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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unter Druck Was eine Firmeninsolvenz für Mitarbeiter bedeutet
Zu einer Insolvenz kommt es selten über Nacht. Trotzdem trifft sie die Betroffenen hart. Was eine Firmenpleite für Gläubiger und Arbeitnehmer bedeutet.
Galeria Karstadt Kaufhof, Maredo und jetzt Peek & Cloppenburg: Das sind nur einige prominente Unternehmen, die Insolvenz anmelden mussten. In Schieflage geratene Unternehmen müssen sich einem Insolvenzverfahren stellen.
Doch was ist eine Insolvenz genau? Bedeutet die Insolvenz automatisch das Ende einer Firma? Und was heißt eine Unternehmensinsolvenz für mich als Arbeitnehmer? t-online gibt Ihnen einen Überblick.
Was ist eine Insolvenz genau?
Der Begriff Insolvenz stammt aus dem Lateinischen und bedeutet, dass ein Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine Kredite zu bedienen. Zahlungsunfähig können sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen werden. Können sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, müssen sie Insolvenz anmelden.
Umgangssprachlich ist auch von einer Pleite, einem Konkurs oder dem Bankrott die Rede. Allerdings gilt: Mit einer Pleite verbindet man meist das Ende der Geschäftstätigkeit des Unternehmens, während dies mit einer Insolvenz nicht zwangsläufig einhergeht (siehe unten). Als Bankrott bezeichnet man in Deutschland einen Straftatbestand.
Diese Insolvenzgründe gibt es:
Im Wesentlichen gibt es drei Gründe, die zu einer Insolvenz führen:
- Zahlungsunfähigkeit: Zahlungsunfähig ist, wer die Forderung eines oder mehrerer Gläubiger nicht mehr begleichen kann.
- Drohende Zahlungsunfähigkeit: Ist absehbar, dass Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht gezahlt werden können, spricht man von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit.
- Überschuldung: Davon ist die Rede, wenn die Verbindlichkeiten höher sind als das vorhandene Vermögen.
In jedem der drei Fälle muss Insolvenz angemeldet werden. Geschieht dies nicht, laufen Unternehmen Gefahr, sich der Insolvenzverschleppung schuldig zu machen. Dies kann eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren zur Folge haben. Mehr dazu lesen Sie hier.
Was ist eine Privatinsolvenz?
Eine Privatinsolvenz funktioniert ähnlich wie eine Firmeninsolvenz – nur dass es hier nicht um ein ganzes Unternehmen geht, sondern eine einzelne Privatperson. In eine Privatinsolvenz können Sie etwa rutschen, wenn Sie sich verschulden oder sich die monatlichen Ausgaben nicht mehr leisten können.
Ziel der Privatinsolvenz ist ähnlich wie bei einem Unternehmen die Befreiung von Schulden. Außerdem sollen die Gläubiger ihre Forderungen erhalten. Am Ende der Privatinsolvenz steht die sogenannte Restschuldbefreiung.
- Restschuldbefreiung: Wie beantrage ich eine Privatinsolvenz?
- Monatlicher Freibetrag: Wie ein P-Konto Sie vor Pfändungen schützt
Welche Insolvenzverfahren gibt es?
Man unterscheidet bei Unternehmen in der Regel drei Insolvenzverfahren. Eine Übersicht:
Regelinsolvenz
Das ist der Regelfall bei einer Insolvenz. Das wird immer angewandt, wenn eines der anderen Verfahren (siehe unten) nicht möglich ist. Es ist das Standardverfahren und führt oft zur Liquidation des Unternehmens.
Insolvenz in Eigenverwaltung
Bei diesem Insolvenzverfahren behält die Geschäftsführung die Kontrolle über das Unternehmen, daher auch der Name "Eigenverwaltung". Das Insolvenzgericht stellt ihr lediglich einen Insolvenzverwalter zur Seite, der die Geschäftsführung kontrolliert.
Ziel des Insolvenzverfahrens ist die Sanierung des Unternehmens. Eine Insolvenz in Eigenregie ist auch möglich, wenn die Firma bereits zahlungsunfähig ist – aber die Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung noch vorhanden.
