Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Großes Manko in Deutschland Worauf Sparer 2025 achten sollten
Die staatlich geförderte Altersvorsorge bleibt ein Sorgenkind. t-online hat Spar-Expertinnen gefragt, welchen Wunsch sie an eine neue Bundesregierung haben – und wie man sich auch ohne politische Hilfe finanziell gut aufstellt.
Geht es an die eigenen Finanzen, haben viele Menschen Hemmungen. Zu unbequem ist es für viele, sich damit zu beschäftigen – notwendig ist es trotzdem. Denn wer allein auf die gesetzliche Rente setzt, könnte im Alter eine böse Überraschung erleben.
Spar-Expertin Katharina Lüth und Jasmin Ehlert, Chefanalystin des Finanzunternehmens Raisin, erklären im Gespräch mit t-online, wie man im neuen Jahr endlich ins Machen kommt, wie sich die Zinsen voraussichtlich entwickeln werden und welchen Mangel die nächste Bundesregierung unbedingt beheben sollte.
t-online: Mit dem Jahresende kommen auch die guten Vorsätze. Manch einer möchte Ordnung in seine Finanzen bringen. Wo fängt man da an?
Katharina Lüth: Der erste Schritt ist immer, sich einen Überblick über die eigenen Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen. Nur wer genau weiß, wie viel Geld monatlich zur Verfügung steht und wohin es fließt, kann gezielt Rücklagen bilden.
Gibt es eine Faustformel, wie viel Geld ich wofür ausgeben sollte?
Ein bewährter Ansatz ist die 50-30-20-Regel. In einer idealen Welt gebe ich höchstens 50 Prozent meines Budgets für Fixkosten wie Miete aus, 30 Prozent für variable Ausgaben wie Hobbys und 20 Prozent spare ich oder lege ich an. Wie gut das gelingt, hängt aber stark von der persönlichen Lebenssituation ab – in Städten wie Berlin oder München können höhere Fixkosten anfallen als auf dem Land. Und wer nur über ein geringes Einkommen verfügt, schafft es in der Regel nicht, 20 Prozent davon zu sparen.
Die Spar-Expertin
Katharina Lüth ist Chief Client Officer und Managing Director beim Fintech Raisin. Sie gehört seit 2014 zum Management-Team, ist Teil der Geschäftsführung und blickt auf mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche zurück. Zuvor war sie acht Jahre bei McKinsey & Company beschäftigt, wo sie unter anderem große internationale Banken beriet. Lüth hat einen MBA-Abschluss von der IESE Business School Barcelona und studierte zuvor International Business in Boston und Reutlingen.
Angenommen, ich stelle fest, dass ich jeden Monat ein wenig Geld übrig habe. Wie geht es dann weiter?
Wir empfehlen, zuerst einen Notgroschen aufzubauen, der etwa drei bis sechs Nettomonatsgehälter umfasst. Dieser sollte auf einem Tagesgeldkonto liegen, nicht auf dem Girokonto. So ist er im Notfall schnell verfügbar, aber wird nicht versehentlich ausgegeben. Am besten automatisiert man das Ganze, richtet einen Dauerauftrag ein und leitet so einen Teil des Einkommens direkt nach Gehaltseingang auf das Tagesgeldkonto um. So ist man auch weniger versucht, das Geld anderweitig auszugeben.
Was gilt, wenn ich verschuldet bin?
Dann sollten Sie einen Schritt zurückgehen und die Schulden erst einmal abbauen. Insbesondere, wenn Sie im Dispo sind, werden mitunter Zinsen bis zu 17 Prozent fällig. Das kostet richtig. Etwas anderes sind Darlehensschulden für ein Haus oder eine Wohnung. Denn dahinter liegt ein Vermögenswert.
Schulden sind weg, der Notgroschen steht – was kommt jetzt?
Für mittelfristige Ziele wie größere Anschaffungen sind Festgeldkonten eine gute Wahl. Sie bieten stabile Zinsen und sind keinen Wertschwankungen ausgesetzt (mehr dazu hier). Für die Altersvorsorge sind sogenannte ETFs sinnvoll, da sie niedrige Kosten haben und langfristig gute Renditen versprechen.
Gut zu wissen
ETFs (Exchange Traded Funds) sind börsengehandelte Fonds, die die Wertentwicklung eines Index nachbilden – zum Beispiel die des Dax. Das bedeutet: Sie können Ihr Geld breit streuen, da Sie auf einen Schlag in viele Unternehmen gleichzeitig investieren. Dadurch sinkt das Risiko im Vergleich zu einem Investment in Einzelaktien. Für die Altersvorsorge eignet sich etwa ein ETF auf einen globalen Aktienindex wie den MSCI World, in dem rund 1.500 Aktien stecken. Lesen Sie hier, wie ETFs funktionieren.
Welche Fehler sollten Sparer vermeiden?
