Datenbank-Auswertung Weniger Frauen im Vorstand großer Unternehmen
Frankfurt/Main (dpa) - Aufstieg gebremst: Erstmals seit Jahren ist der Anteil von Frauen in der Topetage deutscher Börsenschwergewichte gesunken. Zum Stichtag 1. September 2020 saßen in den 30 Dax-Konzernen 23 Managerinnen im Vorstand, wie aus einer Untersuchung der gemeinnützigen Allbright Stiftung hervorgeht.
Vor einem Jahr waren es noch 29. Die Geschäftsführer der Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg, sprachen von einem deutschen Sonderweg in Krisen-Zeiten im Vergleich zu anderen Industrieländern. Die SPD-Ministerinnen Christine Lambrecht und Franziska Giffey kritisierten den Rückgang scharf.
"Die Entwicklung gefährdet nicht zuletzt das Ansehen der deutschen Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen", sagte Bundesjustizministerin Lambrecht. "Die Studie zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit, dass wir mit freiwilligen Lösungen nicht weiterkommen." Auch Bundesfrauenministerin Giffey forderte mehr verbindliche Vorgaben. Der Union warf sie "beharrlichen" Widerstand vor gegen den Gesetzentwurf für mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten.
Firmen ab einer bestimmten Größe - in der Regel ab 2000 Beschäftigten - müssen seit Anfang 2016 frei werdende Aufsichtsratsposten mit Frauen neubesetzen, bis mindestens ein Frauenanteil von 30 Prozent erreicht ist. Vorgaben zur Besetzung von Vorständen gibt es bisher nicht. Giffey und Lambrecht hatten dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der liegt wegen Widerstands in der Union auf Eis.
Die SPD-Pläne sehen vor, dass Vorstände großer börsennotierter Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern künftig bei Neubesetzungen mit wenigstens einer Frau besetzt sein sollen, wenn das Führungsgremium mehr als drei Mitglieder hat.
"Was auch immer Aufsichtsräte dazu veranlasst, in der Krise nun sogar noch verstärkt auf Männer in den Vorständen zu setzen - es ist ein kurzsichtiger Reflex, der zeigt, wie wenig verankert die Vielfalt von Perspektiven an deutschen Unternehmensspitzen ist", kritisierte Ankersen.
Im internationalen Vergleich sind die deutschen Börsenschwergewichte der Studie zufolge weiter zurückgefallen. Der Anteil weiblicher Führungskräfte im Vorstand sank auf 12,8 Prozent. Es war der niedrigste Stand seit 2017 und der erste Rückgang seit der ersten Untersuchung 2016. In den USA stieg der Frauenanteil in der Top-Etage von 30 Börsenschwergewichten innerhalb eines Jahres dagegen auf 28,6 Prozent, in Schweden auf 24,9 Prozent, in Großbritannien auf 24,5 Prozent, in Frankreich auf 22,2 und in Polen auf 15,6 Prozent. Die Zuwächse lagen zwischen 0,8 Prozent (USA) und 2,6 Prozent (Polen).
"Nur wenn Frauen und Männer gemeinsam Verantwortung übernehmen, können wir in diesen herausfordernden Zeiten Erfolg haben", schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Schlusswort. Die Zahlen der deutschen Unternehmen stünden im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, in denen der positive Trend anhalte und die Ergebnisse deutlich besser ausfielen.
Die zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, forderte: "Die Große Koalition muss jetzt endlich handeln! Die Zielzahl "Null" in Vorständen vieler Unternehmen ist kein Ziel, sondern ein Armutszeugnis." Nur feste Quoten garantierten die notwendigen Veränderungen.
Die 160 Unternehmen der Börsenindices Dax, MDax und SDax sind zwar gesetzlich verpflichtet, feste Zielgrößen für die Steigerung des Frauenanteils in ihren Vorständen zu nennen. Sie können dabei aber als Ziel "Null" Frauen im Vorstand anstreben. 55 der Firmen, die noch keine Managerin in der Führungsebene haben, formulierten der Studie zufolge zuletzt das Ziel "Null". Darunter sind auch vier Dax-Konzerne.
Der Studie zufolge gab es zum Stichtag elf Dax-Konzerne ohne eine einzige weibliche Führungskraft im Vorstand. Ein Jahr zuvor waren es lediglich sechs Unternehmen. In allen 30 Dax-Konzernen liegt der Frauenanteil im Vorstand demnach unter 30 Prozent. In nur vier Unternehmen sitzen mehrere Managerinnen in der Topetage. Dazu zählen Allianz, Daimler, Deutsche Telekom und Fresenius Medical Care. Dagegen haben beispielsweise 97 Prozent der US-Großunternehmen und 87 Prozent der französischen Topkonzerne mindestens zwei Frauen im Vorstand.
Die deutsch-schwedische Allbright Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft ein.