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Rente: Arbeiten mit 70? Drei Ideen sollen die Rente retten


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Wirtschaftsweise fordert Reform
Diese Ideen sollen die deutsche Rente sichern


Aktualisiert am 09.01.2023Lesedauer: 8 Min.
Ältere Frau schaut aus dem Fenster (Symbolbild): Die gesetzliche Rente steht vor einem Finanzproblem.Vergrößern des Bildes
Ältere Frau schaut aus dem Fenster (Symbolbild): Die gesetzliche Rente steht vor einem Finanzproblem. (Quelle: fizkes/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Hohe Renten kürzen? Das ist eine eher ungewöhnliche Forderung, um das deutsche Rentensystem zu reformieren. Welche Rettungsideen es noch gibt.

Das Thema ist ein Dauerbrenner: Kaum ein Monat vergeht, ohne dass über die Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Rente diskutiert wird. Diesmal ist es die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, die die Debatte befeuert.

Sie fordert gleich drei Maßnahmen, um die gesetzliche Rente zu stabilisieren. So spricht sie sich dafür aus, besonders hohe Renten künftig abzuschmelzen. Außerdem sollten die Beiträge und das Renteneintrittsalter erhöht werden (mehr dazu lesen Sie hier). Vor allem letztere Forderung zieht immer wieder starke Kritik nach sich.

Dennoch ist klar: Die Rente hat ein Finanzierungsproblem. Auf immer mehr Rentner kommen immer weniger Beitragszahler. Was also tun, um die Rente zu sichern? t-online erklärt die wichtigsten Vorschläge – und wie wahrscheinlich ihre Umsetzung ist.

Renteneintrittsalter anheben

Der Klassiker unter den Reformvorschlägen. Allein im Jahr 2022 ging die Idee mehrmals durch die Medien; die Wirtschaftsweise Schnitzer macht nun 2023 den Anfang.

"Die Statistik zeigt, dass alle zehn Jahre die Lebenserwartung um ein Jahr steigt. Unser Vorschlag als Sachverständigenrat ist: Für jedes Jahr zusätzlicher Lebenserwartung kann jemand vier Monate länger Rente beziehen, muss aber auch acht Monate länger arbeiten", sagte Schnitzer der "Süddeutschen Zeitung". "Das würde hochgerechnet heißen: Im Jahr 2061 wären wir bei der Rente mit 69. Bei einer Rente mit 70 wären wir erst in 55 Jahren. Die junge Generation hätte also viel Zeit, sich darauf einzustellen."

Erst im Dezember 2022 hatte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger eine generelle Koppelung des regulären Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung gefordert. "Da muss dann auch keiner mehr politische Entscheidungen treffen, die vielleicht unpopulär sind, sondern man verlinkt das miteinander und dann hat man einen Automatismus, der auf jeden Fall in die richtige Richtung geht", sagte er.

Aktuell ist das Renteneintrittsalter für Menschen, die nach 1964 geboren wurden, bei 67 Jahren festgeschrieben. Es gibt mehrere Vorschläge, dieses Alter darüber hinaus anzuheben. Auf diese Weise würde die geringe Zahl an Erwerbstätigen länger in die Rentenversicherung einzahlen und später als Rentner im Schnitt kürzer Leistungen kassieren.

Schon lange vor Schnitzer und Dulger sorgte die Bundesbank mit der Idee für Aufsehen, das Renteneintrittsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung zu koppeln. Sie hatte die Debatte bereits 2019 um eine Anhebung des Rentenalters auf fast 70 Jahre befeuert. Lesen Sie hier, wann Sie aktuell in Rente gehen können und was Sie dann bekommen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Sehr wahrscheinlich. Die Frage ist lediglich, wie stark das Rentenalter steigen wird. Dass es aber über das 67. Lebensjahr hinaus anzieht, gilt als relativ ausgemacht – auch wenn SPD, Grüne und FDP es derzeit noch ausschließen. Experten mahnen jedoch, dass es bei der Umsetzung in jedem Fall Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen brauche, die körperlich nicht in der Lage seien, länger zu arbeiten.

Auch viele Ökonomen sprechen sich dafür aus. "Die eleganteste Lösung wäre eine langsame, schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters", sagte etwa Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH). Ein höheres Rentenalter könne die Staatsfinanzen stützen, ohne bei wichtigen Zukunftsinvestitionen auf die Bremse treten zu müssen.

Und Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts und einer der einflussreichsten deutschen Ökonomen, sagte t-online: "Der Anstieg der Rentenbeiträge lässt sich durch ein höheres Renteneintrittsalter spürbar begrenzen, wenn auch nicht ganz verhindern."

Doch es gibt auch unter Ökonomen kritische Stimmen. So sieht der Direktor des Insttuts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, keine Notwendigkeit für eine jetzige Diskussion um ein höheres Renteneintrittsalter.

"Mir ist nicht ersichtlich, warum man jetzt schon darüber reden sollte, was danach in den 2030er-Jahren mit dem Renteneintrittsalter passiert. Ob jemand in den 2030ern einen Monat früher oder später in Rente gehen darf, muss niemand zur Planungssicherheit bereits heute wissen."

