Diagnose Leukämie Saskia: "Nur einmal kam mir in den Sinn, dass ich sterben könnte"
Saskia ist elf Jahre alt, als sie an Leukämie erkrankt. Eine schwere Zeit zwischen Hoffen und Bangen beginnt für sie und ihre Familie. Heute, als Junge Frau, gilt Saskia als geheilt. Rückblickend erzählt sie, wie sie die lebensbedrohlichen Monate erlebte.
Etwa 1800 Kinder und Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr erkranken jährlich in Deutschland an Krebs. Etwa ein Drittel dieser jungen Patienten leidet an Leukämie. Sie gehört damit zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Kindern. Die Heilungschancen haben sich aber in den letzten Jahren deutlich verbessert.
Im Urlaub rebelliert Saskias Immunsystem
Als die Krankheit bei Saskia vor 13 Jahren ausbrach, war sie mit ihren Großeltern und ihrer kleinen Schwester im Sommerurlaub auf einer Nordseeinsel. "Es war eine schleichende Sache, bei der sich die Symptome nach und nach addierten, die man als Laie aber nicht sofort mit Leukämie in Zusammenhang gebracht hat", erzählt die 24-Jährige gegenüber t-online.de.
Plötzlich hat Saskia auffällig viele blaue Flecken. Zeitgleich verstärkt sich eine Erkältung, die schon vor dem Urlaub begonnen hat und schließlich zu einem fiebrigen Infekt führt. Als die Elfjährige dann auch noch einen Zahn verliert, ist die Blutung ist kaum noch zu stillen.
Dramatisch wird es, als sich die Familie auf der Rückreise befindet - in der Hoffnung die Strecke bis nach Frankfurt noch ohne Probleme zu schaffen. Saskias Zustand verschlechtert sich zunehmend. Sie hat starke Gliederschmerzen, kann sich kaum noch auf den Beinen halten und fällt schließlich in Ohnmacht, kurz nachdem das Boot von der Ferieninsel das Festland wieder erreicht hat.
Saskia wird nun zuerst in ein kleines, danach in ein größeres Krankenhaus mit besseren diagnostischen Möglichkeiten transportiert, wo auch bald ihre Mutter eintrifft. Hier sei dann das Wort Leukämie zum ersten Mal gefallen, erinnert sich Saskia. "Ich lag in einem Krankenhausbett, neben mir auf dem Boden meine Mutter, wir beide konnten nicht schlafen, ich war am Heulen und habe immer wieder gesagt: 'Ich will nicht, ich will keine Leukämie haben, ich will nicht krank sein.'"
Monatelanger Therapiemarathon
Die folgenden Untersuchungen der Kinderonkologie der Uniklinik Frankfurt, in die Saskia verlegt wird, bestätigen die Diagnose. Die Elfjährige ist zu dieser Zeit bereits in einem kritischen Zustand. Es beginnt ein über sechs Monate dauernder stationärer Behandlungsmarathon mit starker Chemotherapie und Bestrahlungen, die Kinder besser als Erwachsene verkraften, da ihr junger Organismus schnell wieder neue gesunde Zellen bilden kann. Deshalb sind die Heilungschancen bei jungen Menschen auch besonders groß.
Doch bei Saskia kommt es zusätzlich zu Komplikationen. Sie hat während des Krankenhausaufenthalts eine Thrombose und epileptische Anfälle, leidet unter Gürtelrose und kann schließlich nicht mehr schlucken. Sie muss künstlich ernährt werden, da ihre Mundschleimhaut durch die Chemotherapie zerstört ist.
Ihren Lebenswillen verliert sie trotzdem nie: "Der Gedanke, dass ich sterben könnte, ist mir nur einmal am Anfang bei der ersten Diagnose in den Kopf gekommen. Danach war der Tod keine Option mehr. Ich hab dann gedacht: 'Na gut, das ist dann so. Ich arbeite einfach die Schritte ab, die auf mich zukommen und mache das, was die Ärzte sagen. Dann werde ich wieder gesund.'"
Die Familie lernt neu zu funktionieren
Die größte Unterstützung ist in dieser Zeit Saskias Familie, die in den Monaten der Therapie so viel wie möglich an ihrer Seite ist. Ihre Mutter wohnt sogar mit in der Klinik, was für Saskias neunjährige Schwester nicht leicht ist: "Damals drehte sich alles um mich, und meine Familie musste vor allem funktionieren und sich neu organisieren", berichtet Saskia. "Für meine kleine Schwester bedeutete das, dass sie plötzlich ohne Mama auskommen sollte. Sie war dann oft bei meinen Großeltern oder bei Freunden, weil mein Vater ja auch arbeiten gehen musste."
Als besonders hilfreich erlebt Saskia den Beistand des Frankfurter Vereins "Hilfe für krebskranke Kinder", der eng mit der Kinderonkologie zusammenarbeitet. "Dieser Verein, in dem sich meine Mutter heute weiter engagiert, leistet Unglaubliches. Er ermöglicht zum Beispiel, dass die Kinder auf der Station auch von Erziehern, Pädagogen und Psychologen betreut werden und so ein Stück mehr Geborgenheit erfahren. Sie waren für uns immer vertraute Ansprechpartner, die aber auch Zeit hatten, mit uns zu spielen oder zu basteln."
"Schlimm war, wenn ein Kind gestorben ist"
Die Monate in der Kinderonkologie schweißen Saskia auch mit anderen jungen Patienten zusammen. Es entstehen Freundschaften, bei denen jedoch die Krankheit nie das wichtigste Thema gewesen sei, erinnert sich Saskia. "Schlimm war aber, wenn ein Kind gestorben ist. Dann war der Tod plötzlich wieder ganz nah. Vor dem Zimmer wurde dann eine Kerze aufgestellt. Es war ein sonderbares Gefühl, daran vorbei zu laufen, wenn man wusste, dieser Mensch, den man kannte, ist nun nicht mehr da."
Trotz der belastenden Chemotherapie und Bestrahlungen muss Saskia sich in der Klinik auch um die Schule kümmern. "Meine Oma ist für mich in meine neue Klasse gegangen, hat sich informiert und mir die Lernmaterialien mitgebracht, damit ich mit speziellen Lehrern, die für uns kranke Kinder in die Klinik kamen, den Stoff nacharbeiten konnte. Viel wichtiger für mich war aber, dass so der direkte Draht zu meiner Klasse aufrecht erhalten wurde."
Wie der Krebs Saskias Leben veränderte
Zum Glück war die Krebsbehandlung bei Saskia erfolgreich, so dass sie die Leukämie besiegte. Eine Knochenmarktransplantation war nicht nötig. Sieben Jahre lang musste Saskia noch zu regelmäßigen Kontrollen in die Klinik kommen. Erst nach dieser Zeitspanne gilt Leukämie als geheilt. Für die 24-Jährige, die in Süddeutschland studiert, ist heute, 13 Jahre nach ihrer Diagnose, das Risiko an Krebs zu erkranken statistisch genauso hoch wie für jeden anderen auch.
Die prägenden Erfahrungen mit der bedrohlichen Krankheit bleiben ein Teil von Saskias Leben: "Ich glaube, im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen war ich vor allem als Teenager nachdenklicher, ernster und erwachsener. Man bekommt eine andere Sicht auf viele Dinge. Man erkennt zum Beispiel, dass viele alltägliche Probleme es gar nicht wert sind, sich darüber aufzuregen."
Informationen zum Hilfsverein: www.kinderkrebs-frankfurt.de
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.