Forschungsstudie untersucht Wie Beipackzettel von Medikamenten verständlicher werden sollen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jeder kennt sie, doch nur die wenigsten können etwas mit ihnen anfangen: Beipackzettel von Medikamenten. Das will ein Forschungsteam nun ändern.
Egal ob bei Medikamenten zur Linderung von chronischen Schmerzen oder gegen das Kratzen im Hals während der Erkältungszeit – ohne die Packungsbeilage darf hierzulande kein Fertigarzneimittel in Umlauf gebracht werden. Was Verbrauchern jedoch beim Entfalten des Beipackzettels auf der Suche nach möglichen Nebenwirkungen entgegenschlägt, ist meist gespickt mit Fremdwörtern, unverständlichen Formulierungen und Wortungetümen.
Ein Forscherteam um Professor Thorsten Lehr der Saar-Uni in Saarbrücken möchte das ändern und bemüht sich darum, Beipackzettel in eine verständlichere und benutzerfreundlichere Sprache zu übersetzen.
EU-Richtlinie bestimmt Inhalt
Rechtliche Grundlage für die Zugabe eines Beipackzettels ist eine Richtlinie des Europäischen Parlaments zur "Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel". In Deutschland wurde die Vorgabe in § 11 des Arzneimittelgesetzes in die nationale Gesetzgebung übernommen. Entsprechend muss die Packungsbeilage bei Arzneimitteln Informationen wie die Darreichungsform, Anwendungsgebiete, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen beinhalten. Außerdem werden Hersteller dazu aufgefordert, die Hinweise "lesbar, klar und benutzerfreundlich" zu formulieren.
Ziel: Laientauglich aufbereitete Informationen
Daran, dass viele der im Umlauf befindlichen Beipackzettel alles andere als klar verständlich und benutzerfreundlich sind, hat sich durch das Gesetz nicht viel geändert. Vielmehr gebe es laut den Forschenden "große Schwankungen in ihrer Qualität". Hauptaugenmerk legt die Studie bei ihrer Arbeit daher auf die verwendete Sprache, den Inhalt sowie das Layout. Ziel ist es, die relevanten Informationen aus bestehenden Packungsbeilagen herauszuarbeiten und laientauglich aufzubereiten.
Zur Validierung der Untersuchungsergebnisse sollen Prototypen der überarbeiteten Beilage auf Verständlichkeit und Patientenzufriedenheit überprüft werden.
Weniger Fremdwörter, kürzere, konkrete Aussagen
Dabei verfolgt man laut Lehr zwei verschiedene Ansätze: In einem ersten Forschungsschritt wurde der Inhalt der Zettel beibehalten und nur die Sprache durch eine Minimierung von Fremdwörtern und kürzere Sätze vereinfacht und konkretisiert. Statt "Vor dem Essen" heißt es dann "30 Minuten vor dem Essen". Statt "Mit Flüssigkeit einzunehmen", gibt es beispielsweise die konkrete Anweisung "Mit Leitungswasser einzunehmen".
Obwohl die Verständlichkeit so verbessert werden konnte, sei man schnell an Grenzen gestoßen. "Wir konnten vieles nur bis zu einem gewissen Grad optimieren. Das hat uns nicht ausgereicht und dürfte auch in der Praxis wenig Verbesserung bringen", berichtet Lehr t-online.
Konzentration auf die wichtigsten Inhalte
Das nahm das Team zum Anlass, einen Schritt weiterzugehen und einen komplett neuen Beipackzettel zu entwickeln, der alle relevanten Informationen auf nur einer Seite bündelt. Auf nur selten auftretende Nebenwirkungen wurde in dieser Kompaktversion verzichtet.
Es handle sich dabei eher um eine Art der "Kurzanleitung, die wir auch von Elektrogeräten kennen", berichtet der Professor. Für den Beipackzettel 2.0 sind neben der sprachlichen Vereinfachung auch ein neues Layout und eine neue Struktur vorgesehen, die für mehr Übersichtlichkeit sorgen.
Vollversion in digitaler Form
Ergänzt wird die Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte durch eine Langversion mit ausführlichen Informationen, die über einen QR-Code elektronisch abrufbar ist. Dass Patienten auf den Beipackzetteln nur noch eine Auswahl der am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen vorfinden, hat auch den Vorteil, dass die beängstigende und verunsichernde Wirkung minimiert wird, die sich bei kryptischen Aufzählungen von Nebenwirkungen einstellt.
Wer formuliert die Beipackzettel?
Die Zugabe der Gebrauchsinformation ist in Deutschland laut Arzneimittelgesetz verpflichtend. Für den Inhalt und die Formulierung der Packungsbeilage sind die pharmazeutischen Unternehmen zuständig. Bevor die Medikamente in Umlauf gehen, müssen die beigelegten Informationsblätter eine Prüfung durch eine Bundesbehörde wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bestehen. Entspricht der Entwurf nicht den Vorgaben, kann die entsprechende Behörde die Zulassung des Arzneimittels stoppen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- tagesschau.de: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Übersetzer"
- uni-saarland.de: "Die Optimierung der Packungsbeilage zur Steigerung der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit"
- eur-lex.europa.eu: Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001
- bfarm.de: "Packungsbeilage"
- Eigene Recherche