Ein häufiger Fehler ist es, Vorsätze zu groß anzulegen. Wer direkt mit einem hohen Sparplan beginnt, läuft Gefahr, schnell frustriert aufzugeben. Besser ist es, klein anzufangen, beispielsweise mit 100 Euro im Monat, und diesen Betrag schrittweise zu erhöhen. Ein weiterer Fehler wäre, nicht zu diversifizieren. Das bedeutet: Ein reiner Dax-ETF reicht nicht aus, da Sie sich damit zu abhängig von der deutschen Wirtschaft machen. Globale ETFs bieten mehr Sicherheit. Zudem sollten Sparer ihre Entscheidungen nicht aufschieben. Statt auf den perfekten Moment zu warten, ist es sinnvoller, überhaupt anzufangen. Nachjustieren kann man immer.
Man kennt es von anderen Vorsätzen: In der Theorie möchte man mehr Sport treiben oder sich gesünder ernähren, scheitert dann aber an der Umsetzung. Wie motiviert man sich, seine Finanzen zu regeln?
Es hilft, sich mit anderen über die eigenen Ziele auszutauschen. Gemeinsame Vorsätze, egal ob beim Sparen oder der Fitness, schaffen Verbindlichkeit. Auch kann es motivieren, wenn ich mir anschaue, was ich schon geschafft habe. Wer beispielsweise 100 Euro pro Monat für sein Kind spart, kann in guten Marktphasen relativ schnell Erfolge sehen.
Wichtig für den Erfolg einer Geldanlage ist auch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Was erwarten Sie für das kommende Jahr von der EZB?
Jasmin Ehlert: Wir gehen davon aus, dass die EZB ihre Leitzinsen weiter senken wird. Die aktuelle Wirtschaftslage mit sinkender Inflation und schwächelnder Konjunktur deutet darauf hin. Die Frage ist, wo der EZB-Zins hängen bleibt. Wir schätzen, dass der Leitzins im zweiten Halbjahr bei etwa 2 Prozent liegen könnte.
Was hieße das für Sparer?
Für Sparer bedeutet das, dass die Zinsen für Tages- und Festgeldkonten weiter fallen. Im vergangenen halben Jahr sind die Tages- und Festgeldzinsen zwar gar nicht so stark gesunken wie der Leitzins, das trügt aber etwas. Denn die Banken hatten die Leitzinssenkungen schon eingepreist und ihre Zinsen zuvor vorausschauend gesenkt. Eine kleine Gegenbewegung dürfte es aber dadurch geben, dass Banken im Wettbewerb um Spareinlagen stehen. Denn mit fallenden Zinsen vergeben Banken wieder mehr Kredite. Und um die zu finanzieren, braucht es mehr Mittel.
Die Chefanalystin
Jasmin Ehlert ist Head of Bank Analytics bei Raisin. Zuvor hatte sie verschiedene Positionen im Bereich Business Development und Strategie bei Unternehmen wie Spacebase, ProSiebenSat.1 Media SE, Mazars Germany, KPMG und Motorpress Ibérica inne. Sie studierte International Business an der Maastricht University School of Business and Economics sowie International Management an der ESB Business School und der Universidad Pontificia Comillas.
Die Sparzinsen sinken also voraussichtlich nicht ganz so stark wie die Leitzinsen?
Genau. Auch wenn die Zinsen insgesamt sinken, versuchen viele Anbieter, sich mit attraktiven Konditionen für Sparer zu positionieren. Es empfiehlt sich daher, regelmäßig die Zinsen verschiedener Banken zu prüfen. Einige Banken bieten Neukundenangebote, die sich lohnen können. Beim Festgeld kann es sinnvoll sein, das Kapital als sogenannte Zinstreppe anzulegen. Dabei wird das Geld auf Festgeldkonten mit unterschiedlichen Laufzeiten verteilt, um attraktive Zinsen langfristig zu sichern und gleichzeitig flexibel zu bleiben. Insgesamt kann man aber sagen: Die Zinsen werden 2025 nicht mehr so hoch sein wie jetzt.
- Laufzeit-ETFs: So funktioniert die Alternative zum Festgeld
Welche Trends erwarten Sie für 2025?
Schon in diesem Jahr haben wir gesehen, dass das Interesse an Anlagen außerhalb des Heimatlandes gestiegen ist. Deutsche Sparer investieren zunehmend in Tages- und Festgelder europäischer Banken, da die Einlagensicherung bis 100.000 Euro EU-weit gilt und die Zinsen in einigen Ländern attraktiver sind. Das dürfte sich 2025 fortsetzen.
Im Februar stehen Neuwahlen an. Welche Verbesserungen sollte die nächste Bundesregierung für Sparer und Anleger einführen?
Lüth: Ein großes Defizit in Deutschland ist das Fehlen eines staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukts. Die Riester-Rente ist tot, und Rürup-Produkte sind eher ein Produkt für Gutverdiener. Andere Länder wie Großbritannien machen es vor: Dort können Bürger jährlich größere Beträge steuerlich gefördert anlegen und frei über die Art der Investition entscheiden. Das geplante Altersvorsorgedepot wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.
Frau Lüth, Frau Ehlert, wir danken Ihnen für das Gespräch.
- Interview mit Katharina Lüth und Jasmin Ehlert