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Hohe Spritpreise: So will Minister Robert Habeck den Tankrabatt-Flop retten


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Kartellrecht
Experten kritisieren Habeck-Plan scharf


Aktualisiert am 14.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister will das Kartellrecht stärken.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister will das Kartellrecht stärken. (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)
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Viele Deutsche fühlen sich an der Tankstelle abgezockt. Wirtschaftsminister Habeck will deshalb das Kartellrecht verschärfen. Experten sind jedoch skeptisch.

Inzwischen hat es auch der letzte Autofahrer gemerkt: Der Tankrabatt verpufft. Statt der eigentlich angepeilten bis zu 30 Cent Abschlag je Liter sind Benzin und Diesel keine zwei Wochen nach Einführung der temporären Steuersenkung nur noch wenige Cent günstiger als davor.

War also alles umsonst? Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagt: Ohne die Steuersenkung wären die Preise wahrscheinlich noch höher, seien wir lieber froh, dass die Preisbremse wirke.

Viele Deutsche glauben allerdings eher, dass die Mineralölkonzerne die Steuersenkung nutzen, um ihre Gewinne zu erhöhen – und nicht, um sie an die Verbraucher weiterzureichen. Dafür spricht, dass sich die Preise für Rohöl und Sprit in den vergangenen zwei Wochen noch stärker entkoppelt haben:

Inzwischen ist die Differenz zwischen Sprit- und Rohölpreis auf zuletzt jeweils rund 55 Cent je Liter Benzin und Diesel gestiegen. Anfang Mai waren es beim Super der Sorte E10 noch 34 Cent, bei Diesel schon damals 52 Cent.

Habeck will Kartellamt mehr Macht geben

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wirbt deshalb jetzt für seinen Vorschlag, im Kampf gegen die hohen Spritpreise das Kartellrecht zu verschärfen. Widerstand dagegen ist in der Ampelkoalition bislang kaum in Sicht, auch Lindner befürwortet ein solches Vorgehen. Und Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, man dürfe sich "nicht scheuen, gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, wo wir Effizienzdefizite feststellen".

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Inzwischen wird der Schritt als Alternativoption gehandelt, um sogenannte "Übergewinne" abzuschöpfen, Erträge also, die über das normale Maß einer Firma hinausgehen. Eine Idee im Steuerrecht, der Lindner und die FDP nicht zustimmen wollen.

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Habecks Plan deshalb: ein "Kartellrecht mit Klauen und Zähnen". Dafür müsse dies geändert werden.

Habeck will "Beweislastumkehr"

Schwierig sei in der Praxis unter anderem, den Nachweis für Absprachen eines Kartells zu erbringen. Deswegen wolle man künftig davon ausgehen, dass es sich um ein Kartell handele, wenn die Wirkung an den Märkten entsprechend sei. "Das ist quasi eine Beweislastumkehr", sagte Habeck am Montag im Deutschlandfunk.

Im Kartellrecht gibt es bereits die Möglichkeit, durch wettbewerbswidriges Verhalten erlangte Gewinne oder sonstige Vorteile abzuschöpfen – zugunsten der Staatskasse. Das Kartellamt hat diese Option in der Praxis aber noch nie genutzt.

Voraussetzung dafür sind komplexe Analysen und Berechnungen zu den abzuschöpfenden Summen. Außerdem muss der Nachweis erbracht werden, dass Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen das Kartellrecht verstoßen haben. Hier sollen nun die Hürden sinken.

Zerschlagung als letztes Mittel

Unabhängig von nachgewiesenen Verstößen will das Wirtschaftsministerium als letztes Mittel auch eine "Entflechtungsmöglichkeit" schaffen, um verfestigte Märkte aufzubrechen und so für mehr Wettbewerb zu sorgen. Das heißt nichts anderes, als einzelne Firmen zu zerschlagen, wie zuletzt auch FDP-Politiker Michael Theurer forderte.

Doch ginge all das, was Habeck sich erdacht hat, eigentlich? Und könnte das den Tankrabatt-Flop retten?

Einer der anerkanntesten deutschen Wettbewerbsökonomen, Justus Haucap von der Uni Düsseldorf, hat Zweifel. Eine Änderung des Kartellrechts sei ein langwieriges Gesetzesverfahren, kurzfristig schaffe es keine Abhilfe.

Existiert ein Wettbewerb zwischen den Firmen?

Und auch sonst sieht er die Idee eher kritisch. "Die Beweislastumkehr ist nicht einfach", sagte Haucap im Gespräch mit t-online. Denn: Jedes Unternehmen kenne nur seine eigene Strategie. "Selbst wenn sich die Preisgestaltung bei den Mineralölkonzernen ähnelt – wie sollen die Unternehmen nachweisen, dass sie unabhängig voneinander agieren?"

Das Kartellamt könne zwar die Abwesenheit von Markt und Wettbewerb vergleichsweise gut nachweisen, "die Existenz von Wettbewerb zu beweisen, ist dagegen äußert schwierig", sagt er. "Am Ende könnte eine solche Umkehr der Beweislast der Willkür der Kartellwächter Tür und Tor öffnen."

Haucap plädiert deshalb dafür, die derzeit laufenden Untersuchungen des Mineralölsektors durch das Bundeskartellamt abzuwarten. "Natürlich scheint es seltsam, dass sich die Preise für Rohöl und Benzin aktuell so unterschiedlich entwickeln", sagt er. "Es ist aber nicht ausgemacht, dass die Sprithersteller den Tankrabatt ausnutzen."

Spritpreise dürften weiter steigen

Genauso möglich sei, dass andere Faktoren die Preise schnell wieder hochtreiben – "Engpässe bei den Raffinerien zum Beispiel", so Haucap. "Oder das geringere Dieselangebot auf dem Weltmarkt durch den Wegfall der Diesel-Importe aus Russland, die gerade für Europa sehr wichtig waren."

Ähnlich argumentierten zuletzt auch die Mineralölkonzerne selbst. Tatsächlich beobachteten unlängst auch Experten in Deutschland, dass sich auf dem Weltmarkt für Treibstoffe einiges verschiebt.

Auch in den USA etwa steigen aktuell die Preise für Sprit, nachdem die Amerikaner bislang von allzu großen Sprüngen bei den Spritkosten verschont geblieben waren. Die Folge: Die durch das Ölembargo absehbare Versorgungslücke können die USA womöglich kaum auffangen. Die Preise dürften also weiter steigen, Tankrabatt hin oder her.

Hüther: Höhere Preise haben Signalwirkung

So sieht es auch Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, der gänzlich gegen eine Änderung des Kartellrechts ist. Mit Blick auf die ohnehin sehr enge "Struktur" des Marktes, den Umstand also, dass nur wenige Firmen miteinander konkurrierten, sagte er t-online: "Dann ist das eben so. Dann können wir das auch nicht durch Zerschlagungen verändern. Und das sollten wir übrigens auch nicht."

Grund dafür sei, dass die höheren Preise eine Signalwirkung hätten. Sie sollten nicht zuletzt den Verbrauchern, aber auch den Unternehmen anzeigen, dass sie aufgrund der Angebotsengpässe durch den Krieg in der Ukraine weniger Auto fahren und Sprit sparen sollten.

"Dieser Preismechanismus ist für die Energiewende extrem wichtig", so Hüther. "Nur auf diese Weise wird uns der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien und Antriebsformen dauerhaft gelingen."

Das dürfte der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen sein. Nicht zuletzt dem Grünen Robert Habeck.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Justus Haucap, Professor für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf
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