Interview Bill Gates will Kindersterblichkeit ein zweites Mal halbieren
Als Gründer von Microsoft verdiente er Milliarden, heute bereist er die Welt und engagiert sich für Entwicklungsländer. Bill Gates ist nicht nur der reichste Mann der Welt, er ist auch einer der spendabelsten. Besonders der Einsatz gegen die Kindersterblichkeit in Afrika liegt ihm seit Jahren am Herzen.
1994 begann Gates damit, Teile seines Vermögens in Stiftungen zu stecken und im Jahr 2000 gründete er die "Bill and Melinda Gates Foundation", die heute mit Abstand mächtigste private Wohltätigkeitsstiftung mit einem Kapital von 42 Milliarden Dollar.
Die "große Wette" von Bill Gates
Doch ist der Kampf gegen die Not in der Dritten Welt trotz Milliarden-Spenden nicht ein Fass ohne Boden? Keineswegs, glaubt Gates. Im Jahresbrief der Stiftung sagen Bill und Melinda Gates, welche Fortschritte sie in den nächsten 15 Jahren erwarten. Unter der Überschrift "Unsere große Wette" verspricht das Ehepaar Gates: "Das Leben der Menschen in armen Ländern wird sich in den nächsten 15 Jahren schneller verbessern als jemals zuvor in der Geschichte. Und ihre Leben werden sich mehr verbessern als die von jedem anderen."
Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur nennt Bill Gates die Ziele und erklärt, dass die Welt bereits große Fortschritte gemacht habe. Vom "Musterland Deutschland" wünscht sich Entwicklungshelfer Gates zudem noch etwas mehr Unterstützung.
Mr. Gates, Sie erwarten für die nächsten 15 Jahre eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards von Millionen, vielleicht sogar Milliarden Menschen. Was sind die Eckpunkte ihrer Prognose?
Bill Gates: Vor 15 Jahren wurden die Jahrtausendziele der Vereinten Nationen formuliert und auch unsere Stiftung gegründet. Deshalb ist es jetzt eine gute Gelegenheit, 15 Jahre zurück und vor allem auch 15 Jahre voraus zu schauen. Auf das, was wir gelernt haben und was wir erwarten können.
Auch die Vereinten Nationen wollen ja im September das Nachfolgeprogramm für Ihre Jahrtausendziele verabschieden. Und ich will jede Gelegenheit nutzen, um den Menschen zu erklären, was für großartige Erfolge geschafft wurden, trotz solcher Katastrophen wie Ebola und Erdbeben und Fluten. Das beherrscht zwar die Schlagzeilen, aber Tag für Tag, Schicksal für Schicksal, haben sich die Leben von vielen Millionen Menschen dramatisch verbessert.
Zum Beispiel?
Noch 1990 sind 13 Millionen Kinder gestorben, bevor sie fünf Jahre alt wurden. Jetzt sind es weniger als 6,5 Millionen. Wir haben diese Zahl halbieren können. Wenn wir in der Zeitung lesen, diese Flut oder dieses Erdbeben hat 3000 Menschen getötet, dann ist das eine Tragödie, ohne Frage. Aber wir konnten das Leben von 6,5 Millionen Kindern retten - 6,5 Millionen!
Wie war das möglich?
Es ist besonders darauf zurückzuführen, dass es neue Impfstoffe gibt und vor allem darauf, dass sie nicht mehr nur der reichen Welt vorbehalten sind. Tatsächlich konnten wir sie da einsetzen, wo sie am dringendsten gebraucht wurden. In der nächsten Woche ist dazu eine wichtige Konferenz in Berlin und ich bin sehr stolz, dass unsere Stiftung entscheidend dazu beitragen kann. Wir konnten dafür sorgen, dass die Hersteller absolute Niedrigpreise ansetzen und so auch die ärmsten Menschen versorgt werden können, vor allem natürlich Kinder.
Auf der Konferenz in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel wollen wir dafür sorgen, dass die Finanzierung für die nächsten fünf Jahre festgelegt wird. Wir erwarten 7,5 Milliarden Dollar und damit könnte man die Ärmsten der Welt wirkungsvoll impfen. Damit wollen wir die Zahl der Kinder, die nicht einmal ihren fünften Geburtstag erleben, in den nächsten 15 Jahren noch einmal halbieren.
Das klingt sehr ambitioniert. Wie wollen Sie das erreichen?
Das geht nur durch eine Mischung von Ideen. Wir brauchen mehr Ressourcen. Da hoffe ich, dass die reichen Länder noch etwas spendabler werden und auch die Wirtschaftsentwicklung mitspielt. Alle Länder sollten 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe geben, wie es Großbritannien zum Beispiel schon tut. Ich erwarte von den Regierungen in den Nehmerländern, dass sie ihre Steuersysteme effizienter machen.
Denken Sie nur an China, Mexiko, Brasilien und gerade Südkorea. Das waren alles Länder, die auf Spenden angewiesen waren. Sie sind in gar nicht so langer Zeit zu Ländern geworden, die keine Hilfe mehr brauchen. Und die Spenden von Privaten, von Philanthropen, werden wichtig bleiben, ihre Bedeutung wird aber nicht einmal in die Nähe der anderen Faktoren kommen.
Welche Rolle spielen Bildung und Forschung?
Eine enorme Rolle, vielleicht die Hauptrolle. Selbst in armen Ländern wachsen die Kommunikationstechnologien rasant und bedeuten enorme Chancen für die Menschen dort. Unsere Stiftung ist der größte finanzielle Unterstützer von Bildungssoftware, weil wir glauben, dass sie eine Schlüsselrolle spielen wird. Das geht vom ABC-Lernen bis zur Ausbildung von Krankenschwestern oder Ingenieuren. Die Erfahrung in so vielen Ländern zeigt, dass eine Verbesserung des Bildungssystems einen enormen Schub für das ganze Land bedeutet.
Es scheint aber nach wie vor so, als würden die Nehmerländer zur Passivität verurteilt sein. Die Entscheidungen, wo und in was investiert wird, werden offenbar nicht am Ort selbst getroffen.
Nein, wenn Sie diese Länder für passiv halten, irren Sie gewaltig. Die Bildungs- und die Gesundheitssysteme, die sind alle afrikanisch. Ja, es ist richtig, viele dieser Länder mussten warten, bis sie selbst aktiv werden konnten. Aber zum Beispiel die Männer und Frauen, die die Kinder impfen - das sind Afrikaner. Bei einer Katastrophe wie Ebola, da kommen Kubaner, Amerikaner, Deutsche und andere. Aber die tägliche Arbeit, das ist ganz afrikanisch.
Wir sollten sie nur mit der Möglichkeit versorgen, handeln zu können. Wie gut das klappt, zeigt Ruanda. Obwohl es eines der ärmsten Länder ist, hat es ein hervorragendes Gesundheitssystem aufgebaut. Ich hoffe, andere kopieren das, natürlich angepasst auf ihre Bedürfnisse.
Da ist aber noch der politische Faktor. Schließlich müssten sich alte Traditionen und Religionen verändern. Erwarten Sie nicht viel Widerstand gegen einen solchen Wandel?
Ich denke nicht, dass es eine Kultur gibt, die das Leben ihrer Kinder riskiert oder in Kauf nimmt, dass sie an Kinderlähmung erkranken. Wenn der Wohlstand in Staaten wächst, wächst nach aller Erfahrung auch die Qualität von Regierung und Verwaltung und die Autorität der Zentralgewalt. Die Korruption sinkt, Infrastruktur und Bildung verbessern sich. Deshalb müssen wir solchen Ländern helfen, auf genau diesen Weg zu kommen.
Das geht nicht von jetzt auf gleich, aber es ist trotzdem ein stetiger Fortschritt. Und irgendwann werden aus den Nehmer- auch Geberländer. Das Extrembeispiel ist Südkorea, das heute zu den Ländern mit den höchsten Einkommen zählt.
Mr. Gates, Sie spenden viel, aber Sie sind ohne Frage auch ein reicher Mann. Was können Menschen mit einem normalen Einkommen tun?
Das muss jeder für sich entscheiden. Es gibt ja das religiöse Gebot, zehn Prozent seines Geldes zu spenden. Aber ehrlich gesagt geht es mir oft gar nicht so sehr um das Geld, sondern um Aktivität. Wir wollen wache Menschen haben, die sich für die Welt interessieren. Irgendwann werden sie merken, dass sie auf einem Gebiet, sei es Medizin oder Bildung oder was auch immer, helfen können. Und dann werden sie vielleicht aktiv in einer Hilfsorganisation oder sie reisen in diese Länder und überzeugen sich von den Fortschritten dort. Dann kommt man in ein Dorf, in dem es keine Moskitonetze für die Betten gibt. So ein Teil kostet fünf Dollar, kann aber Leben retten. Dann spendet man eine vergleichsweise geringe Summe, aber mit einer enormen Wirkung.
Wo sehen Sie Deutschland? Tut das Land genug?
Ich danke den Deutschen für ihre Großzügigkeit. Sie haben so viel Geld für den Global Fund gespendet, das war einfach fantastisch. Besonders, weil es andere Länder dazu brachte, dem deutschen Beispiel zu folgen. Auch Kanzlerin Merkel ist eine sehr wichtige Unterstützerin.
Aber ja, ich wäre natürlich dankbar, wenn Deutschland mit der wachsenden Wirtschaft seinen Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen von 0,4 auf 0,7 Prozent steigern würde. Denn viele schauen auf Deutschland und Deutschland ist sehr glaubwürdig. Deshalb wäre das ein tolles Beispiel, was auch andere Länder animieren würde.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.