Gute Zeiten gehen zu Ende Krankenkassen droht ein Defizit von zehn Milliarden Euro
Die guten Zeiten bei den Krankenkassen neigen sich dem Ende zu. Nun wird wieder um Milliarden gefeilscht. Müssen die Versicherten mehr zahlen? Die Arbeitgeber? Oder muss die Gesundheitsbranche bluten?
In der gesetzlichen Krankenversicherung droht nach neuen Zahlen absehbar wieder ein Milliardenloch. Mit Spannung wird erwartet, wem Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen zur Gesundheit die Rechnung präsentieren. Klar zeichnet sich bereits ein höherer Pflegebeitrag ab. Strittig ist, ob Privatversicherte künftig leichter zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wechseln können. Das SPD-Prestigeobjekt einer Bürgerversicherung lehnt die CDU strikt ab. Union und SPD erwägen, der Pharmaindustrie weiter einen Sparkurs zu verordnen.
Krankenkassen spätestens 2015 in den roten Zahlen
Spätestens 2015 rutsche die GKV ins Defizit, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn am Donnerstag nach Koalitionsverhandlungen für den Bereich. 2017 betrage das Defizit wohl bis zu zehn Milliarden Euro. Regierungsexperten hatten die schwarz-rote Verhandlungsgruppe informiert. Die Ausgaben würden steigen. Mit den zuletzt stets gestiegenen Milliardenreserven soll Schluss sein.
Im kommenden Jahr können laut Gesundheitsministerium erwartete Ausgaben der Krankenkassen von 199,6 Milliarden Euro durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds aber wohl noch abgedeckt werden. Zusatzbeiträge bräuchten die Kassen im Schnitt 2014 nicht.
Bürgerversicherung: Union gegen SPD
Die Union stemmt sich gegen eine Bürgerversicherung, mit der die SPD die GKV künftig finanziell absichern will. "Jeder, der das Wahlergebnis sieht, sieht, dass es eine Bürgerversicherung nicht geben kann und nicht geben wird", sagte Spahn.
Auch eine leichtere Rückkehr von Privatversicherten in die GKV lehnte er ab. "Ich sehe nicht, was eine solche Wechselmöglichkeit bringen soll, sondern es geht darum, innerhalb des privaten Krankenversicherungssystems und innerhalb der Unternehmen Tarifwechsel möglich zu machen." Mangelnde Beratung erschwere dies.
SPD: Privatversicherung hat gravierende Probleme
SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach dagegen betonte, die Probleme in der privaten Krankenversicherung (PKV) seien gravierend. "Viele ältere Privatversicherte fürchten sich vor Altersarmut." Reformbedarf gebe es aber in PKV und GKV. "Uns geht es nicht um Gesamtkonzepte oder eine Ideologie." Heute ist ein Wechsel von der PKV in die GKV nur schwer möglich.
Unklar ist, ob künftige Kostensteigerungen weiter allein die Arbeitnehmer über Zusatzbeiträge und Steuerzahler tragen sollen oder ob die Arbeitgeber stärker in Verantwortung gezogen werden.
Die Pflege wird Versicherte künftig wohl mehr kosten
In der Pflege werde es mehr Bedarf geben, sagte Spahn. "Es ist Konsens aller drei Parteien, dass das auch mehr Leistungen notwendig macht und sicher auch mit mehr Kosten und höheren Beiträgen verbunden sein wird." Die SPD will bisher eine Anhebung um 0,5 Punkte. Derzeit gilt ein Satz von 2,05 Prozent, für Kinderlose 2,3 Prozent.
Bei den Arzneimitteln erwägen Union und SPD wegen eines befürchteten Kostenschubs, die Hersteller weiter zu großen Preisnachlässen zu zwingen. Aufwendige Verfahren, den Nutzen von millionenfach angewendeten Medikamenten neu zu hinterfragen, könnten dagegen eingestellt werden. "Wir werden uns alles anschauen, was Sinn macht", sagte der CSU-Gesundheitsexperte Johannes Singhammer.
Ein Aus beim Arznei-Rabatt wäre eine weitere Belastung
Seit vielen Jahren müssen Pharmafirmen den Kassen einen gesetzlich vorgeschriebenen Nachlass auf Medikamente gewähren. 2010 hatte Schwarz-Gelb den Zwangsrabatt von sechs auf 16 Prozent erhöht - zum Leidwesen der Pharmabranche. Der Rabatt läuft Ende des Jahres aus. Die scheidende schwarz-gelbe Koalition werde den Rabatt wohl nicht mehr verlängern, hieß es in der Branche. Kassen-Schätzungen zufolge drohen Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro.