Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Erektile Dysfunktion Wenn bei Männern nichts mehr steht
Rund vier bis sechs Millionen Männer in Deutschland sind von Potenzproblemen betroffen. Sowohl psychische als auch physische Faktoren spielen dabei eine Rolle. Was helfen kann, weiß unsere Kolumnistin Dr. Yael Adler.
"Das ist doch jedem schon mal passiert." Dieser – von Frauen in tröstender Absicht gesprochene – Satz kann wissenschaftlich bekräftigt werden: Zwischen vier und sechs Millionen Männer in Deutschland sollen davon betroffen sein. Belastbar ist diese Zahl aber nicht: Weil Potenzprobleme nicht zu den Topthemen für die Plauderei im größeren Kreis zählen, wird eine ordentlich hohe Dunkelziffer vermutet.
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
So ab dem 35. Lebensjahr nimmt die Hormonproduktion beim Mann schleichend ab: In jedem Jahr verliert er etwa 1 bis 2 Prozent seines Testosterons. Auch Alkohol, Rauchen, Stress und Übergewicht tragen ihren Teil dazu bei. Im Alter wird das im Blut herumschwimmende Testosteron dann noch zusätzlich durch die Testosteronfänger-Eiweiße SHBG (Sexualhormonbindendes Hämoglobin) und Albumin gebunden. Durch diese Abfangjäger schwindet das Testosteron nun um weitere bis zu 3 Prozent.
Testosteron entsteht zu 95 Prozent im Hoden und zu 5 Prozent in den Nebennieren, übrigens aus dem Grundstoff Cholesterin. Ist der Testosteronspiegel im Blut messbar zu niedrig, kann die Gabe von Testosteron hilfreich sein. Ansonsten leidet der Fettstoffwechsel, die Muskelmasse geht zurück, der Betroffene entwickelt Symptome wie Müdigkeit und Antriebslosigkeit, ist nicht mehr so aufmerksam und schnarcht. Die Libido geht flöten, und die Knochen werden schwach. Testosteron stimuliert die Nervenbotenstoffe im Gehirn und unterstützt die Erregungsvorgänge direkt im Penis. Bei einem Mangel kann man sich die Folgen in diesen beiden Bereichen leicht ausmalen.
Hormone lassen nach
Dann verschreiben Urologen Testosteron, das als Gel auf der Haut aufgetragen oder in den Muskel gespritzt werden kann. Nicht erschrecken: Bei therapeutischen Testosterongaben verliert der Hoden seine beeindruckende Größe nicht unbedingt. Zwar ist die Testosteronbildung ab jetzt ja medikamentös ausgelagert, aber hier kommt es auf die gut justierte Dosis an. Falls doch, ist die Sache jedoch reversibel: Wird das Präparat abgesetzt, glänzen die Hoden bald wieder im früheren Format.
Eine Hormongabe bei Männern mit nachlassendem Testosteronspiegel sollte mit dem Facharzt abgesprochen werden. Hier stehen eine genaue Messung der Blutwerte und eine Risiko-Nutzen-Prüfung am Anfang.
Für den jugendlich-fitten Liebhaber sind neben Testosteron noch andere Faktoren relevant: Auch das Steroidhormon DHEA sinkt mit den Jahren ab; 60-Jährige haben meist nur noch ein Fünftel der Ausgangsmenge. DHEA kann dem alternden Mann deshalb ärztlich verabreicht werden. Und auch die Menge des Wachstumshormons nimmt im Alter langsam ab. Dagegen helfen Sport, abends nur leicht zu essen oder mal Dinnercancelling und eiweißreiche Kost (auch durchaus pflanzlich!) sowie ein erholsamer Schlaf mit Start deutlich vor Mitternacht.
Wünschelrute des Herzens
Eine beeindruckende Erektion ist jedoch nur bis zu einem gewissen Grad hormonabhängig. Bis 40 spielen bei Erektionsstörungen häufig psychische Faktoren eine Rolle: Stress, Leistungsdruck, seelische Belastungen, Depressionen ; bei Ü40-Jährigen kommen dann häufiger organische Faktoren dazu. Bei einer länger als ein halbes Jahr anhaltenden Erektionsstörung ist es sinnvoll, einen Urologen und vielleicht auch einen Kardiologen oder Neurologen aufzusuchen.
Die Erektion ist nun mal die Wünschelrute des Herzens: Damit sie sich entfalten kann, muss das Entspannungsnervengeflecht Parasympathikus aktiv sein. Bei Stress kann man es also eigentlich gleich bleiben lassen, denn dann hemmt das Stressnervensystem die Erektion durch die Freisetzung der Potenzkiller Noradrenalin und Adrenalin.