Schutzschirmverfahren
Das Schutzschirmverfahren ist eine besondere Spielart im deutschen Insolvenzrecht. Bei diesem Verfahren schlüpft das Unternehmen unter einen rechtlichen "Schutzschirm", ist also zunächst vom Zugriff seiner Gläubiger geschützt.
Das Schutzschirmverfahren funktioniert ähnlich wie eine Insolvenz in Eigenverwaltung: Das heißt, dass die Geschäftsführung zwar einen Insolvenzverwalter vom Gericht an die Seite gestellt bekommt. Allerdings behält die Geschäftsführung die Zügel in der Hand.
Zur Insolvenz in Eigenregie unterscheidet sich das Schutzschirmverfahren, als dass das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig sein darf. Außerdem muss die Firma binnen drei Monaten einen Insolvenzplan vorlegen.
Wie läuft eine Insolvenz ab?
Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, gibt es für den Verlauf des Insolvenzverfahrens zwei Möglichkeiten: die Zahlungsfähigkeit wird wieder hergestellt oder das Unternehmen wird geordnet abgewickelt. Letzteres erfolgt in der Regel durch einen Verkauf oder die Liquidation des Unternehmens.
Auf beiden Wegen soll sichergestellt werden, dass die Forderungen der Gläubiger bestmöglich bedient werden. Das bedeutet, im ersten Fall die Aufrechterhaltung des Unternehmens mit dem Ziel einer zukunftsfähigen Sanierung. Und im zweiten Fall, das Unternehmen im Sinne der Gläubiger zu verwerten.
So läuft ein Regelinsolvenzverfahren ab
Der Ablauf eines Insolvenzverfahrens ist gesetzlich geregelt:
- Im ersten Schritt muss der Schuldner oder ein Gläubiger beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Insolvenz einreichen. Die Insolvenz muss spätestens drei Wochen nach Eintritt eines Insolvenzgrundes angemeldet werden. In der Corona-Krise wurde das jedoch gelockert (siehe unten).
- Der Insolvenzrichter prüft nun die Insolvenzgründe und erstellt mithilfe von Sachbearbeitern ein Gutachten über das Unternehmen (siehe oben). Für diese Zeit setzt das Gericht einen vorläufigen Sachverwalter ein. Dieser soll dafür sorgen, dass sich die Firma nicht noch weiter verschuldet. Das Insolvenzgericht kann ein Insolvenzverfahren auch ablehnen (siehe unten).
- Nun eröffnet das Gericht das eigentliche Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter übernimmt nun gänzlich das Ruder im Unternehmen. Der Jurist prüft nun, wie es dem Unternehmen wirtschaftlich geht und was von der Firma verwertbar ist. Der Insolvenzverwalter informiert auch alle Gläubiger schriftlich über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und fordert sie auf, ihre offenen Forderungen bei der insolventen Firma anzumelden.
- Es folgt ein Berichtstermin, in dem der Insolvenzverwalter die Gläubiger über die vorhandene Insolvenzmasse, das Vermögen des Schuldners sowie die Anzahl der Gläubiger informiert. Die Gläubigerversammlung entscheidet dann, wie das Verfahren fortgeführt wird – also ob das Unternehmen saniert, zum Teil aufgelöst oder gänzlich stillgelegt wird.
- Nachdem der Insolvenzverwalter die Forderungen der Gläubiger entgegengenommen und formal geprüft hat, erstellt dieser eine Insolvenztabelle. Aus dieser gehen die Gläubiger, deren Forderungen und der Rang ihres Anspruchs hervor. Bei dem sogenannten Abstimmungstermin kommen die Gläubiger zusammen und stimmen über die Insolvenztabelle ab.
- Nun wird das Unternehmen im Sinne der Abstimmung beim Berichtstermin abgewickelt. Je nachdem, werden nun Beschäftigte gekündigt oder Geschäftsteile verkauft. Grundlage ist die Insolvenztabelle, die die Forderungen der Gläubiger aufteilt.
- In einem anschließenden gerichtlichen Prüfungstermin werden die Forderungen formaljuristisch bestätigt. Anschließend hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf.
Gut zu wissen: Es gibt die Möglichkeit, einen Insolvenzplan auszuarbeiten und dem Insolvenzgericht und Gläubigern vorzulegen. In diesem Fall kann ein Unternehmen sich sanieren und neu aufstellen. Der Insolvenzplan sollte jedoch schlüssig sein, damit die Gläubigerversammlung der Sanierung auch zustimmt.
