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Japans Geldpolitik: Aktionäre in Angst vor dem Land ohne Zinsen


Meinung
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Japans Geldpolitik
Die Angst vor dem Land ohne Zinsen

MeinungEin Gastbeitrag von Daniel Saurenz

Aktualisiert am 09.08.2023Lesedauer: 3 Min.
Die größte Weltmetropole ist die japanische Hauptstadt Tokio. Mit der größten Bevölkerungsdichte und Stadtteilen, in denen es viel zu entdecken gibt.Vergrößern des Bildes
Skyline der japanischen Hauptstadt Tokio: Die drittgrößte Volkswirtschaft ändert allmählich ihre geldpolitische Ausrichtung. (Quelle: AlpamayoPhoto/getty-images-bilder)

In Deutschland ist die Nullzinsphase kein Thema mehr. In Japan dagegen waren Nullzinsen jahrzehntelang die Regel. Doch jetzt ändert sich etwas radikal.

Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem Land mit Nullzinsen und legen Ihr Geld im Ausland an. Dieses Spiel funktioniert Jahr für Jahr, weil die zuständige Notenbank praktisch eine Systemgarantie abgegeben hat. Die Bank of Japan ist weltweit der größte und letzte Anker für niedrigste Zinssätze. Japanische Investoren haben auf der Suche nach Renditen mehr als 3 Billionen US-Dollar im Ausland angelegt. Damit sind sie auch für die so wichtige Entwicklung von US-Staatsanleihen mitverantwortlich.

Denn wer dort anlegt, drückt die Renditen, und wer sein Geld abzieht, begünstigt eher steigende Renditen im Zielland. Das würde mittelbar auch nach Europa ausstrahlen, "denn der sogenannte Carry-Trade hat Auswirkungen auf Devisenmarkt und Realwirtschaft", findet Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Spezialisiert auf den Devisen-, also FX-Markt, handeln Anleger dort besonders aktiv die Währungspaare Euro und US-Dollar zum Yen sowie verschiedene weitere Kombinationen. Und die Volatilität steigt.

Daniel Saurenz von Feingold Research begleitet Sie als Experte durch das Börsengeschehen.
Daniel Saurenz von Feingold Research begleitet Sie als Experte durch das Börsengeschehen. (Quelle: Goldlicht Fotografie)

Zur Person

Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen ihn auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.

Alle Gastbeiträge von Daniel Saurenz lesen Sie hier.

Was sind schon 0,5 Prozent?

Denn 0,5 oder 0,7 Prozent Rendite für zehnjährige Anleihen sind auf den ersten Blick kein großer Unterschied. Und doch ist der kleine Sprung bei den japanischen Zinsen ein erster Fingerzeig, der erfahrene Börsianer aufschreckt. Immerhin hat Japans Notenbank seit 2016 erfolgreich verhindert, dass der Schlüsselsatz über 0,5 Prozent anzieht. Nun wendet sich aber auch in der drittgrößten Volkswirtschaft allmählich die geldpolitische Ausrichtung.

Der Kampf gegen die Deflation rückt in den Hintergrund, auch in Japan steht Inflation im Fokus. Sollten die Japaner allerdings Ernst machen und einen Straffungskurs einschlagen, dürften vielen Großinvestoren schlaflose Nächte bevorstehen. "Immerhin haben die Japaner rund 1,1 Billionen Dollar in amerikanischen Staatsanleihen investiert und sind der größte Gläubiger. Stichwort ist hier der gigantische Carry-Trade", erklärt Stefan Riße von der Fondsgesellschaft Acatis und Autor des Buchs "Die Inflation kommt".

Carry-Trade als Basis

Bei dieser Währungsspekulation leihen sich Anleger Yen zu einem tiefen Zinssatz und investieren das Geld in andere Währungen, Anleihen oder sogar Aktien. Zumindest bei der reinen Währungsspekulation sind die Risiken eher gering, denn man erhält hohe Zinsen für das investierte Geld und zahlt nur einen geringen Satz für das geliehene Kapital. Japan und die USA sind dafür das beste Beispiel und entsprechend beliebt.

