung läuft noch.

Beim Post-Vac-Syndrom ist die Forschung noch ganz am Anfang. Denn noch ist es extrem schwierig, nicht nur einen zeitlichen, sondern auch einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Covid-Impfung und den Symptomen herzustellen. Dafür hätten die Betroffenen bereits vor der Impfung intensiv untersucht werden müssen. Weil Nebenwirkungen der Impfung im Vergleich zu Nebenwirkungen einer Corona-Erkrankung viel geringer sind, wurden diese erst auffällig, als schon eine sehr große Zahl an Menschen geimpft war.

Eine Gruppe hält der Experte für besonders gefährdet

Was für Professor Schieffer aus Marburg schon jetzt feststeht: Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Rheuma oder Diabetes können die Impfreaktion verschlimmern. Auch vorhandene immunologische Defizite – bekannt oder noch unerkannt – können bei Impfnebenwirkungen eine große Rolle spielen. Darauf weist auch eine neue Studie eines Forscherteams aus Israel und Deutschland hin, welche gerade im "New England Journal of Medicine" publiziert wurde. Sie fanden heraus, was die Ursache für Herzmuskelentzündungen nach Corona-Impfungen sein könnte, die statistisch gehäuft bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern nach Immunisierungen mit mRNA-Impfstoffen auftrat. Bei ihnen wurden sogenannte Autoantikörper gegen einen zentralen körpereigenen Entzündungshemmer nachgewiesen, die entzündungsfördernde Botenstoffe verstärken könnten.

Professor Bernhard Schieffer hat allerdings deutlich häufiger junge Frauen mit Post-Vac-Syndrom in seiner Sprechstunde sitzen als Männer. "Vielleicht müssen wir sie mit Blick auf künftige Corona-Impfungen als neue Risikogruppe definieren", sagt er vorsichtig: "Auf alle Fälle muss man sich bei ihnen mögliche Vorerkrankungen und Veranlagungen wie Allergien und Asthma genau anschauen."

Eine mutmachende Botschaft für Betroffene

Manchmal kommt sich Schieffer wie ein Detektiv vor: "Wir fischen im Dunkeln. Wir sind in einer Phase, in der wir nichts ausschließen, und drehen jeden Stein zweimal um." Bis Jahresende soll eine Studie aus seinem Team erscheinen, die einen Lichtschimmer in das wissenschaftliche Dunkel von Post-Vac bringen könnte.

Für Erkrankte hat Schieffer dennoch eine mutmachende Nachricht: "Post-Vac scheint grundsätzlich beherrschbar zu sein, sodass viele Betroffenen wieder zu einem normalen Leben zurückfinden." Er hat mit einer Kombination aus Medikamenten und Ernährungsumstellung bei seinen Patienten erste Erfolge festgestellt.

Solche Sätze sind für Louise Ackermann, die eigentlich anders heißt, wie ein Rettungsring in einem Meer der Verzweiflung, das sie seit über einem Jahr umgibt. Im früheren Leben war sie eine Erzieherin in Ausbildung, sportlich, Mutter von drei jugendlichen Kindern. Früher joggte sie mehrmals die Woche und fuhr mit dem Rad zur Arbeit: "Heute bin ich froh, wenn ich aus dem 3. Stock nach unten komme." Rauf geht es nur Absatz für Absatz, mit langen Pausen.

Seit ihrer Impfung im April 2021 erlebt sie ihren Körper als Endgegner, der sich immer wieder neue Varianten einfallen lässt, um ihr ein normales Leben unmöglich zu machen. In einem Corona-Tagebuch hat sie die Symptome notiert: Ohnmachtsanfälle, Atemnot, Herzrasen, ständig neue Allergien, Gesichtslähmung, Lichtempfindlichkeit, Krampfanfälle. Es gibt nur wenige Tage ohne Eintrag.

Hilfe für Post-Vac-Betroffene

Wer nach einer Impfung über einen längeren Zeitraum (3-6 Monate) massive Beschwerden hat, kann sich per E-Mail bei der "Spezialsprechstunde Post-Vax" des Universitätsklinikums Marburg anmelden (weitere Informationen über die erforderlichen Unterlagen finden Sie hier). Allerdings beträgt die Wartezeit derzeit mehrere Monate. Informationen über das Post-Covid-Netzwerk der Berliner Charité, in dem auch Post-Vac-Patienten betreut werden, gibt es hier. Vereinzelt bieten auch Hausärzte inzwischen Sprechstunden für Patienten mit Beschwerden nach einer Impfung an.

Seither hofft und kämpft Louise Ackermann um ihre Gesundheit. Für Betroffene wie sie gibt es inzwischen auch die Möglichkeit, eine Rehakur zu machen. Vier Wochen hat sie im August in der "Klinik Sonnenblick" in Marburg verbracht. Von morgens kurz vor 9 bis 18 Uhr trainierte sie auf dem Ergometer, machte Krankengymnastik und Übungen für die Lunge sowie Gehtraining. Auch eine Gruppentherapie zur psychologischen Bewältigung von Krankheiten gehört zum Programm. Geholfen habe es nur minimal, erzählt die 42-Jährige nüchtern. Aber sie traf auf andere Patienten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Und sie hat gelernt, den Gedanken loszulassen, sie selbst könnte etwas falsch gemacht haben: "Sonst hätte ich schon eine Depression."

