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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Inflation, Rezession, Zinsen Das bedeuten die Aussagen der EZB-Direktorin für Ihren Geldbeutel
Im Interview mit t-online hat EZB-Direktorin Isabel Schnabel erklärt, was auf die Wirtschaft zukommt. Was ihre Aussagen für Verbraucher bedeuten.
Inhaltsverzeichnis
Anhaltende Inflation, weitere Zinsschritte, Rezession: Im Gespräch mit t-online sagt EZB-Direktorin Isabel Schnabel, was die Währungshüter gegen die steigenden Preise unternehmen wollen und wie es mit der Wirtschaft im Euroraum in den kommenden Monaten weitergeht.
Doch was bedeutet das konkret für Sparer, Häuslebauer und Anleger? t-online gibt Antworten.
Inflation
"In unseren Prognosemodellen dauert es bis zum Jahr 2024, bis sich die Inflation wieder beim gewünschten Wert von zwei Prozent einpendelt."
Isabel Schnabel
Die Hoffnung der EZB ist, dass Zinserhöhungen der Inflation Einhalt gebieten können. Das langfristige Teuerungsziel für die Eurozone liegt bei zwei Prozent. Davon sind wir aktuell allerdings weit entfernt:
Im August lag die Teuerungsrate im Euroraum bei 9,1 Prozent. In Deutschland lag die Inflation im August bei 7,9 Prozent, doch Experten rechnen damit, dass die Preise in den kommenden Monaten zunächst weiter steigen werden. Die Bundesbank geht davon aus, dass die Inflation in Deutschland in den kommenden Monaten zweistellig wird.
Der aktuell vergleichsweise niedrigere Wert in Deutschland lag in den vergangenen Monaten auch an Sondereffekten durch Maßnahmen wie das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt. Diese fallen für den September weg.
Gleichzeitig befinden sich die Energiepreise – zuletzt der Haupttreiber der Inflation – weiterhin auf hohem Niveau und werden voraussichtlich weiter steigen. Das führt auch dazu, dass viele Produkte ebenfalls teurer werden. Besonders deutlich ist das in energieintensiven Branchen wie etwa bei Bäckern zu sehen.
Zinserhöhungen
"Wir müssen die Zinsen weiter erhöhen."
Isabel Schnabel
Am 9. Juli hat die EZB die Zinswende eingeläutet, indem sie die jahrelange Nullzinspolitik beendete und im Juli den Leitzins anhob. Im September folgte der nächste Zinsschritt. Doch damit nicht genug: Andere Banken sind bereits einige Prozentpunkte weiter. Allen voran die US-Notenbank Fed, an deren Entscheidungen sich die EZB meistens orientiert. (Mehr dazu lesen Sie hier.) Es ist also abzusehen, dass auch seitens der EZB weitere Schritte folgen werden.
Sparer können sich auf steigende Zinsen freuen. Diese jedoch werden absehbar noch nicht so hoch sein, dass sie die Verluste durch die Inflation ausgleichen. Der "Realzins" bleibt erst einmal negativ.
Für Anleger sind die höheren Zinsen derweil keine gute Nachricht. Denn sollten andere Anlageklassen mittelfristig attraktiver werden, dürften die Kurse an der Börse sinken, weil weniger Menschen Aktien kaufen. Wie schnell sich das bemerkbar macht, ist allerdings unklar, denn in die Börsenentwicklung spielen auch andere Faktoren hinein, wie etwa die Frage nach einer Rezession (s. unten).
Was hingegen absehbar ist: Für Häuslebauer wird es teurer. Schon seit dem Frühjahr steigen die Bauzinsen deutlich, das dürfte so weitergehen.
Denn: Die Bauzinsen orientieren sich an den Renditen der Bundesanleihen. Diese wiederum hängen mit dem Zinsniveau in der Eurozone zusammen, das maßgeblich von der EZB beeinflusst wird. Hebt die EZB den Leitzins an, müssen auch die Geschäftsbanken mehr für einen Kredit zahlen. Diese Kosten reichen sie über die Zinsen an ihre Kreditkunden weiter.
Allerdings gibt die Entscheidung auch eine Richtung vor und schafft somit Sicherheiten. Experten hatten die bisherigen Anstiege der Bauzinsen in Teilen auch mit Planungsunsicherheit begründet. Das heißt: Derzeit ist das Niveau der Bauzinsen bereits relativ hoch, und weitere Zinsschritte der EZB wirken sich nicht mehr so stark aus wie vor einigen Monaten.
Rezession
"Die Situation in Deutschland ist leider schlechter. Deutschland ist aufgrund der starken Abhängigkeit von russischem Gas besonders hart getroffen. Hier lässt sich eine Rezession möglicherweise nicht vermeiden."
Isabel Schnabel
Der Begriff Rezession stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Rückgang". Man spricht davon, wenn sich die Wirtschaft, die Konjunktur, in einem Abschwung befindet – also nicht wächst oder sogar schrumpft. In der Rezession geht typischerweise die Nachfrage zurück, Unternehmen fahren ihre Produktion herunter, die Arbeitslosigkeit nimmt zu, die Kaufkraft der Verbraucher nimmt ab und die Preise sinken.
Die Kenngröße für die Wirtschaftsleistung ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es misst den Wert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land für den Endverbraucher produziert werden. Wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zum Vorjahr sinkt, spricht man von einer Rezession.
EZB-Direktorin Isabel Schnabel sieht die Gefahr einer Rezession für Deutschland im europäischen Vergleich als besonders hoch an, da die Abhängigkeit von russischer Energie hierzulande sehr ausgeprägt ist. 55 Prozent der Gasimporte stammten im vergangenen Jahr aus Russland. Insofern ist der wirtschaftliche Schock durch den Krieg für Deutschland besonders groß, denn das Land muss die Lücken in der Energieversorgung durch teuer zugekauftes Öl und Gas füllen.
Die Folgen: Unternehmen schränken ihre Produktion ein. Außerdem tätigen sie weniger Investitionen, weil dafür weniger Geld zur Verfügung steht. Nicht selten heben die Zentralbanken bei einem wirtschaftlichen Abschwung die Zinsen an, was die Kredite verteuert und Investitionen zusätzlich unattraktiv macht. So hat es die EZB zuletzt auch getan (s. oben). Schließlich führt der Kostendruck in einer Rezession auch dazu, dass Unternehmen Stellen abbauen – wobei sich dieser Effekt in den Arbeitslosenzahlen der letzten Monate noch nicht niedergeschlagen hat.
Auch Verbraucher spüren die Teuerung und passen ihr Konsumverhalten an: Wenn die Einkommen nicht im selben Maße steigen wie die Preise der Waren, müssen sie sparen und ihr Geld zusammenhalten – erst recht, wenn sie ihren Job zu verlieren drohen. Diesen Effekt prognostiziert auch eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Auch Konsumentenkredite, beispielsweise für eine Küche oder ein neues Auto, werden durch Zinserhöhungen teurer.
All diese Entwicklungen führen zu einem Rückgang an inländischer Produktion – und damit dem Bruttoinlandsprodukt. Eine Rezession wird wahrscheinlicher.
- Eigene Recherche