Der Yen ist am kurzen Ende – sprich bei kurzen Laufzeiten – sehr niedrig verzinst. Zweijährige Anleihen stehen bei 0,02 Prozent, während ihre amerikanischen Pendants mit fünf Prozent locken. Eine hervorragende Ausgangslage für Carry-Trade-Händler, zumal die Währung im Hochzinsland, also der Dollar, sogar gegen den Yen aufwertete. Wenn viele Akteure dieses Spiel mitmachen, erhöht dies die Nachfrage nach hochverzinslichen US-Anleihen und der Dollar zeigt Stärke. Dies führt zu weiteren Gewinnen und lockt neue Spekulanten an, ein sich selbst verstärkender Effekt setzt ein.

Gier bricht irgendwann

Nun wissen wir seit Michael Douglas´ "Gier ist gut"-Rede im Filmklassiker "Wall Street", dass man es gerade mit der Gier nicht übertreiben sollte. Daten der US-Terminmarktbörse zufolge waren US-Händler zuletzt massiv in Richtung steigende Renditen positioniert. Bedeutet: Der Weg des größten Schmerzes, und diesen Weg geht die Börse häufig, wären fallende US-Renditen. In diesem Fall würde der Renditevorteil gegenüber japanischen Papieren schrumpfen und Yen-Short-Positionen müssten eingedeckt werden. "Wenn aber der Dollar-Yen-Wechselkurs fällt und die Renditedifferenz sinkt, stehen die Carry-Trade-Spekulanten von zwei Seiten unter Druck", so RoboMarkets-Experte Molnar.

Wer schon länger an der Börse aktiv ist, kann sich noch gut an die Yen-Aufwertungsphasen zwischen 2007 und 2011 sowie ab Mitte 2015 bis Sommer 2016 erinnern. "Damals kamen die Aktienmärkte empfindlich unter Druck, während die US-Renditen zulegten. Lösen Anleger Carry-Trade-Positionen auf, sinkt die Liquidität und Kapital wird vor allem aus risikoreicheren Anlageklassen abgezogen", erklärt Salah-Eddine Bouhmidi, Head of Markets bei IG und verantwortlich für Marktresearch in Deutschland.

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Foto Benjamin FeingoldAusgewählt von unserem Börsenexperten Benjamin Feingold
Für wen geeignet?Mittel- bis Langfristanleger
In welcher Marktsituation geeignet?Steigende Kurse im Nikkei 225
Risikoklasse: Mittel
Laufende Gebühren: Keine
Für wen geeignet?Kurz- bis Mittelfristanleger
In welcher Marktsituation geeignet?Steigender Yen beziehungsweise fallender US-Dollar
Risikoklasse: Hoch
Laufende Gebühren: Keine

Amerikaner haben eigentlich Sorgen genug

Für das US-Finanzministerium kommen die aktuellen Sorgen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. "Um den Haushalt zu stemmen, muss Washington im laufenden Quartal Anleihen im Volumen von einer Billion Dollar begeben und damit 274 Milliarden mehr als bisher angekündigt", rechnet Franz-Georg Wenner vom Börsendienst Indexradar vor. In den kommenden Monaten dürfte das Neuemissionsgeschäft daher hoch bleiben. Anhaltend hohe Haushaltsdefizite lassen sich nur über steigende Renditen finanzieren, zumal die Fed ihre Bilanz abbaut.

Man darf gespannt sein, wie lange die Währungshüter dies noch umsetzen. US-Finanzministerin Janet Yellen hat zum Glück gute Kontakte zur Fed. Für die Unternehmen wird die Luft aber schon jetzt dünner, denn die Refinanzierungsbedingungen werden immer schwieriger. Hier liegt die oft unterschätzte kritische Verknüpfung zwischen Aktien- und Anleihemarkt.

Transparenzhinweis
  • Der Artikel stellt keine Kauf- oder Anlageberatung dar. Auf Finanzanalysen von Dritten hat die t-online-Redaktion keinen Einfluss.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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