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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Abnehmen durch Essen? Medizinerin: "Vom Frühstück ist noch keiner dick geworden"
Übergewichtige Menschen essen einfach zu viel. Stimmt nicht, sagt die Ernährungsmedizinerin. Oft ist ein durch Fasten und Diäten beeinträchtigter Stoffwechsel schuld. Doch Sie können ihn stärken. Wie, erklärt Dr. Daniela Kielkowski im Interview.
Sie haben schon jede Diät durch, quälen sich regelmäßig beim Sport, essen wenig – doch die Kilos bleiben? Oder Sie hatten erfolgreiche Diäten, aber irgendwie funktionieren diese nun nicht mehr? Die Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski veranschaulicht, wie und warum häufige Fastenkuren und Diäten, egal ob Low Carb, Crashdiät oder Rohkostdiät, Ihrem Stoffwechsel besonders im Alter schaden und zu langfristigen Gewichtsproblemen führen können.
Wie eine kohlenhydratreiche Ernährung letztendlich besser und nachhaltiger beim Abnehmen geholfen hat, als das Fasten mit maximal 500 kcal am Tag, erklärt die Ärztin in diesem Video.
t-online.de: Frau Kielkowski, Sie arbeiten in Berlin-Charlottenburg als Ärztin mit Schwerpunkt auf Ernährungsmedizin und Stoffwechselerkrankungen in Ihrer eigenen Praxis "Körperkonzepte". Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf?
Daniela Kielkowski: Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Mythen rund um Diäten und Fasten zu entkräften. Der Stoffwechsel sagt viel über den Zustand und die Lebensweise eines Menschen aus. Man kann sehr viel für die Gesundheit erreichen, wenn man kleine Dinge verändert.
Sie betreuen Patienten, die unter anderem Gewichtsprobleme haben und trotz Diäten und Fasten nicht mehr abnehmen. Was passiert bei häufigen und strengen Diäten und beim Fasten mit dem Körper?
Der Stoffwechsel stellt während dieser Phasen, ob es nun Low Carb, eine Crashdiät oder das Fasten ist, auf den Reservestoffwechsel um. Und je nachdem wie der Stoffwechsel vor dem Fasten oder der Diät funktioniert hat, greift der Körper auf seine Notreserven zurück. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass der Körper dafür seine Fettdepots zur Energiegewinnung nutzt und diese so reduziert. Das wäre das optimale Ergebnis. Was im Körper letztlich passiert, ist aber sehr unterschiedlich. Einige Menschen bauen auch nur Muskulatur ab, weil sie inzwischen eine gestörte Fettverbrennung haben.
Was ist der Stoffwechsel? Unter Stoffwechsel oder auch Metabolismus, versteht man alle chemischen Reaktionen im Körper, die Stoffe umwandeln und transportieren. Dazu zählen unter anderem der Hormonstoffwechsel, der Energiestoffwechsel, der Protein- oder der Fettstoffwechsel. Sie versorgen unsere Körperzellen mit allem, was sie brauchen. Damit die einzelnen Stoffwechsel reibungslos funktionieren, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Im folgenden Interview ist von einem gestörten Fettstoffwechsel die Rede.
Woher weiß ich, dass mein Fettstoffwechsel gestört ist?
Sie können es vermuten, wenn Sie trotz Diäten Ihr Fett nicht mehr verlieren und manchmal sogar noch weiter zunehmen. Sicher wissen Sie es, wenn Sie den Stoffwechsel analysieren lassen. Auch können durch bestimmte Fragen zum Thema Schlaf, Ernährung, früheren Diäten, Genetik oder Stress im Alltag die Ursachen für Übergewicht herausgefunden werden. Nicht immer sind mangelnde Bewegung und zu viel Essen schuld. Auch Menschen, die zu wenig essen und sich zu viel bewegen, können Übergewicht haben.
Wie kann das sein? Wenn weniger Energie aufgenommen wird, als man verbraucht, nimmt der Körper doch bestehende Fettreserven aus dem Körper.
Das ist prinzipiell richtig und gilt für junge oder gesunde Menschen. Fasten und Diäten sind aber immer Stress für den Körper. Überstrapaziert man diese Phasen, erinnert sich das Gehirn beim nächsten Mal daran und möchte sich davor schützen. So kann es passieren, dass der Körper sich bei erneuten oder zu langen Diäten weigert, Fett abzunehmen und lieber Energie einspart oder sie aus anderen Quellen wie den Muskeln nimmt.
Der Körper hängt also an seinem Fett?
Genau. Stellen Sie sich vor, dass der Körper Geld braucht, um zu funktionieren. Die Kalorien sind unsere Währung, also die Energie für alle Körperfunktionen: Herzschlag, Gedanken, jeder Schritt. Das Gehirn will dieses Leben sicherstellen und braucht dafür die Grundmiete plus weitere Einnahmen für beispielsweise sportliche Aktivitäten und Alltagsbewegung. Wenn Sie dem Körper jetzt über zu lange Zeit weniger Geld in Form von Nahrung zur Verfügung stellen als er aber braucht, versucht das Gehirn, effektiv zu sparen. Und dabei spart es nicht zuerst am Herzschlag, sondern regelt auf Dauer den Fettstoffwechsel herunter. Denn die Fettdepots sind das Konto, und das möchte der Körper natürlich behalten. Wenn Sie dann doch mal auf einer Feier mehr essen – als Ausnahme – dann nimmt der Körper diese Kalorien schnell an sich und legt es auf das Konto: Sie nehmen zu.
Aber ich kenne Menschen, die haben eine zweiwöchige Diät gemacht und ihr Fett ist dahingeschmolzen …
Ich spreche hier von Menschen, die ihren Stoffwechsel vorher durch ihre Lebensweise – viele und lange Diäten, unregelmäßige Ernährung, falsches Intervallfasten – negativ beeinflusst haben.
Dann ist es doch kompliziert, abzunehmen.
Wenn Sie Ihren Körper nicht durch immer wiederkehrende Langzeitdiäten beeinflussen, ist Abnehmen leicht – eben nach dem Prinzip "wer weniger Energie aufnimmt als er verbraucht, nimmt ab". Aber wenn Sie nach der Diät ihre Lebensgewohnheiten wieder genauso weiterführen wie vor der Diät und erneut zunehmen, um dann wieder zu diäten, passt sich der Stoffwechsel daran an. Dann wird es auf Dauer immer schwieriger, diese Kilos zu verlieren.
Nutzen Sie aber eine Diät oder eine Fastenkur, um danach neue Gewohnheiten wie Sport oder eine regelmäßige und ausgewogene Ernährung zu integrieren und alte Gewohnheiten wie Rauchen, zu wenig Bewegung oder zu viel Fast Food abzulegen, können sie langfristig gesund und schlank bleiben.
Muss ich nicht Angst haben, dass mein Körper diese Energie direkt wieder einspeichert, wenn ich nach der Diät wieder mehr esse?
Nur, wenn der Stoffwechsel gestört ist oder Sie nach Abschluss der Diät zu wenig essen. Wenn Sie nach einer erfolgreichen Diät weiter unter Ihrem Bedarf essen, packt sich der Körper diese Energie wieder in die Depots. Essen Sie aber wirklich ausreichend, ist er beruhigt und arbeitet normal. Haben Sie keine Angst. Ein funktionierender Stoffwechsel kann auch mal 500 Kalorien zu viel verarbeiten, ohne sie sofort auf Ihr Konto zu legen. Aber wir können auch einen gestörten Stoffwechsel wieder optimieren, wenn wir die Dinge verändern, die dazu geführt haben. Zum Beispiel jahrelanges Essen mit zu wenig Kohlenhydraten oder das langfristige Auslassen des Frühstücks. Für kurze Zeit kann das funktionieren und auch der Fettstoffwechsel junger Menschen kann sich von allein wieder regulieren, aber je öfter und länger Sie sich so ernähren, desto wahrscheinlicher sind die negativen Veränderungen besonders im Alter.
Was sind denn Ihre Faustregeln, um den veränderten Fettstoffwechsel wieder zu verbessern und das Gewicht zu halten?
Erstens: Ab sofort niemals nüchtern aus dem Haus gehen. Merken Sie sich: Vom Frühstück ist noch niemand dick geworden. Ihr Körper möchte für seine Tagesleistungen bezahlt werden. Geben Sie ihm diese Energie.
Zweitens: Essen Sie morgens und mittags vor 15 Uhr kohlenhydratreich. Der Körper braucht die Energie für den Tag, sonst spart er oder zieht sie sich aus den Muskeln. Essen Sie gute Kohlenhydrate und haben Sie keine Angst. Essen Sie sich satt. Denn: bezahlt ist bezahlt. Wenn der Körper am Nachmittag die meisten Einnahmen bekommen hat, hat er keinen Grund, abends dazusitzen und Ihnen 1.000 Kalorien in Form von Chips abzuverlangen. Die meisten machen es eben falsch: Sie stürmen morgens nüchtern aus dem Haus ohne Zeit für ein Frühstück und essen mittags unregelmäßig, gar nicht oder zu wenig. Sobald sie dann vom stressigen Arbeitsalltag nach Hause kommen und in den Ruhezustand fallen, sagt das Gehirn diesen Menschen: "Es ist schon 18 Uhr und ich habe Tagesausgaben von 2.500 Kalorien, aber habe gerade einmal 1.000 bekommen." Dann fangen sie an, viel zu viel zu essen und bekommen Heißhungerattacken.
Und drittens: Treiben Sie dreimal in der Woche eine Stunde Ausdauersport. Und hier meine ich nicht, dass Sie immer in das Fitnessstudio rennen müssen. Auch zügiges Spazierengehen zählt dazu. Mit diesen Tipps können Sie langfristig ihren Stoffwechsel wieder normalisieren, ihr Gewicht halten oder sogar abnehmen, ohne den Körper zu stressen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Kielkowski.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.