Viele vom Job abgeschreckt Schulleiter sind an allen Fronten gefordert
Hannover (dpa/lni) - Ann-Charlott Meinen leitet eine Grundschule, für sie ist das eine Berufung. Sie liebt es, Schule zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen oder Projekte mit Partnerschulen im Ausland zu planen. Für all das, was sie an dem Beruf so mag, bleibt ihr im Alltag wenig Zeit - erst recht in der Corona-Pandemie.
Denn: Sie muss die Corona-Tests organisieren, Unterrichtsausfälle für kranke Kollegen ausgleichen, sie arbeitet an Statistik und Verwaltungsaufgaben, kümmert sich um den Datenschutz, bereitet Konferenzen vor und führt Elterngespräche. Und ganz nebenbei muss sie unterrichten: 15 Unterrichtsstunden pro Woche.
Die 51-Jährige leitet die Christophorus-Grundschule in Bad Zwischenahn im Landkreis Ammerland, eine katholische Bekenntnisschule mit nur 57 Schülerinnen und Schülern. "Bei kleinen Schulen geht es bis zum Schneeschippen, was ein Schulleiter alles machen muss", sagt Meinen lachend.
Einige haben in der Pandemie den Job geschmissen
Aber bei der hohen Belastung, mit der viele Schulleiter kämpfen müssen, dürfte den meisten wohl eher nicht zum Lachen zumute sein. Nach Angaben des niedersächsischen Schulleitungsverbandes haben schon einige Schulleiterinnen und Schulleiter in der Pandemie ihren Job geschmissen. Eines der Hauptprobleme sei die Bezahlung, meint Verbandschef René Mounajed. Vor allem an Grundschulen liege die Bezahlung der Schulleitung nur geringfügig über der einer normalen Lehrkraft - und damit mehrere Gehaltsstufen unter der einer Gymnasialschulleitung. "Schulleiter wird man nicht des Geldes wegen", sagt Mounajed, der selbst eine Gesamtschule in Hildesheim leitet.
Zeitmangel und notorische Unterbesetzung
Ein weiteres Problem sei, dass es oft an Zeit fehle, um wichtige Leitungsaufgaben zu erfüllen. "Eine Grundschulleitung hat teilweise noch 20 Stunden selber Unterricht. Das kann nicht wahr sein", kritisiert der Verbandschef. Immerhin müssten Grundschullehrer in der Pandemie vier Unterrichtsstunden weniger unterrichten. In Anbetracht der vielfältigen Aufgaben reiche das aber hinten und vorne nicht.
Die Grundschullehrerin Katja Tank könnte wahrscheinlich ein Buch darüber schreiben. Sie leitet seit fünf Jahren die Hinrich-Wolff-Schule in Bergen. Ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit: ungefähr 70 Stunden. "Ein Wochenende besteht bei mir in der Regel aus einem Tag für Familie und Haushalt und der andere Tag ist schon wieder Schule", sagt die 50-Jährige. Sie mache das aus Überzeugung. Im Gegensatz zur Lage an anderen Schulen habe sie immerhin das große Glück, eine Konrektorin zu haben.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Einer ganzen Reihe von Schulen in Niedersachsen fehlt die Schulleitung völlig. Anfang Februar teilte das Kultusministerium mit, dass derzeit 150 Schulleiterstellen nicht besetzt seien, vor allem im ländlichen Raum sei dies ein Problem. In Niedersachsen gibt es rund 3000 Schulen.
Wenn ein Schulleiter fehlt, kann eine Lehrkraft vorübergehend die Stelle besetzen. So wie Jutta Bauer, die kommissarische Leiterin einer Grundschule auf dem Land in Niedersachsen ist. Bauer heißt eigentlich anders, möchte aber anonym bleiben. Seit einem Jahr ist die Stelle an ihrer Schule nicht besetzt, im vergangenen Sommer übernahm sie übergangsweise die Funktion. Mehr Geld bekomme sie aber nicht: "Erst wenn du ein Jahr auf dem Posten bist, kriegst du eine Gehaltserhöhung." Die personelle Lage an ihrer Schule sei generell schlecht. "Wir sind komplett unterbesetzt", sagt die Pädagogin. Daher leiteten drei Kollegen jeweils zwei Klassen gleichzeitig.
Komplizierte Verwaltung erschwer t Job-Alltag
Besonders mühselig findet die kommissarische Schulleiterin die Verwaltungsaufgaben: "Man bräuchte fast 'ne halbe BWL-Ausbildung, um das zu verstehen." Sie könne gut nachvollziehen, dass das auf viele Lehrer abschreckend wirke und die Nachfrage nach den entsprechenden Stellen gering sei.
Bauer, Meinen und Tank kritisieren, dass es in Niedersachsen bislang keine spezielle Ausbildung für Schulleiter gibt. Die erforderlichen Qualifikationen müssten demnach nach Antritt der Stelle eigenständig oder durch Fortbildungen erarbeitet werden. Zumindest das soll sich in Zukunft ändern, das Kultusministerium kündigte Mitte Februar an, eine berufsbegleitende Vorabqualifizierung in die Wege zu leiten. Damit sollten interessierte Lehrkräfte bestmöglich auf ihre Rolle vorbereitet werden.
Trotz der hohen Belastung eint Meinen, Tank und Bauer die Leidenschaft für ihren Beruf. "Als Schulleiterin braucht man sehr viel Herzblut", betont Meinen. Deswegen machen alle drei weiter. Für Bauer gibt es in diesem Sommer Entlastung, dann wird endlich eine neue Schulleiterin eingestellt. Verantwortung möchte Bauer aber weiterhin tragen: Sie bewirbt sich nun auf die Konrektorenstelle.