Mahnungen vor Weltwirtschaftsforum Der Aufschwung darf nicht nur den Reichen nützen
Die Weltwirtschaft boomt. Konzerne scheffeln Milliarden, Milliardäre verdienen prächtig. Bei den normalen Bürgern kommt von dem Reichtum jedoch nur wenig an. Das muss sich ändern, fordern Ökonomen aus Anlass des Weltwirtschaftsforums in Davos.
Der andauernde Boom der Weltwirtschaft wirft zunehmend die Frage auf, ob auch die einfachen Menschen etwas vom wachsenden Wohlstand haben oder nur die Superreichen. Zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums im Schweizerischen Alpenort Davos – dem Mekka der Konzernlenker und Regierungschefs – kam sogar aus den eigenen Reihen Kritik daran, dass Wirtschaftswachstum vielfach nur noch als Selbstzweck gesehen werde.
"Allzu viele Menschen sind immer noch ausgeschlossen von der Erholung", sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, in Davos. Nur Minuten zuvor hatte der IWF seine Wachstumsprognose für dieses und das kommende Jahr heraufgeschraubt. "Alle Zeichen deuten auf Wachstum hin", erklärte Lagarde und warnte gleichzeitig vor Selbstzufriedenheit.
Besonders in einem Teil der Entwicklungs- und Schwellenländer käme bei den Menschen nichts von der guten weltwirtschaftlichen Entwicklung an. Ein ähnliches Gefühl hätten die Menschen in vielen Industrienationen, weil ihre Reallöhne nur mäßig gestiegen seien, ergänzte IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld. Er sah darin auch einen Grund für das Erstarken populistischer und nationalistischer Kräfte in den Ländern.
Gewerkschaften sehen ein Verteilungsproblem
Ins gleiche Horn stieß das Weltwirtschaftsforum selbst in einer am Montag veröffentlichten Studie. Deren Ergebnis: Wirtschaftspolitik setze trotz besorgniserregender sozialer Ungleichheit noch zu sehr auf kurzfristiges Wachstum. Die Bevölkerung erwarte dagegen ein "Nettoergebnis" und das seien "breite, nachhaltige Fortschritte bei den Lebensstandards", sagte der WEF-Verantwortliche Richard Samans. Auch internationale Manager sehen die Globalisierung zunehmend kritisch, wie eine Umfrage der Beratungsgesellschaft PwC ergab.
"Die Wirtschaftswelt hat gewaltiges Potenzial, um grundlegende Änderungen anzustoßen", hieß es in der Grußbotschaft des Papstes. Er rief die Teilnehmer des WEF dazu auf, zusammenzuarbeiten, damit in einer immer globaleren Welt niemand vergessen werde. "Es ist von großer Bedeutung, die Würde des Menschen zu schützen, vor allem, indem allen Menschen echte Möglichkeiten für ihre Entwicklung geboten werden und indem eine Sozialpolitik verfolgt wird, die Familien bevorzugt."
Gewerkschaften und Hilfsorganisationen hatten zuletzt immer wieder kritisiert, dass das Wachstum zuletzt vor allem den ohnehin schon Reichen zugutegekommen sei. "Das Problem ist nicht die Generierung des Vermögens, sondern seine Verteilung", sagte Philip Jennings, Chef des Gewerkschafts-Dachverbands UNI Global Union. Jennings sprach von einer "Krankheit", für die eine Heilung gefunden werden müsse.
Zu dem Treffen in Davos werden mehr als 3.000 Teilnehmer erwartet, darunter etwa 70 Staats- und Regierungschefs wie US-Präsident Donald Trump, der französische Staatschef Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch Hunderte Vorstandsvorsitzende globaler Konzerne kommen nach Davos. Das WEF will sich dabei als Motor für internationale Zusammenarbeit anbieten. Kritiker werfen dem Treffen dagegen vor, Teil des Problems zu sein.
Währungsfonds sieht perfekte Gelegenheit für Reformen
IWF-Chefin Lagarde forderte von den Verantwortlichen der Welt, jetzt zu handeln, wo es der Wirtschaft gut gehe. Der IWF rechnet in diesem und dem kommenden Jahr mit einem globalen Wirtschaftswachstum von jeweils 3,9 Prozent – das sind 0,2 Prozentpunkte mehr als zuletzt im Oktober prophezeit und auch mehr als in den Vorjahren. Die von PwC befragten Wirtschaftslenker und Ökonomen beurteilten die Lage sogar so gut wie nie zuvor.
Der IWF lobte besonders Europa und Asien für ihre Entwicklung. Aber auch große Schwellenländer wie Brasilien und Russland, die zwischenzeitlich strauchelten, seien wieder auf die Beine gekommen. Die Experten schreiben zudem der von US-Präsident Donald Trump forcierten Steuerreform einen stimulierenden Effekt auf die USA und ihre Handelspartner zu.
Für Deutschland erhöhte der IWF seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr gleich um einen halben Prozentpunkt auf 2,3 Prozent. Damit würde die Bundesrepublik kaum schlechter abschneiden als im vergangenen Jahr, für das der IWF auf ein Wachstum von 2,5 Prozent kommt. Auch für 2019 gibt sich der IWF zuversichtlicher als zuletzt.
Jetzt sei die richtige Zeit, Hemmschuhe für das Wirtschaftswachstum zu beseitigen, in Infrastruktur zu investieren und mehr Menschen am Wachstum teilhaben zu lassen, betonte Chefvolkswirt Obstfeld. "Sonst", so warnte er mit Blick auf die schwere Wirtschaft- und Finanzkrise vor zehn Jahren, "wird der nächste Abschwung schneller kommen und schwerer zu bekämpfen sein."
Quelle:
- dpa