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Mpox: Experte zu Gefahr in Europa – Wird sich das Virus weiter ausbreiten?


Experte zur Mpox-Ausbreitung in Europa
"Der Impfstoff allein hilft nicht viel"

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

Aktualisiert am 22.08.2024Lesedauer: 4 Min.
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Impfung gegen Mpox: In afrikanischen Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo sind sie lebensnotwendig.Vergrößern des Bildes
Impfung als wichtige Schutzmaßnahme: In Zentralafrika schnellen die Mpox-Infektionszahlen in die Höhe. (Quelle: Jeenah Moon/ap)

In Zentralafrika grassiert ein neues Mpox-Virus. Auch in Europa ist der erste Krankheitsfall entdeckt worden. Droht eine neue Pandemie?

Mpox, früher bekannt als "Affenpocken", wurde bereits 1958 entdeckt und hat sich mittlerweile zu einem globalen Gesundheitsproblem entwickelt. Eine neue Variante des Virus breitet sich aktuell rasant in Zentralafrika aus. Auch in Europa ist die Infektionskrankheit angekommen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat deshalb eine Warnung herausgegeben.

Was die "nationale Notlage" bedeutet, wie wahrscheinlich weitere Infektionen in Europa sind und wie Menschen sich infizieren, erklärt Prof. Jürgen May vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin im Interview mit t-online.

t-online: Der erste bestätigte Fall der neuen Mpox-Variante in Europa wurde kürzlich aus Schweden gemeldet. Werden wir auch hierzulande Erkrankungen sehen?

Prof. Jürgen May: Das ist schwer zu sagen, da viele Fragen zum Virustyp ungeklärt sind – etwa, ob es wirklich eine stärkere Virulenz und damit eine stärkere Übertragbarkeit gibt. Das ist natürlich wichtig zu wissen, um abzuschätzen, ob sich die neue Virusvariante in Europa ausbreiten kann.

Wie gut ist man hier auf ein mögliches Infektionsgeschehen vorbereitet?

Hier treffen die Mpox-Fälle auf ein sehr gutes Überwachungs-, Melde- und auch Gesundheitsversorgungssystem. Insofern können die Patienten schnell isoliert und Kontaktpersonen in Quarantäne gebracht werden. Da sind wir auf einer relativ sicheren Seite.

(Quelle: BNITM)

Zur Person

Prof. Dr. Jürgen May ist Epidemiologe und Tropenmediziner. Seit 2021 ist er zudem Vorstandsvorsitzender des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg, wo Infektionskrankheiten erforscht werden.

Dennoch hat sich die frühere Mpox-Variante bereits 2022/23 in Europa verbreitet, und auch in Deutschland wurden 3.800 Fälle gemeldet.

Richtig. 2022 haben wir gesehen, dass sich die Fälle durchaus sehr schnell verbreiten können in bestimmten Bevölkerungsgruppen. Der Ausbruch konnte gut wieder unter Kontrolle gebracht werden. Und das wäre diesmal vermutlich auch so. Wir sind nun besser vorgewarnt. Damals kamen die Fälle schon überraschend.

Brauchen wir keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen?

Im Moment sind keine großen Maßnahmen erforderlich. Grenzschließungen, Reisebeschränkungen – das ist in diesem Stadium nicht notwendig. Bei Verdachtsfällen wird sofort das Gesundheitsamt aktiv, verfolgt die Infektionsketten, verhängt Quarantänen und informiert mögliche Kontaktpersonen.

Was unterscheidet das Mpox-Virus von anderen Erregern wie SARS-CoV-2 oder Ebola?

Sie alle lösen sehr unterschiedliche Infektionskrankheiten aus, und die Übertragungswahrscheinlichkeit von Mensch zu Mensch ist sehr unterschiedlich. Bei Ebola fällt diese relativ hoch aus – vor allem bei einer großen Viruslast. Dort gab es das Problem, dass sich Menschen bei Beerdigungen angesteckt haben, weil sie den Verstorbenen berührt hatten. Die Übertragungswege von SARS-CoV-2 sind uns seit der Corona-Pandemie hinlänglich bekannt: Die Viren gelangen vor allem über Tröpfcheninfektionen in den Körper. Da reicht schon ein Husten für eine Ansteckung aus. Mpox aber wird bei sehr engem Hautkontakt übertragen – vor allem bei sexuellen Kontakten. Es kann über die Hautveränderungen, also Bläschen, aber auch über Verletzungen und Schleimhaut eindringen.