Wann wird ein Insolvenzverfahren abgelehnt?
Ein Regelinsolvenzverfahren kann nur eingereicht werden, wenn das vorhandene Vermögen mindestens die Verfahrens- und Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens deckt. Ansonsten wird das Verfahren aufgrund mangelnder Masse abgelehnt.
Diese Hürde gibt es bei der Verbraucherinsolvenz nicht. Deckt die Insolvenzmasse nicht die Verfahrenskosten, kann eine natürliche Person eine Stundung der Kosten oder einen Verfahrenskostenvorschuss beantragen. Dann übernimmt vorerst die Staatskasse und das Insolvenzverfahren wird eröffnet.
- Privatinsolvenz: So lassen Sie Schulden hinter sich
- Endlich schuldenfrei: Wie melde ich eine Privatinsolvenz an?
Gut zu wissen: Zur Insolvenzmasse gehört der pfändbare Anteil an den materiellen und immateriellen Gütern des Unternehmens. Das sind Immobilien oder Grundstücke. Hinzu kommen etwa Produktionsmaschinen oder die sonstige Firmenausstattung. Forderungen, die das Unternehmen an andere hat, sowie Ansprüche aus Versicherungsverträgen und Bargeld gehören ebenso zur Insolvenzmasse.
Welche Insolvenzgläubiger gibt es?
Es gibt drei verschiedene Ränge der Gläubiger, die in ihrer Reihenfolge unterschiedlich bedient werden.
- Absonderungsberechtigte Gläubiger: Sie haben eine bevorzugte Rechtsposition im Insolvenzverfahren. Gläubiger mit diesem Status haben Sicherungs- und Verwertungsrechte an Gegenständen der Insolvenzmasse. Das können Banken sein, die eine Immobilie als Sicherheit für einen Kredit hinterlegt haben.
- Nicht nachrangige Gläubiger: Das sind Gläubiger, die zwar keine Sicherungsrechte haben. Allerdings gilt: Sie haben trotzdem eine Vorrangstellung gegenüber den nachrangigen Gläubigern – und so die Chance auf einen Teil der Insolvenzmasse.
- Nachrangige Gläubiger: Ihre Forderungen werden in der Regel nur in Ausnahmefällen bedient. Meist ist dann von der Insolvenzmasse nichts mehr übrig.
Gut zu wissen: Die sogenannte Insolvenzquote gibt an, wie groß der Anteil der Forderungen ist, die die Gläubiger erhalten. Meist ist sie sehr gering.
Was bedeutet eine Insolvenz für Beschäftigte?
Kommt es zu einer Firmeninsolvenz, besteht das Arbeitsverhältnis erst einmal weiter, kann jedoch vom Insolvenzverwalter gekündigt werden.
Dafür gilt eine Kündigungsfrist von drei Monaten – und das unabhängig von anderen gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.
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Wann erhalte ich Insolvenzgeld?
Wurde das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt, zahlt die Agentur für Arbeit den Arbeitnehmern ein Insolvenzgeld. Dieses muss vom Arbeitnehmer selbstständig beantragt werden.
Das Insolvenzgeld umfasst die letzten drei Monate bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gezahlt werden das Nettogehalt sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Sonderzahlungen. Für Besserverdienende gibt es Obergrenzen. Die Zahlung ist einmalig.
Beschäftigte als Gläubiger eines Unternehmens
Arbeitnehmer können zu Insolvenzgläubigern werden, wenn in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Lohn gezahlt wurde. In diesem Fall werden die Lohnforderungen – wie die Forderungen der anderen Gläubiger – auf der Insolvenztabelle erfasst.
Gut zu wissen: Ist der Arbeitgeber mit seinen Lohnzahlungen erheblich im Rückstand, hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht. Sie müssen somit nicht für lau arbeiten. Diese Regelung greift in der Regel ab drei ausstehenden Gehältern.
- Eigene Recherche
- Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
- Insolvenzordnung (InsO)
- Bundesagentur für Arbeit
- Gabler Wirtschaftslexikon
- advocado.de
- schuldnerberatung.de
- insoguide.de
- juracademy.de
- dhpg.de
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa