"Deutsche Erzeugung akut bedroht" Gemüseernte im Jahr 2022 stark gesunken
Hitze, Trockenheit, weniger Fläche: Die Gemüseernte ist im vergangenen Jahr eingebrochen. Der Bauernverband sieht auch politische Hindernisse.
Die Menge an geerntetem Gemüse in Deutschland ist im vergangenen Jahr auch wegen Hitze und Trockenheit deutlich gesunken. Insgesamt wurden 3,8 Millionen Tonnen geerntet und damit zwölf Prozent weniger als im Rekordjahr 2021, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Das waren auch zwei Prozent weniger als im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2021. "Ursächlich dafür waren neben einer geringeren Anbaufläche unter anderem die Hitze und Trockenheit im Sommer 2022", erklärte das Statistikamt die Entwicklung.
Bei Möhren brach die Erntemenge im abgelaufenen Jahr mit 19 Prozent besonders stark ein, bei Speisezwiebeln gab es ebenfalls ein überdurchschnittliches Minus von 13 Prozent. Die gesamten Anbauflächen für Gemüse sanken im vergangenen Jahr um vier Prozent auf gut 126.400 Hektar. Sie entsprachen damit nahezu dem Schnitt der Jahre 2016 bis 2021.
Bauernverband: Keine Situation wie in Großbritannien
Der Deutsche Bauernverband warnte angesichts zahlreicher Belastungen vor Einschnitten. "Die deutsche Erzeugung von Obst und Gemüse, insbesondere bei arbeitsintensiven Kulturen, ist akut bedroht", sagte dessen Präsident Joachim Rukwied der Nachrichtenagentur Reuters. Vor allem der Mindestlohn von zwölf Euro und nationale Einschränkungen bei Pflanzenschutz und Düngung belasteten die Betriebe. Das mache es den heimischen Bauern schwerer, wettbewerbsfähig zu bleiben. "Die Gefahr, dass noch mehr Lebensmittel aus dem Ausland kommen, ist groß", sagte Rukwied.
Leere Regale wie aktuell in Großbritannien erwartet der Bauernverband allerdings nicht. "Großbritannien ist ähnlich wie Deutschland bei Gemüse und Obst von Importen vor allem aus Südeuropa abhängig", sagte Rukwied. "Dabei macht der Brexit den Unterschied." Die bürokratischen und zeitaufwendigen Zollformalitäten schreckten viele Händler ab, die knappe Ware bleibe auf dem Kontinent. "Die Meldungen von der Insel beweisen also den großen Vorteil des EU-Binnenmarktes für die sichere Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland", sagte Rukwied.
Ökologische Ernte ebenfalls gesunken
In Großbritannien wird derzeit über Gemüsemangel geklagt. Hintergrund sind eine wetterbedingt maue Ernte in Südeuropa und Nordafrika sowie hohe Energiekosten in Großbritannien und den Niederlanden, wo Gemüse in Treibhäusern gezogen wird. Die Flaute könnte nach Darstellung der Regierung noch bis zu einen Monat anhalten.
Die auch für Lebensmittel zuständige Umweltministerin Therese Coffey verwies angesichts des Mangels an Tomaten, Salat und Gurken im Handel auf lokale Gemüsearten, die zur Jahreszeit passten. "Viele Leute würden jetzt Rüben essen und nicht notwendigerweise über Salat und Tomaten nachdenken", sagte sie. Am vergangenen Mittwoch war der größte britische Einzelhändler Tesco Konkurrenten wie Aldi gefolgt und hatte die Abgabe von Salat je Kunde begrenzt.
Ökologisch wirtschaftende Betriebe erzeugten im vergangenen Jahr in Deutschland auf gut 17.800 Hektar insgesamt 431.000 Tonnen Gemüse. "Nach stetigem Anstieg der ökologischen Anbaufläche seit der ersten Erhebung 2012 um insgesamt 71 Prozent sank diese 2022 erstmals", stellte das Bundesamt fest. Der Rückgang lag bei vier Prozent im Vergleich zu 2021. Die Erntemenge nahm sogar um zehn Prozent ab. Der Anteil der vollständig ökologischen Erzeugung lag jeweils unverändert bei elf Prozent der Erntemenge und 14 Prozent der Anbaufläche.
- Nachrichtenagentur Reuters