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Therapie im Schlaf: Was wir nachts in unseren Träumen verarbeiten


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In stressigen Zeiten
Warum Schlaf ein Wundermittel für die Psyche ist

Eine Kolumne von Ulrike Scheuermann

11.04.2021Lesedauer: 4 Min.
Schlaf: Wie groß die positiven Effekte von REM-Schlaf für die Regeneration und Stärkung unserer Psyche sind, ist erst seit kurzem gut erforscht.Vergrößern des Bildes
Schlaf: Wie groß die positiven Effekte von REM-Schlaf für die Regeneration und Stärkung unserer Psyche sind, ist erst seit kurzem gut erforscht. (Quelle: fizkes/getty-images-bilder)
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Schlaf ist für einen erholsamen Start in den Tag essenziell. Besonders Träume in einer bestimmten Schlafphase beeinflussen das Wohlbefinden. Was können Sie dafür tun?

Die Forschungsergebnisse sind noch neu und ziemlich bahnbrechend – und sie begeistern mich als Psychologin: Schlaf ist nicht nur für Regeneration, Abnehmen, Krankheitsprävention und allgemeine Gesundheit ein Alleskönner, sondern er ist auch für die Psyche eine Art Wundermittel.

Was Schlaf für unsere Psyche tut

Wie groß die positiven Effekte von REM-Schlaf für die Regeneration und Stärkung unserer Psyche sind, ist erst seit kurzem richtig gut erforscht. Vor allem über die Funktionen des Träumens war man sich lange im Unklaren. Schlafforscher*innen hatten gedacht, Träume wären nur eine funktionslose Begleiterscheinung der REM-Schlafphase. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Ich habe gerade das Buch von Matthew Walker gelesen, einem der weltweit renommiertesten Schlafforscher. Er stellt die neuesten Forschungsergebnisse von sich und seinen Kolleg*innen vor und zeigt, welche wichtigen Funktionen das Träumen hat.

Was passiert im REM-Schlaf?

REM-Schlaf tritt eher gegen Morgen hin verstärkt auf. Wir träumen dabei intensiv, was man an den schnellen Augenbewegungen – Rapid Eye Movement, kurz REM – unter den Lidern erkennen kann. Würden wir diesen Gehirnzustand einem Psychiater beschreiben und dabei vergessen zu erwähnen, dass wir von einem Traum sprechen, würde er eine akute Psychose diagnostizieren. Denn beim Träumen halluzinieren wir, haben Wahnvorstellungen, durchleben extreme Gefühlsschwankungen, sind desorientiert über Raum, Zeit und unsere Persönlichkeit – und wir haben das meiste am Morgen bereits vergessen. Zum Glück!

Eine Schlafforscherin dagegen würde uns fröhlich dazu beglückwünschen, denn sie weiß, was lebhafte Träume in der REM-Schlaf-Phase für großartige Vorzüge haben. Diese liegen übrigens alle jenseits der Vermutungen, die Sigmund Freud dazu hatte. Träume sind weder Wunscherfüllungen unbewusster Triebe, die mithilfe von Traumdeutungen zu therapeutischen Erkenntnissen führen. Noch sind es Tagesreste, also das Nachträumen von Erlebnissen.

Wozu sind die Träume bloß da?

Zunächst entdeckten Schlafforscher*innen, welche Gehirnbereiche beim Träumen aktiv sind: vor allem die emotionalen Zentren des Gehirns, die an der Erzeugung und Verarbeitung von Emotionen beteiligt sind. Rationale Gedanken und logische Entscheidungen sind dagegen außer Kraft gesetzt.

Dann fand man heraus, dass gefühlsbezogenen Themen, schmerzliche Emotionen und Sorgen in den Träumen wiedererlebt wurden. Wir träumen zu den Erlebnissen, die uns emotional bewegen. Warum? Das ist die Frage, die Wissenschaftler seit anderthalb Jahrhunderten beschäftigt.

Drei Funktionen von Träumen im REM-Schlaf

Jetzt wissen wir es! Wir träumen erstens, um Informationen zu verarbeiten, Probleme zu lösen und die Kreativität zu steigern.

Zweitens: Wir richten jede Nacht neu unsere sozialen Fähigkeiten der Mimikerkennung aus. Denn wir müssen ständig Gesichtsausdrücke und Emotionen anderer Menschen entschlüsseln, um uns sicher im sozialen Netz zu bewegen. Ohne Träume missdeuten wir die Mimik anderer, werden misstrauisch und meinen zum Beispiel, Freunde wären Feinde.

Drittens träumen wir als Übernacht-Therapie, zum Schutz unserer emotionalen und geistigen Gesundheit. Diese Funktion finde ich besonders interessant.

