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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neues Gas-Abkommen mit Katar Alles nur Prahlerei?
Ab 2026 soll Deutschland flüssiges Gas aus Katar erhalten. Löst der Deal jetzt all unsere Energieprobleme?
Die Namen Saad Scharida al-Kaabi und Ryan Lance waren bis Dienstagfrüh wohl kaum jemandem in Deutschland ein Begriff. Doch das Abkommen, das die beiden Männer jetzt in Doha unterschrieben haben, sorgt für Aufsehen, vor allem in Deutschland:
Der katarische Energieminister al-Kaabi und der amerikanische Chef des Energiekonzerns Conoco Philipps haben ein langfristiges Abkommen geschlossen, das die Lieferung von flüssigem Gas aus Katar nach Deutschland garantieren soll.
Doch wie genau soll Deutschland das flüssige Gas aus dem Golfstaat erhalten – und kann dadurch das fehlende Gas aus Russland kompensiert werden? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Gas-Deal.
Was genau wurde beschlossen?
Konkret haben der katarische Energiekonzern Qatar Energy und das US-Unternehmen Conoco Philipps einen Vertrag geschlossen. Demzufolge verkaufen die Katarer den Amerikanern Gas, das auf den Feldern North Field East und North Field South gefördert wurde. Beide liegen vor der nordöstlichen Küste Katars im Persischen Golf.
Dieses verflüssigte Gas (LNG) wiederum verschifft Conoco Philipps anschließend nach Brunsbüttel in Schleswig-Holstein, wo derzeit ein entsprechendes LNG-Terminal gebaut wird. Die Lieferungen sollen im Jahr 2026 beginnen. Pro Jahr sollen dann bis zu 2 Millionen Tonnen Gas geliefert werden, die Laufzeit des Abkommens beträgt mindestens 15 Jahre.
Der Zeitplan für den Bau würde zum Deal mit Katar passen: Spätestens 2026 soll das Terminal in Brunsbüttel fertig sein und das behelfsmäßige schwimmende Terminal ablösen, das schon diesen Winter in Betrieb gehen soll.
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Was bedeutet die gelieferte Menge für Deutschland?
Zunächst wirkt es wie ein großer Deal, doch bei genauerem Hinschauen wird schnell klar: Die vereinbarten Liefermengen sind eher ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Energiesicherheit in Deutschland.
Denn die rund 2 Millionen Tonnen Flüssiggas, die ab 2026 jährlich in Deutschland ankommen sollen, entsprechen lediglich 2,8 Milliarden Kubikmetern Gas. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lieferte die Nord-Stream-Pipeline 59,2 Milliarden Kubikmeter Gas nach Deutschland. Die Ersatzlieferungen aus Katar kompensieren also nur rund fünf Prozent der russischen Gaslieferungen.
Noch geringer wird der Wert, wenn man den jährlichen Gasverbrauch in Deutschland betrachtet: Von den benötigten 90 Milliarden Kubikmetern Gas (Stand: 2021) deckt der Katar-Deal rund drei Prozent ab.
Welche Rolle spielt Katar generell auf dem LNG-Markt?
Der Golfstaat zählt zu den weltweit bedeutendsten Exporteuren von Flüssiggas. Im vergangenen Jahr hatte das Land insgesamt 77 Millionen Tonnen LNG exportiert. Damit lag der Staat nach Australien (78,5 Millionen Tonnen) auf Rang zwei, gefolgt von den USA (67) und Russland (30). Katar teilt sich gemeinsam mit dem Iran das weltweit größte Gasfeld im Persischen Golf.
Betrachtet man also die Gesamtmenge der katarischen Exporte, macht das deutsche Abkommen nur 1,5 Prozent der katarischen Ausfuhren aus. Laut Berechnungen des Finanzdienstleisters S&P Global gingen noch im vergangenen Jahr rund 80 Prozent des katarischen LNG nach Asien: Hauptabnehmer war dabei Südkorea (15,6 Prozent), noch vor Indien (13,8), China (12,6) und Japan (12,5). Der größte europäische Abnehmer war 2021 Italien mit 6,6 Prozent.
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Allerdings ist davon auszugehen, dass es in den kommenden Jahren zu weiteren Verschiebungen auf dem LNG-Markt kommen könnte. Vor dem Deal mit Deutschland hatte Qatar Energy erst in der vergangenen Woche einen neuen Vertrag mit China geschlossen: Das Land erhält künftig pro Jahr vier Millionen Tonnen Flüssiggas bis zum Jahr 2049.
Wie wird das Abkommen in Deutschland aufgenommen?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält den auf 15 Jahre angelegten Liefervertrag für einen guten Zeitrahmen. "15 Jahre ist super", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Berlin. Wegen der geplanten Klimaneutralität in Deutschland ab 2045 müssten dann die Mengen aber immer geringer werden. Spätestens ab 2040 müsste der Gasverbrauch heruntergehen, und andere Energieformen müssten dominant werden.
Auch die Gaswirtschaft sieht ein "positives Signal für die landbasierten LNG-Terminals". "Wir fordern schon lange, nicht nur auf die kurzfristige Versorgung über die schwimmenden Terminals zu blicken", so der Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas, Timm Kehler, in einer Mitteilung. Insbesondere für einen späteren Umstieg auf grüne Gase seien die landbasierten Terminals von elementarer Bedeutung.
Doch der Deal stößt nicht überall auf Gegenliebe. Laut Zukunft Gas muss Deutschland ohne russische Energie eine Lücke von knapp 500 Terawattstunden schließen, die vereinbarte Menge mit Katar würde aber nur 30 Terawattstunden entsprechen. Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe nannte das Geschäft einen "schmutzigen Deal mit einem schmutzigen Regime". In der gegenwärtigen Krise helfe er nicht, stattdessen würden "neue langfristige Abhängigkeiten" geschaffen, so Zerger auf Twitter.
Der Chef des Energieausschusses des Bundestags, Klaus Ernst (Linke), kritisierte Habeck dafür, "mit großen Zahlen zu prahlen". Der LNG-Deal decke in Wahrheit nur einen geringen Teil des deutschen Energiebedarfs. "Echte Alternativen zu russischem Gas gibt's immer noch nicht!", so Ernst auf Twitter.
- qatarenergy.qa: "Qatarenergy, Conocophilipps sign long-term supply agreement of qatari LNG to Germany for at least 15 years" (englisch)
- qatarenergy.qa: "QatarEnergy and Sinopec sign a 27-year 4 million tons per annum LNG supply agreement to China" (englisch)
- germanlng.com: "German LNG Terminal erreicht entscheidende Meilensteine bei der Entwicklung des LNG-Importterminals Brunsbüttel"
- statista.com: "Hauptexportländer von LNG im Jahr 2021"
- spglobal.com: "Infographic: Where do Qatar's LNG exports go?" (englisch)