Laut Infektionsschutzgesetz hat jeder, der durch einen in Deutschland zugelassenen Impfstoff einen Schaden erleidet, Anspruch auf Entschädigung. Voraussetzung ist, dass der Schaden länger als sechs Monate andauert und dass er anerkannt wird. Das geschieht noch relativ selten. Einer bundesweiten Umfrage des MDR bei den zuständigen Versorgungsämtern zufolge wurden von 4.835 gestellten Anträgen auf Entschädigung bislang nur 134 anerkannt.

Louise Ackermann musste zweimal beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag stellen. Beim ersten Mal teilte ihr die Sachbearbeiterin auf Nachfrage mit, E-Mails, die in ihrer Urlaubszeit einträfen, würden grundsätzlich nicht bearbeitet. Ein endgültiger Bescheid steht noch aus. Auch daran, gegen Biontech direkt zu klagen, hat sie schon gedacht: "Aber momentan fehlt mir dafür die Kraft." In Deutschland sind inzwischen rund 20 Fälle von Klagen gegen Impfstoffhersteller auf Schadenersatz und Schmerzensgeld bekannt.

"Ich hätte gern eine Entschuldigung gehört"

Dass sie bei den Ärzten mit ihren Beschwerden lange Zeit abgetan wurde, war für sie eine der größten Belastungen: "Ich hatte zwischendurch Angst, dass ich in eine Psychiatrie eingewiesen werde." Auf die Politik ist sie wütend. "Ich hätte gern eine Entschuldigung gehört", sagt sie: "Wenn man dazu anhält, dass sich alle impfen lassen sollen, muss man auch den Mut haben, Fehler einzugestehen." Das Mindeste, was sie jetzt erwartet: Unterstützung für alle Betroffenen, um wieder gesund zu werden.

Die hält auch der Experte Schieffer vom Universitätsklinikum für dringend nötig: mehr Ambulanzen für Betroffene, mehr Gelder für die Grundlagenforschung und die klinische Versorgung. Seine Idee ist ein Long-Covid-Forschungszentrum, direkt angeschlossen an das Hochsicherheitslabor, in dem über Corona-Viren geforscht wird. In einer solchen Institution werden verschiedene Fachrichtungen vereint, um neueste Ergebnisse der Virologen direkt in eine breite Diagnostik für Patienten zu verwandeln, um das Virus mit all seinen Symptomen effektiv zeitnah bekämpfen zu können. Denn: "Auch wenn es keiner hören möchte, das Virus wird uns in unseren Alltag, unserem Leben noch sehr, sehr lange begleiten."

Ebenso klar ist für den Kardiologen aber auch: Impfungen gegen Covid-19 bleiben grundsätzlich sinnvoll. Das Risiko, ungeimpft schwer an Corona zu erkranken, ist ungleich größer als das, nach einer Impfung unter schweren Nebenwirkungen zu leiden.

Stephanie Köhlke, die Verkäuferin aus Niedersachsen, ist bis heute krankgeschrieben. "Ich versuche, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren", sagt sie: "Aber ich kann nicht heulend in der Ecke liegen, ich habe Verantwortung für meine Kinder." Ihr Partner und ihre Eltern helfen ihr, den Alltag bewältigt zu bekommen.

Wenn sie gewusst hätte, was die Impfung bei ihr alles auslösen kann, hätte sie vielleicht darauf verzichtet, sagt sie. Aber auch ihr ist die Feststellung wichtig: "Ich bin keine Impfgegnerin und keine Querdenkerin." Seit Kurzem hat sie einen Behindertenausweis von 60 Prozent, mit einem G für "Gehbehindert". Sie hätte gern darauf verzichtet. Aber wenigstens ist es eine Anerkennung, dass ihr Leiden echt ist.

"Ich will meinen Körper wieder zurück"

Vor ein paar Tagen hat die Schauspielerin Felicia Binger die Premiere eines Filmes in Hamburg besucht, den sie vor der Impfung noch gedreht hatte. Es war wie die Reise in ein anderes Leben. Sie war trotzdem dankbar, dass ihr Körper die Strapazen des Abends mitgemacht hat. Binger hat ein Ziel: "Ich möchte wieder gesund werden, damit ich das Thema hinter mir lassen und wieder arbeiten kann." In ihrem Traumberuf als Schauspielerin.

Die Erzieherin Louise Ackermann versucht, die Tage so zu nehmen, wie sie kommen. An den schlechten ruft sie sich ins Gedächtnis, wie viel Gutes dennoch in ihrem Leben ist – die Freunde, die Familie, die zu ihr halten, sie unterstützen. Der Hinweis, dass sie bis heute keine Impfgegnerin ist, ist ihr wichtig. Nur eine große Sehnsucht treibt sie um: "Ich will meinen Körper wieder zurück."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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