Wie wir nachts unsere Emotionen verarbeiten

Das geht so: Wir durchleben im Traum die zu einem Erlebnis gehörenden, beunruhigenden oder schmerzlichen Emotionen noch einmal neu. Sie sind im Traum wieder aktiviert, doch jetzt in einem beruhigenden, sicheren, träumenden Gehirnumfeld – ohne die sonst dazugehörige Stressreaktion. Die Emotionalität geht so deutlich zurück.

Mithilfe des Traumschlafs verarbeiten wir sogar traumatische Erfahrungen und müssen sie nicht bei jeder Erinnerung daran erneut emotional durchleben. Liegt dagegen keine Nacht mit Traumschlaf zwischen dem Erleben einer schmerzlichen Emotion und dem Reaktivieren der Erinnerung, ist die Emotion noch mindestens genauso stark.

Das ist beeindruckend: Wir verarbeiten die beunruhigenden Emotionen im Traum und am nächsten Tag haben wir uns von den belastenden Ereignissen des Vortages erholt! Es ist das, was man in Psychotherapien und Coachings anstrebt, und womit wir oft genug im Alltag ringen: Wir sind aufgewühlt und gehen spazieren, reden mit Freundinnen, Therapeuten, probieren die angesagtesten Meditations- und Entspannungstechniken aus, oder führen ein Traumtagebuch.

Doch wir müssen Träume gar nicht therapeutisch deuten – die Träume selbst sind die Therapie! Nicht die Zeit heilt alle Wunden, sondern der Traumschlaf heilt durch emotionale Genesung. „Drüber schlafen“ erhält nun eine ganz neue Bedeutung. Insbesondere, wenn wir den REM-Schlaf fördern.

Drüber schlafen – wie Sie Ihren REM-Schlaf fördern

  • Lange genug schlafen: Mindestens sieben bis neun Stunden brauchen Erwachsene. Geben Sie dem Schlaf die Priorität, die ihm zusteht, um sich psychisch und körperlich gesund zu erhalten.
  • Jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufwachen: Regelmäßigkeit hilft enorm, um genug zu schlafen. Stellen Sie sich eventuell auch für die Ins-Bettgehzeit einen Wecker.
  • Gehen Sie so früh schlafen, dass Sie morgens vor dem Weckerklingen bereits ausgeschlafen haben. Bei zu später Schlafenszeit und wenn Sie ein Abendtyp (Eule) sind, müssen Sie sonst womöglich regelmäßig Ihren REM-Schlaf morgens „abschneiden“, weil Sie wegen des Jobs oder der Kinder zu früh aufstehen müssen.
  • Gehen Sie vor allem als Eule schon morgens ans Tageslicht, um Ihre Körperuhr nach vorn zu stellen. Die Sommerzeit bringt vor allem die Eulen aus dem Takt und selbst Wochen oder länger nach der Zeitumstellung hat sich die innere Uhr noch nicht an die soziale Zeit angepasst.
  • Wenn Sie dagegen regelmäßig zu früh aufwachen, kann es sein, dass Sie Ihren REM-Schlaf quasi abschneiden. Das war lange mein Problem als ausgeprägte Frühaufsteherin (Lerche). Seit ich möglichst spät am Tage noch Tageslicht tanke, habe ich meinen Schlaf-Wach-Rhythmus nach hinten geschoben und schlafe am Morgen etwas länger.
  • Kein Alkohol vor dem Schlafen: Alkohol wirkt als Schlummertrunk und zeigt in der ersten Schlafhälfte einen stabilisierenden Effekt, danach schlägt dies jedoch ins Gegenteil um. In der zweiten Nachthälfte – der besten Zeit für den REM-Schlaf – entstehen gehäuft Wachphasen, an die man sich zwar in der Regel nicht erinnert, die aber den kostbaren REM-Schlaf empfindlich stören.
  • Immer noch gilt es weithin als Zeichen von Hochleistung, mit wenig Schlaf auszukommen. Das stimmt aber nicht. Wir bleiben durch Schlafmangel hinter unseren geistigen und emotionalen Möglichkeiten zurück. Räumen wir dem Schlaf eine hohe Priorität ein, denn uns wird es damit emotional und psychisch viel besser gehen. Und das können wir immer gut gebrauchen – zurzeit besonders.
Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Matthew Walker: „Das große Buch vom Schlaf. Die enorme Bedeutung des Schlafs – Beste Vorbeugung gegen Alzheimer, Krebs, Herzinfarkt und vieles mehr“. Goldmann 2018.
  • Alcohol and Sleep I: Effects on normal Sleep: 24.01.2013.
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