In Ruhe jedoch wird vermehrt Stickstoffmonoxid freigesetzt, die Blutgefäße erweitern sich, der Schwellkörper füllt sich. Damit alles klappt, sind zusätzlich auch das Gehirn und das Nervensystem gefragt, es braucht ja sexuelle Erregung, anregende Bilder, Gedanken, Fantasien, Düfte, Berührungen …
Viele Faktoren haben Einfluss
Funktioniert die Erektion, steigt der Innendruck in den Schwellkörpern wie in einem aufgepumpten Reifen: Das Blut fließt nur noch langsam ab, weil die Rückflussvenen durch die prallen Schwellkörper abgedrückt werden. Genug Zeit also auch für Stellungswechsel und längere Liebesspiele. Faktoren, die die Blutgefäße im Körper insgesamt beeinträchtigen, können auch die Qualität der Schwellkörper mindern: Übergewicht, erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes mellitus und Stress. Der Penis zieht dann den Kürzeren.
Hier auch ein Wort zur Vorhaut: Wenn Sie mit den Jahren häufiger Probleme mit Ihrer Vorhaut haben, sie entzündet, rot oder verengt ist (auch die Eichel kann rote Flecken zeigen), lassen Sie sofort alle Waschsubstanzen weg und reinigen nur noch mit warmem Wasser, um dem Mikrobiom bei der Regeneration zu helfen. Starten Sie dann zunächst mit Olivenöl-Behandlungen oder Intimöl mit Vitamin E, denken Sie an Vitamin D, Zink, Selen, Omega-3-Fettsäuren, auch an das Beheben eines potenziellen Mangels an B-Vitaminen und an eine vielfältige Darmflora.
Alkohol und Nikotin sind Lustkiller
Lassen Sie untersuchen, ob etwa ein Diabetes hinter einer chronisch entzündeten Vorhaut und/ oder Eichel steckt. Manche Männer profitieren auch von einer operativen Vorhautentfernung. Diese Prozedur bringt oft endlich wieder eine gute Lebensqualität mit Freude am Sex.
Meiden Sie größere Mengen an Alkohol und Zigaretten und achten Sie auf Ihr Gewicht!
Treiben Sie Sport und lassen Sie hin und wieder Ihr Blut checken, auch mal die Aminosäure Homocystein: Sie schädigt die Blutgefäße und kann ein Warnzeichen für einige Befunde sein, darunter auch für erektile Dysfunktion. Homocystein kann man etwa mit guten Blutspiegeln an Folsäure, Vitamin B6 und 12 sowie wohl auch durch sexuelle Aktivität senken.
Diese Medikamente helfen
Weil eine mangelnde Stehfähigkeit des Penis oft stark mit Versagensängsten zusammenhängt, haben einfühlsame Partnerinnen und Partner eine erektionsfördernde Wirkung, die bis zu 30 Prozent gegen die schlappe Rute hilft.
Viagra und Co. können eine Erektion verstärken und verlängern. Die Wirkstoffe heißen Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und Avanafil. Für welchen man sich – auf Anraten durch seinen Urologen – entscheidet, hängt vom Sexualverhalten ab: Tadalafil wird in niedriger Dosis (5 mg täglich) für eventuell anstehende Spontaneinsätze verabreicht oder mit einer Dosierung von 20 mg als "Weekend Pill". Der Wirkstoff bleibt lange im Blut. Sildenafil nimmt man hingegen eine Stunde vor dem Happening, das dann aber vier oder fünf Stunden dauern darf.
Die bessere Penisdurchblutung hat auch einen regenerativen Effekt. Da muss also Sauerstoff hin. Und das bedeutet nicht: Hosenstall auf und Penis rausbaumeln lassen, sondern für medikamentös unterstützte oder natürliche Schwellkörperdurchblutung mit sauerstoffreichem Blut sorgen. Natürliche Potenzmittel wie Zwiebel und Knoblauch sollen im Organismus übrigens eine Art Natur-Viagra freisetzen: Schwefelwasserstoff, der den Blutdruck senkt und die Penisgefäße erweitert. Achtung: der Knoblauch-Atem wirkt nicht für alle sexuell stimulierend.
"Use it or lose it!"
Eine neue Methode für einen dynamischen Penis ist die Stoßwellentherapie, die sowohl den männlichen Beckenboden für die Sprungkraft als auch den Stoffwechsel im Schwellkörper optimieren kann. Sie ist aber auch bei der Behandlung von unerwünschten Gewebeverhärtungen und der Penisverkrümmung üblich und kommt über etwa sechs Wochen ein- bis zweimal die Woche für 10 bis 15 Minuten zur Anwendung. Sie kostet etwa 200 Euro pro Sitzung. Und auch der Beckenboden-Trainer mit elektromagnetischer Stimulation des Beckenbodens mit 11.000 Kontraktionen in 30 Minuten, in denen man bekleidet gemütlich auf einem Spezialstuhl sitzt, kann helfen.
Ihr Urologe kennt noch eine Reihe weiterer Therapieoptionen. Denken Sie also an die Devise: "Use it or lose it!", denn regelmäßige Nutzung bringt frisches sauerstoffreiches Blut als Frischekick in den Penis. Den Bizeps trainiert man ja schließlich auch.
Bleiben Sie auch diesbezüglich in Bewegung und kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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