Mpox: Wer zählt zur Risikogruppe?

In dem Mpox-Geschehen, das 2022 begann, sind Infektionen weit überwiegend bei Männern aufgetreten, die selbst sexuelle Kontakte mit mehreren anderen Männern angegeben hatten. Aber: Das Risiko ist nicht auf Menschen beschränkt, die sexuell aktiv sind, oder auf Männer, die Sex mit Männern haben. Jede Person, die engen körperlichen Kontakt mit einer ansteckenden Person hat, kann sich mit Mpox infizieren.

Sich mit Corona zu infizieren, passiert demnach viel einfacher und schneller.

Ja, Corona ist ziemlich heimtückisch: Man kann sich auch bei asymptomatischen Patienten infizieren. Das macht die Eindämmung besonders schwierig – und das ist bei Mpox nicht der Fall.

Das heißt, Mpox hat kein sehr hohes Pandemie-Potenzial?

Das größte Potenzial gibt es sicherlich bei Infektionen, die über Tröpfchen übertragen werden. Bei Mpox ist das eher unwahrscheinlich, weil eben ein ganz naher Kontakt nötig ist. Für eine solche Bewertung ist es aber wichtig, mehr Daten zu sammeln. Doch das war schon bei Corona sehr schwierig und hat lange gedauert, obwohl wir viele Infizierte direkt vor Ort und nicht in Zentralafrika hatten.

Neue Daten geben Hinweise darauf, dass die neue Mpox-Variante ansteckender und gefährlicher sein könnte. Ist auch von einer höheren Sterblichkeit auszugehen?

Das sind bislang Beobachtungen, die nur aus einem einzigen Ausbruchsgeschehen stammen. Das kann auch täuschen. Denn die Todesrate ist nicht nur vom Virus selbst abhängig, sondern auch davon, wo die Erkrankungen stattfinden, unter welchen hygienischen Bedingungen und in welchem Gesundheitssystem beispielsweise. Da kann eine Infektion in Afrika eher zum Tod führen, in Europa ist das viel unwahrscheinlicher.

Der rasante Anstieg der Mpox-Fälle in Zentralafrika hat die WHO dazu veranlasst, eine "gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite" auszurufen. War dieser Schritt angemessen?

Das Expertenkomitee der WHO hat sich intensiv damit beschäftigt und gut überlegt, ob man diese Notlage aussprechen soll. Auch aus meiner Sicht hat sich die Situation in Zentralafrika in den letzten Wochen und Monaten so verschärft, dass die Notlage ein richtiger Schritt war.

Was hat die "internationale Notlage" denn zur Folge?

Die WHO ist keine Exekutive, das heißt, sie kann die Länder nicht zu Maßnahmen wie Grenzschließungen zwingen. Es sind letztlich Empfehlungen, die befolgt werden können. Es geht vor allem darum, Aufmerksamkeit zu schaffen, Gelder zu beschaffen und Impfstoffe zu mobilisieren.

Welche Maßnahmen werden konkret ergriffen?

Die WHO unterstützt zum Beispiel bei der Rückverfolgung von Kontaktpersonen oder der Risikokommunikation und Schulung des Gesundheitspersonals vor Ort. Dann müssen logistische Herausforderungen bewältigt werden, denn der Impfstoff allein hilft nicht viel. Er muss zu den Menschen in Afrika gelangen – Tausende Kilometer weit sicher transportiert werden.

Welche Rolle spielt die Impfung? Lässt sich mit ihr das Infektionsgeschehen unter Kontrolle bringen?

Bei fast allen Infektionskrankheiten sind Impfstoffe das wirksamste Mittel. Die Pockenimpfung schützt zu etwa 85 Prozent vor einer Ansteckung mit Mpox. Und offensichtlich haben Personen, die früher schon gegen Pocken geimpft wurden, immer noch eine Grundimmunität von 80 bis 85 Prozent.

Und wie kann sich der Einzelne vor einer Infektion schützen?

Die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, ist generell gering. Für Risikogruppen gibt es die Impfung. Sie sollten sich außerdem bei sexuellen Kontakten schützen und vorsichtig sein. Ein Vorteil bei Mpox: Die Ansteckung findet nur bei symptomatischen Patienten statt. Das heißt, erst wenn die Person krank ist und beispielsweise Fieber oder Hautveränderungen hat. Wenn also jemand komplett gesund ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass es zu einer Übertragung kommt.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr May!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Prof. Jürgen May am 19. August 2024
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