Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Koalition in der Corona-Krise Dümmer kann man es nicht machen
Mit den Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft hat die Bundesregierung in der Corona-Krise geliefert, mit dem Streit danach all ihre Erfolge aber wieder zerstört. Das ist unprofessionell – und offenbart, wie unfähig die große Koalition beim Krisenmanagement ist.
Der Koalitionsfriede hielt ziemlich genau fünf Stunden. Nachdem der Koalitionsausschuss in der Nacht zum Montag um halb drei morgens auseinandergegangen war, hieß es erst mal einträchtig, man sei "handlungsfähig". Man habe gemeinsam ein großes und sehr wirksames Paket auf den Weg gebracht, das die deutsche Wirtschaft und ihre Beschäftigten vor schweren Schäden in der Corona-Krise bewahren werde.
Wie man das Vertrauen der gerade erwachten Bürger sofort wieder verspielt, demonstrierte die SPD nur wenige Stunden später.
- Kommentar: Mit den Corona-Beschlüssen macht die Regierung vieles richtig.
Um kurz nach sieben am Montagmorgen sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) schlecht gelaunt im Deutschlandfunk, die CDU habe sich der vorzeitigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags verweigert. Sie wolle lieber die Reichen entlasten, als den Armen etwas mehr Geld zum Ausgeben zu lassen.
SPD hat Krisenkommunikation verlernt
Wenig später hatte auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans die Augen aufgeschlagen. Er twitterte, der Koalitionspartner CDU/CSU habe in der Nacht ein "Armutszeugnis" abgeliefert. Während die Aktienbörsen in Asien und danach in Europa zusammenbrachen, der Ölpreis ins Bodenlose fiel, arbeiteten sich die beiden SPD-Spitzen an ihrem Regierungspartner ab. Dümmer kann man es nicht machen, wenn man eine Krise bewältigen, das Vertrauen der Bürger gewinnen und handlungsfähig bleiben will. Die SPD hat das nicht verstanden.
Erinnern Sie sich? Als die Finanzkrise im Oktober 2008 heiß lief, gingen die Bundeskanzlerin und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gemeinsam in die Öffentlichkeit. Angela Merkel und Peer Steinbrück versprachen den Sparern, dass ihr Geld sicher sei. Eine einfache Botschaft, von den Partnern in der Regierung gemeinsam verkündet.
So beruhigt man die Bürger. In Wahrheit hätte natürlich niemand die Sparbücher der Deutschen retten können, wenn es tatsächlich zu einer Bankenpanik gekommen wäre. Doch die Einigkeit und Entschlossenheit der Regierung waren das Symbol: zuerst das Land, dann die Partei.
Eigene Erfolge wurden zunichtegemacht
In der Stunde der Not reißt man sich zusammen. Zu dieser Disziplin aber ist die aktuelle Bundesregierung offensichtlich nicht fähig. In einer Krise, in der die Bürger um ihre Gesundheit, ihren Wohlstand und ihre Freiheit fürchten, fällt man ein paar Stunden nach einem Krisentreffen öffentlich übereinander her.
Auch wenn für die Konjunktur das Richtige beschlossen, das Kurzarbeitergeld zu Recht ausgeweitet und die Liquidität der Unternehmen mit gutem Grund gesichert wurde, geht von dem Programm nicht der Hauch einer vertrauensbildenden Maßnahme aus. Denn die Autoren stehen nicht dahinter. Das ist die wahre Botschaft.
Finanzminister Scholz erklärte am Montag, die Regierung werde "alles tun können – und alles tun", um die Konjunktur zu retten. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dagegen sieht die Zeit für ein echtes Konjunkturpaket noch nicht gekommen. Noch zwei Botschaften aus den beiden Lagern, die nicht zusammenpassen.
Koalition nutzt jede Gelegenheit zum Streiten
Schlimmer noch: Statt um die ökonomische und finanzpolitische Stabilität des Landes zu kämpfen, liefern sich die beiden Minister einen erbitterten Streit um Personen. Als gäbe es nichts Wichtigeres zu tun, spinnen sie hingebungsvoll Intrigen, wer im kommenden (!) Jahr in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage aufrücken (oder wer bleiben) darf.
Von den Gutachten dieses Rates will zwar seit Jahren keine Regierung mehr etwas wissen. Doch wenn es eine Gelegenheit zum Streit gibt: Warum sollte man sie auslassen?
Dabei könnte alles anders sein: Wer nichts mehr zu verlieren hat, könnte frei aufspielen. Die Bundeskanzlerin hat angekündigt, im kommenden Jahr nicht noch einmal zur Wahl antreten zu wollen. Die SPD muss damit rechnen, dramatisch abgestraft zu werden.
Die politische Energie für ein Programm "gemeinsames Krisenmanagement" wäre gut investiert. Die Bürger bekämen vielleicht zum ersten Mal seit der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2017 das Gefühl, dass es um etwas anderes geht als um zwei Parteien, die die Schatten ihrer großen Vergangenheit nicht loswerden können.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".