Rentenalter flexibilisieren

Bislang richtet sich das Renteneintrittsalter streng nach dem Geburtsjahrgang – wer vor dem Rentenalter in Rente gehen möchte ("Rente mit 63"), muss mit hohen Abschlägen rechnen. Ausnahmen gibt es nur für Menschen, die besonders lange in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Mehr dazu lesen Sie hier.

Es gibt mehrere Vorschläge, das Renteneintrittsalter künftig zu flexibilisieren. Prominente Fürsprecher gibt es etwa in der FDP. So sagte deren Vize Johannes Vogel Ende 2022, dass man sich am schwedischen Modell orientieren solle. Dort können Bürger innerhalb eines Korridors entscheiden, wann sie in Rente gehen möchten. Je früher man geht, desto weniger Rente erhält man. Lesen Sie hier, wie Deutschlands Nachbarn in Rente gehen.

Auch in der SPD kann man sich für die Idee erwärmen. "Am besten wäre ein System, in dem Menschen ab einem bestimmten Alter selbst entscheiden, wie lange und wie viel sie arbeiten wollen", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil dem "Tagesspiegel". "Aber wer nicht mehr weiter arbeiten kann oder will, muss auch früher gehen und von seiner Rente leben können."

Auch die Grünen können sich etwas flexiblere Übergänge in die Rente vorstellen, etwa durch eine "Teilrente ab 60 Jahren".

Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Es scheint nicht mehr undenkbar zu sein. Nachdem die Kritik an einem flexibleren Rentenalter lange sehr deutlich war, findet die Idee inzwischen immer mehr Fürsprecher. Möglich ist auch, dass zunächst die Anreize, länger zu arbeiten, angepasst werden.

Selbstständige und Beamte einbeziehen

Beamte zahlen bislang noch nicht in die gesetzliche Rente ein, sie erhalten eine Beamtenpension. Mehr dazu lesen Sie hier. Doch auch die meisten Selbstständigen und Freiberufler sind ebenfalls nicht in der gesetzlichen Rente pflichtversichert. Das gilt etwa für Künstler, Publizisten oder Sporttrainer.

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Schon im Sommer 2021 brachte Hubertus Heil (SPD) die Idee ins Spiel, alle Selbstständigen in die Rente einzubeziehen. "Je mehr einzahlen, desto besser für die Stabilität der Rentenkasse", sagte Heil damals.

Der Vorschlag war nicht neu, immer wieder kommen solche Ideen hoch. So forderte die Linke im Herbst 2020, dass künftig Beamte in die Rentenkasse einzahlen, genau wie in Österreich. Auch die Grünen wollten mit einer "Bürgerversicherung" Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen lassen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Dass künftig mehr Selbstständige in die gesetzliche Rente einzahlen müssen, gilt als recht wahrscheinlich. Dass jedoch Beamte pflichtversichert werden – und somit die Beamtenpension abgeschafft wird –, ist derzeit nahezu ausgeschlossen.

Fakt ist: Eine solche komplette Systemänderung ist kompliziert und kann die Rentenkasse erst einmal belasten. Zudem ist mit erheblichem Widerstand der Beamten zu rechnen, die auch emotional stark an ihren Pensionen hängen.

Top-Ökonom Clemens Fuest hält solche Vorschläge ebenfalls nicht für zielführend. "Es gäbe dann zwar mehr Leute, die in die Rente einzahlen. Gleichzeitig gibt es jedoch mehr Menschen, die Anspruch auf die Rente haben", sagte er t-online. Das heißt: Das Problem wird nicht gelöst, nur wenn mehr Menschen einzahlen.

Fuest: "Man kann so mehr umverteilen, aber das grundlegende Problem, dass immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner versorgen müssen, wird dadurch nicht entschärft."

Zuwanderung fördern

Eine weitere Idee, um dauerhaft mehr Beitragszahler zu gewinnen, ist, die Zuwanderung deutlich zu steigern.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Relativ wahrscheinlich. So heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, man wolle die umlagefinanzierte Rente durch "die erwerbsbezogene und qualifizierte Einwanderung stärken".

Konkret soll der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt mit der Einführung einer Chancenkarte erleichtert werden. Außerdem soll die Blue Card, bisher nur ein Aufenthaltstitel für Hochschulabsolventen, auch für nicht-akademische Berufe gelten. Ausländische Bildungs- und Berufsabschlüsse sollen schneller und leichter anerkannt werden.

Mehr Zuwanderung hätte zudem einen weiteren Vorteil: Neben der Rentensicherung könnte sie auch helfen, den Fachkräftemangel einzudämmen.

Rentenkasse stärker bezuschussen

Zurzeit fließen rund 110 Milliarden Euro Steuergelder aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss an die Deutsche Rentenversicherung, den Träger der gesetzlichen Rente. Damit werden rund 30 Prozent der Ausgaben gedeckt.

Künftig könnte – zumindest theoretisch – deutlich mehr aus dem Bundeshaushalt fließen, und so könnten womöglich 40 oder 50 Prozent der Rentenkosten bezahlt werden.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Sehr unwahrscheinlich. Zwar steigen die Leistungen an die gesetzliche Rentenversicherung laut dem Plan von Finanzminister Christian Lindner (FDP) von rund 112,4 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf rund 128,8 Milliarden Euro bis 2026, doch Wirtschaftsexperten warnen davor, die Zuschüsse stark steigen zu lassen. Denn dafür müssten andere Kosten und Investitionen eingespart werden. "Wir können die Rentenkasse nicht unbegrenzt aus dem Bundeshaushalt subventionieren", sagte etwa Top-Ökonom Clemens Fuest im t-online-Interview.

Eine Alternative wäre, dass Deutschland dauerhaft mehr Schulden als bislang aufnehmen und sich von der Schuldenbremse verabschieden müsste. Die soll ab 2023 nach drei Ausnahmejahren aber wieder eingehalten werden.

Beiträge erhöhen

Bis 2025 sind die Beiträge zur Rente bei maximal 20 Prozent festgeschrieben, bislang liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent. Nach den aktuellen Vorausberechnungen bleibe er mindestens noch 2022 konstant, so die Rentenversicherung. "2023 könnte eine kleine Anhebung auf 18,7 Prozent erforderlich sein", heißt es.

Um die Rente jedoch zu finanzieren, könnten die Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber steigen – beispielsweise auf 22 Prozent, 11 Prozent für jeden also.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Recht wahrscheinlich – zumindest langfristig. Zwar hat sich die Bundesregierung in den Koalitionsvertrag geschrieben, den Beitragssatz in dieser Legislaturperiode nicht über 20 Prozent steigen zu lassen, doch dass die Haltelinie über 2025 hinaus in der jetzigen Form gehalten werden kann, ist wenig realistisch.

Die Rentenkommission hatte bereits im Frühjahr 2020 vorgeschlagen, den Beitragssatz auf einen Korridor von 20 bis 24 Prozent zu steigern – über mehrere Jahre. Möglich ist also, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber in ein paar Jahren mehr in die gesetzliche Rente einzahlen müssen.

Renten kürzen

Diese Idee ist mit Sicherheit der unpopulärste Vorschlag. Deshalb wird er auch kaum öffentlich geäußert oder diskutiert, obgleich er theoretisch möglich wäre. Wirtschaftsweise Schnitzer bildet gerade eine Ausnahme mit ihrer Forderung nach einer Kürzung hoher Renten.

Durch die staatliche Rentengarantie können Bestandsrenten zwar nicht sinken. Fallen aber kann das sogenannte Rentenniveau. Für Sie als Rentner bedeutet ein Absinken des Rentenniveaus zwar nicht automatisch, dass Ihre individuell gezahlte Rente sinkt, sie steigt aber langsamer als die Einkünfte der Rentenbeitragszahler. Die Folge: Verglichen mit den Jüngeren können sich Ältere womöglich weniger leisten.

Bis 2025 gibt es beim Rentenniveau eine Haltelinie. Das heißt: Es darf nicht unter 48 Prozent fallen. Danach kann es also sinken.

Wie wahrscheinlich ist der Vorschlag?

Recht wahrscheinlich. Zwar hat die Ampelkoalition versprochen, das Mindestrentenniveau von 48 Prozent dauerhaft zu sichern, Experten fürchten jedoch, dass das nicht durchzuhalten ist. Wegen der Finanzierbarkeit der Rente fordern Ökonomen bisweilen, die Haltelinie fürs Rentenniveau nach 2025 aufzugeben – oder zumindest weniger rigoros auszugestalten.

Schon eingeführt: die Aktienrente

Bald werden die Deutschen alle zu Aktionären – ob sie wollen oder nicht. Denn die Ampelkoalition bringt 2023 die Aktienrente an den Start. Sie soll der Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung des Rentensystems sein.

Anders als in Schweden und Norwegen, die als Vorbilder für die Aktienrente dienen, soll die Aktienrücklage beim deutschen Modell zunächst mit Haushaltsmitteln aufgebaut werden. 2023 nimmt der Bund dafür ein Darlehen in Höhe von zehn Milliarden Euro auf. Ihm dürfte dabei zugutekommen, dass er für sein Darlehen weniger Zinsen zahlen muss, als die Kapitalmärkte langfristig an Rendite bringen.

Konkret fließen die zehn Milliarden Euro in einen Fonds, der weltweit gestreut in Aktien investiert. Die Erträge dieses Kapitalstocks sollen dann ab Mitte der 2030er Jahre dazu beitragen, die gesetzliche Rentenversicherung zu stützen. Die Verwaltung des Fonds soll an eine neu zu gründende, unabhängige öffentlich-rechtliche Stelle übertragen werden. Hier lesen Sie mehr zur Aktienrente.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi: "Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung"
  • Konzeptpapier von Johannes Vogel und Christian Dürr: "Für eine erfolgreiche Bewältigung des demographischen Übergangs – durch eine gesetzliche Aktienrente und Fachkräfteeinwanderung"
  • IW Köln: "Höhere Regelaltersgrenze: 68 reicht nicht"
  • Interview mit Clemens Fuest
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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