Karriere-Ratgeber Keine Plaudertasche? Job-Tipps für stille Wasser
Kommunikation ist in vielen Jobs das A und O. Doch was, wenn man eher in sich gekehrt ist? Dann muss das noch keine Karrierebremse sein. Denn auch für ruhigere Typen gibt es passende Stellen. Nicht teamfähig zu sein, ist dagegen ein echtes Problem.
Manche Menschen sind eher in sich gekehrt und keine Plaudertaschen – und arbeiten auch im Berufsleben lieber still vor sich hin. "Das Team bin ich!", würden sie am liebsten im Bewerbungsschreiben oder im Vorstellungsgespräch verkünden. Aber Vorsicht: Dieser Satz kommt selten gut an.
Ohne Teamfähigkeit geht es nicht
"Teamfähigkeit ist ein absolutes Muss", sagt Julia Siems, Beraterin in Düsseldorf bei der Karriereberatung von Rundstedt. Das ist im Berufsleben so, privat aber auch. Denn irgendwie ist jeder Teil einer Gemeinschaft – ob das nun die Familie, der Freundeskreis oder der Sportverein ist. Überall muss man sich einfügen, Kompromisse schließen und sich auch mal selbst reflektieren.
Teamfähigkeit ist nicht gleich Kommunikationsfähigkeit
Und das können zum Glück auch die eher stillen Wasser: Denn wenn Menschen introvertiert sind und gerne für sich arbeiten, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht teamfähig sind. Darauf weist Martin Lieneke von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hin. Die Begriffe kommunikations- und teamfähig werden zwar oft synonym verwendet – sind es aber nicht.
Teamfähigkeit heißt nicht, immer klein beizugeben
Über den Begriff Teamfähigkeit gibt es zum Teil ohnehin diffuse Vorstellungen. Darauf weist auch Thomas Röser vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung hin. "Teamfähig zu sein, bedeutet nicht, ständig mit allen Kollegen bestens auszukommen, sich anderen kompromisslos unterordnen zu müssen, sich für seine Meinung zu schämen oder gar seine eigene Persönlichkeit aufzugeben."
Respekt, Rücksichtnahme, Kritikfähigkeit
Vielmehr ist jemand teamfähig, der oder die sich in einer Gruppe einordnet, die Hierarchie in diesem Bereich anerkennt, sich an Abmachungen hält und mit Gleichgestellten auf Augenhöhe kommuniziert. Hinzu kommen weitere Faktoren: Respekt für die Meinungen anderer, Rücksichtnahme, Kritikfähigkeit.
Gemeinsame Ziele sind wichtig
An erster Stelle steht aber natürlich, dass man mit anderen auf ein Ziel hinarbeitet. "Das muss aber nicht zwangsläufig in Gruppenarbeit oder in einem Großraumbüro erfolgen", erklärt Röser. Auch in einem ruhigen Winkel, in einem Einzelbüro oder im Homeoffice lässt sich die Arbeit gut erledigen.
Und was, wenn jemand tatsächlich nicht oder wenigstens weniger teamfähig ist? Dann sollte man an sich arbeiten, rät Lieneke. So kann man etwa abends den Tag Revue passieren lassen, sich überlegen, was gut und was weniger gut gelaufen ist und daraus dann Schlüsse ziehen, was man am nächsten Tag gegebenenfalls besser machen kann.
Einen Beruf finden, bei dem man nicht ständig reden muss
Ist jemand eher introvertiert, muss er sich dagegen nicht ändern. Er sollte aber vielleicht einen Beruf wählen, in dem es zum Beispiel weniger Kundenkontakt gibt. "Einer, der im Gespräch sehr verschlossen ist und dem man jedes Wort quasi aus der Nase ziehen muss, sollte wohl nicht gerade den Beruf des Veranstaltungskaufmanns wählen", erklärt Lieneke.
Introvertiertheit passt zu manchen Berufen gut
In bestimmten Berufen der Finanzwelt sind stille Menschen aber sogar besonders gut: etwa als Buchhalter, als Wirtschaftsprüfer, als Controller oder als Sachbearbeiter im Finanzamt. "Bei diesen Tätigkeiten kann es vielleicht sogar zwingend sein, dass man statt zu reden sich hochkonzentriert in Zahlen vertieft", sagt Röser.
Und auch bestimmte kreative Berufe sind für introvertierte Menschen oft die richtige Wahl – etwa wenn es darum geht, als Mitarbeiter einer Werbeagentur eine überzeugende Kampagne für ein neues Produkt auszutüfteln. Oder als Übersetzer zu arbeiten: "Schriftlich Texte von einer Sprache in die andere zu übersetzen erfordert höchste Konzentration, da muss man sehr bei sich sein", betont Siems. Gleiches gilt, wenn man etwa als Grafik-Designer tätig ist.
IT-Spezialisten oder Techniker brauchen ebenfalls nicht zwingend eine ausgeprägte kommunikative Ader – sie sind eher darauf fokussiert, Programme zu entwickeln und bei Problemen die richtige Lösung zu finden. Wer für sein Unternehmen die Social-Media-Kanäle bedient, hat wenig Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, sondern bleibt eher schriftlich im Kontakt mit der Außenwelt.
Tipp: sich nicht verstellen
Job-Gelegenheiten für Introvertierte gibt es also genug. Deshalb schadet es auch nicht, selbstbewusst dazu zu stehen. "Niemand sollte sich bei einer Bewerbung als kommunikationsstark und extrovertiert darstellen, wenn er es definitiv nicht ist", empfiehlt Lieneke.
Also: Immer bei der Wahrheit bleiben und sein gegebenenfalls introvertiertes Wesen positiv darstellen. Dann kann man sich etwa als "gewissenhaft" beschreiben oder als "Tüftler" und auch mitteilen, dass man im Berufsalltag eine Zeit des Rückzugs braucht, um Ideen zu entwickeln oder konzentriert arbeiten zu können.
Der Arbeitsplatz sollte passend gewählt sein
Bewerber um einen Arbeitsplatz, die gerne für sich arbeiten, sollten sich am besten gleich beim Vorstellungsgespräch erkundigen, ob es auch Rückzugsmöglichkeiten gibt oder ob die Arbeit dann und wann auch im Homeoffice erledigt werden kann, rät Siems. Ist dies nicht der Fall, dann passt es einfach nicht. "Dann sollte der Arbeitnehmer sich nach einem anderen Unternehmen umsehen."