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Börse: Hoffen auf die Jahresendrally – ist 2022 noch zu retten?


Meinung
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Börsenjahr 2022
Kehrt jetzt der Optimismus zurück?

  • t-online-Kolumnistin Jessica Schwarzer
MeinungEin Gastbeitrag von Jessica Schwarzer

Aktualisiert am 17.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Geldstück und eine Banknote: Die extrem hohe Inflation bremst die Sparer aus. (Quelle: IMAGO/Silas Stein)

2022 war bisher kein gutes Jahr, auch an der Börse nicht. Nun hoffen Anleger auf die Jahresendrally. Der Startschuss könnte in den kommenden Tagen fallen.

Dax minus 22 Prozent, S&P 500 minus 23 Prozent, Nasdaq 100 minus 32 Prozent – rote Vorzeichen, wohin wir schauen. Auch die Börsen-Superstars Amazon, Apple oder Tesla sind kräftig unter die Räder gekommen. Selbst Gold – eigentlich ein sicherer Hafen in Krisenzeiten – beschert uns Verluste von gut 9 Prozent. Manch Privatanleger würde sich aber wohl freuen, wenn sein Depot "nur" 9 Prozent verloren hätte. Oft sind die Verluste größer.

Geht 2022 als extrem schlechtes Börsenjahr in die Geschichte ein? Ob das Jahr für Aktionäre noch zu retten ist, könnte sich bereits in den kommenden Tagen entscheiden. Das vierte Quartal ist statistisch nämlich eigentlich das beste. Deshalb hoffen viele Privatanleger Jahr für Jahr auf die Jahresendrally. Die läuft übrigens nicht unbedingt in den letzten Wochen oder gar Handelstagen des Jahres, sondern startet in der Regel schon früher.

Die Statistik spricht für eine Jahresendrally

Können wir also mit einem goldenen Herbst rechnen, oder fällt er ins Wasser? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Eigentlich bin ich als Rheinländerin grundoptimistisch. Aber im Augenblick fällt mir der Optimismus schwer.

Es gibt zu viele Risiken, zu viele Probleme, zu viel Unsicherheit: der Krieg in der Ukraine, die hohen Energiepreise, die galoppierende Inflation, die kräftige Zinswende, die gestörten Lieferketten. Die meisten Ökonomen rechnen zum Jahreswechsel sogar mit einer ausgewachsenen Rezession, in den USA und auch in Europa. Das alles lastet auf der Stimmung, auch auf meiner. Andererseits spricht die Statistik eben für eine Jahresendrally. Und noch zwei Dinge sprechen dafür.

t-online-Kolumnistin Jessica Schwarzer
(Quelle: Michel Passin)

Die Finanzexpertin

Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Mitte März 2024 ist ihr siebtes Buch "Erfolgreich investieren mit den besten Börsenstrategien" im Börsenbuchverlag erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.

Alle Gastbeiträge von Jessica Schwarzer lesen Sie hier.

Die Rezession ist schon einkalkuliert

Erstens: Die Finanzmärkte haben vieles bereits eingepreist. Das heißt, all die negativen Faktoren, selbst die kommende Rezession, stecken schon in den Kursen. Das ist zwar keine Garantie dafür, dass es nicht noch weiter runtergeht, aber eine böse Überraschung sollten schwache Konjunkturdaten eigentlich nicht sein.

Allerdings ist die Nervosität sehr hoch. Das haben wir am vergangenen Donnerstag erlebt. Enttäuschende Inflationszahlen aus den USA ließen die Kurse massiv abstürzen. Ein paar Stunden später war der Spuk jedoch schon wieder vorbei, die Aktienbörsen schlossen sogar im Plus. Solche Ausschläge werden wir in den kommenden Wochen noch öfter erleben. Das ändert aber nichts daran, dass vieles eben doch schon eingepreist ist.

Schlechte Stimmung ist ein gutes Zeichen

Kommen wir zu zweitens: Dass die Stimmung bei privaten, aber auch bei professionellen Anlegern so schlecht ist, ist eigentlich ein gutes Zeichen. Viele stehen an der Seitenlinie, warten erst mal ab mit Investitionen. Doch oft braucht es nur eine halbwegs gute Nachricht und sie steigen ein. Dann könnten die Kurse schnell wieder drehen und kräftig steigen. Das haben wir im Sommer schon mal erlebt. Die Erholung war aber leider eine Bärenmarktrally. Nach wenigen Wochen war sie vorbei und es ging wieder abwärts.

Der Startschuss für eine nachhaltige Erholung könnte in den kommenden Tagen fallen. Denn in den USA beginnt die Berichtssaison. Wie kommen die Unternehmen durch die Krise? Weiterhin relativ gut? Wie fallen die Prognosen aus? Blicken die Konzernchefs wieder etwas optimistischer in die Zukunft?

Sensationelle Zahlen werden wir kaum sehen, extrem positive Prognosen wohl auch nicht. Die Inflation belastet, die hohen Energiepreise, die steigenden Finanzierungskosten – Stichwort Zinswende – ebenfalls. Aber vielleicht reicht es auch, wenn die Ausblicke nicht zu schlecht sind, wenn sie verhalten positiv ausfallen. Denn wenn die Stimmung so schlecht ist wie augenblicklich, dann ist selbst das schon eine positive Überraschung. Deshalb spricht die extrem schlechte Stimmung eigentlich für den Einstieg.

Das Risiko für weitere Rücksetzer bleibt hoch

Falls die Berichtssaison aber schlechter ausfällt als erwartet, dann könnte es weiter abwärtsgehen. Fällt sie viel schlechter aus, sind die Prognosen extrem düster, dann könnte es noch mal richtig knallen an der Börse. Dieses Risiko gibt es. Auch deshalb ist die Nervosität noch immer so groß. So ehrlich muss man sein. Irgendwann wird aber auch diese Krise enden.

Und langfristig sind solche Krisen gute Einstiegsmöglichkeiten. Vor allem wenn Sie langfristig und breit gestreut anlegen, dann könnte der Herbst 2022 in einigen Jahren rückblickend eine tolle Kaufgelegenheit gewesen sein – auch wenn es noch einmal ein bisschen ruckelt, noch weitere Rücksetzer gibt und sogar wenn die Jahresendrally doch ausfällt.

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Apropos Jahresendrally. Leider habe ich keine Glaskugel. Aber wenn selbst eine grundoptimistische Rheinländerin zweifelt, dann kann das doch eigentlich nur ein gutes Zeichen sein, oder? Ich werde in den kommenden Wochen noch einmal beherzt nachkaufen. Das hat aber wenig mit der aktuellen Marktlage zu tun oder der Stimmung, sondern mit meinen sehr klaren Investmentregeln.

Wenn die Märkte mehr als 20 Prozent zurückkommen, kaufe ich nach. Außerdem steht zwischen Weihnachten und Neujahr mein alljährliches Rebalancing an. Ich bringe die einzelnen Positionen in meinem Depot wieder in das gewünschte Gewicht. Und das am liebsten, indem ich investiere. Ob das vor, nach oder mitten in der Jahresendrally passiert, interessiert mich nicht. Aber natürlich würde ich mich freuen, wenn die Kurse in den kommenden Wochen einen kleinen Turbo zünden.

Transparenzhinweis
  • Der Artikel stellt keine Kauf- oder Anlageberatung dar. Auf Finanzanalysen von Dritten hat die t-online-Redaktion keinen Einfluss.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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