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Volksleiden Gicht: Ursachen, Symptome – und was Sie dagegen tun können


Volksleiden Gicht
Das Bier meldet sich im großen Zeh

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

Aktualisiert am 22.06.2024Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Gicht: Die Krankheit beginnt oft mit Zeh-Schmerzen.Vergrößern des Bildes
Gicht: Die Krankheit beginnt oft mit Zeh-Schmerzen. (Quelle: IMAGO)

Schmerzende Gelenke können trügerisch sein. Viele vermuten, es liege an zu viel Sport. Doch der Auslöser liegt nicht in der Anstrengung, sondern im Blut.

Wenn abends die Gelenke schmerzen, redet sich mancher nur zu gern ein, beim Sport mal wieder zu viel des Guten getan zu haben. Würde man dann aber schnell eine Blutuntersuchung machen, fielen stattdessen womöglich ein erhöhter Harnsäurewert, Entzündungsmarker sowie vermehrte weiße Blutkörperchen auf. Der Übeltäter: überschüssige Harnsäure, die sich kristallin in der Gelenkhaut ablagert und dort für genau die Beschwerden sorgt, die an sportliche Überbeanspruchung erinnern.

Schon seit Jahrhunderten beobachten Ärzte, dass die Gicht bevorzugt Leute befällt, die in behaglichen Verhältnissen leben: In Kriegs- und Mangeljahren geht sie zurück, in besseren Zeiten, wie wir sie schon eine ganze Weile erleben, ist sie stramm auf dem Vormarsch.

Die Statistik zeigt es: In Wohlstandsländern haben 20 Prozent der Männer einen erhöhten Harnsäurespiegel im Blut – oberhalb der Obergrenze von 7 Milligramm pro Deziliter (mg/dl). Die Obergrenze für Frauen liegt bei 6,0 mg/dl. Bei ihnen steigt er meist erst nach der Menopause an, wenn die Östrogene nicht länger ihre harnsäureausscheidende Wirkung entfalten können.

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Knorpel und Gelenke können geschädigt werden

Eine richtige Gicht, also Harnsäureerhöhung plus Gelenkentzündung, tritt in Industrieländern bei etwa zwei Prozent der Bevölkerung auf (bei Männern und Frauen allerdings im Verhältnis neun zu eins) und zieht im Alter statistisch an.

Je höher die Harnsäurewerte klettern, desto höher ist auch das Risiko für einen Gichtanfall, meist so ab 9 mg/dl. Auch die Bildung von Nierensteinen wird dadurch begünstigt. Im chronischen Stadium können Knorpel und Gelenke Schaden nehmen.

Häufig geht Gicht mit dem metabolischen Syndrom einher, das manche auch als Wohlstandssyndrom bezeichnen. Davon spricht man, wenn bestimmte Erkrankungen und Faktoren zusammentreffen, die typisch sind für Industrienationen: Bluthochdruck, Übergewicht, erhöhter Blutzucker- und Cholesterinspiegel, Stoffwechselstörungen, mangelnde Bewegung, Stress …

Bier und Fleisch vermeiden

Und natürlich können auch ausgesprochen sportliche Typen betroffen sein: In über 95 Prozent der Fälle liegt bei einem Gichtanfall eine Störung bei der Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren vor. Wer diesbezüglich genetisch veranlagt ist, also in der Verwandschaft bereits Gichtfälle vorliegen, kann bei "purinreicher" Ernährung (Fleisch, Geflügel, Wurstwaren) schon mal Beschwerden bekommen. Purine sind eine Stoffgruppe organischer Verbindungen und wichtige Bausteine von Nukleinsäuren.

Seltener kommt es vor, dass zu viel Harnsäure direkt im Körper produziert wird oder verstärkt anfällt; das kann etwa durch den Zellzerfall bei Blutkrebs geschehen, bei Nierenerkrankungen, Diabetes oder Fastenkuren.

"Fasten und Feste" sind Risikofaktoren bei entsprechender Veranlagung. Fleisch und Bier (auch alkoholfreies) enthalten nun mal viel Purin an sich, und bei striktem Fasten greift der Körper auf Fettgewebe zurück, das zu Ketonkörpern abgebaut wird. Sammeln sich davon zu viele an, kann die Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren verringert werden.

Ursachen erhöhter Harnsäurewerte

Purine sind als Bestandteil jeder Zelle notwendig für die Erbsubstanz und für den Aufbau neuer Zellen. Beim Abbau der Purine aus der Nahrung entsteht Harnsäure. Unser Körper enthält etwa 1 Gramm Harnsäure, bei Gichtkranken ist die Menge auf alarmierende 30 Gramm und mehr angestiegen. Tagtäglich fallen an die 350 Milligramm Harnsäure aus unserem körpereigenen Stoffwechsel an, und ungefähr noch einmal so viel wird durch die Lebensmittelzufuhr angekarrt. Die Ausscheidung erfolgt zu zwei Dritteln über die Nieren und zu einem Drittel über den Darm. Medikamente können die Ausscheidung hemmen, wie zum Beispiel Tabletten, die Acetylsalicylsäure enthalten oder für die Entwässerung eingesetzt werden. Auch Stress tut hier seine Wirkung.

Der Gicht-Klassiker ist die stark schmerzhafte Gelenkentzündung des Großzehengrundgelenks: Dann kann nicht mal mehr die Bettdecke auf dem Fuß ertragen werden; Hautrötung, Überwärmung und Schwellung stellen sich ein. Aber auch andere Gelenke, wie Sprunggelenke, Fußwurzel, Kniegelenk, Hand- und Ellenbogengelenk oder Fingergelenke können betroffen sein, besonders das Daumengrundgelenk.

Diät-Tipps bei Gicht

Liegt bereits eine Gelenkentzündung vor, kommen Medikamente zum Einsatz. Bei einem erhöhten Harnsäurespiegel ohne Entzündung und präventiv hilft eine purinarme Diät: reichlich Wasser trinken, wenig Fleisch und Wurst, Verzicht auf Innereien, Krusten- und Schalentiere, fette Seefische wie Makrele, Lachs oder Sardinen, kein Fleischextrakt, leider auch wenig Hülsenfrüchte und nur sehr sparsamer Alkoholgenuss. Bier ist nicht nur selbst purinreich, Alkohol in großen Mengen führt darüber hinaus auch zu einer Übersäuerung, weil beim Alkoholabbau basische Mineralstoffe verbraucht werden – mit einer Hemmung der Ausscheidung der Harnsäure über die Niere und verstärkter Harnsäureherstellung in der Leber. Hier haben Sie also gleich drei Risikofaktoren für einen Gichtanfall!

Auch die Zuckeraustauschstoffe Fructose, Sorbit und Xylit steigern die Harnsäurebildung. Zweimal frisches Obst am Tag ist kein Problem, wohl aber Fruchtzucker als sehr weit verbreitetes billiges Süßungsmittel. Schauen Sie also auf die Inhaltsstoffe der Lebensmittel!

Vorsicht vor Fruchtzucker

Leider dürfen Sie dann auch nicht fasten: Beim Abbau von Körperzellen steigt die Harnsäure stark an, Ketonkörper können die Harnsäureausscheidung behindern. Meiden Sie Lebensmittel mit hohem Puringehalt. Setzen Sie bei Fleisch eher auf gekochtes statt gebratenes, denn Purine setzen sich ins Kochwasser ab.

Wie gesagt – unerfreulicherweise ist auch Vorsicht bei Hülsenfrüchten und Kohlgemüse (Erbsen, weiße Bohnen, Linsen, Brokkoli, Rosenkohl) geboten. Wasser, Kaffee und Tee sind die Getränke der Wahl, nicht aber gezuckerte oder mit Fructose gesüßte Getränke. Ein Gläschen Wein ist besser als Bier. Denn Bier provoziert Gichtanfälle unabhängig von seinem relativ niedrigen Harnsäuregehalt. Hier schlägt sich auch der Hefegehalt negativ nieder.

Hefegebäck oder andere Produkte mit Hefeextrakt (je 100 g der Hefe) sollten bei Gicht sehr selten auf dem Speiseplan stehen: Die in frischer Hefe enthaltenen Purine werden zu 750 mg Harnsäure umgewandelt, bei Trockenhefe sind es sogar 1800 mg. Insgesamt sollten Sie 300 bis 500 mg Harnsäure pro Tag nicht überschreiten. Die Formel für die Berechnung lautet: 1 mg Purin entspricht 2,4 mg Harnsäure.

Also, es besteht Gicht am Ende des Tunnels. Kommen Sie gesund durch die Zeit!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eiegene Meinung
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