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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ifo-Prognose Inflation – im Winter wird sie zweistellig
Das Ifo-Institut kappt seine Konjunkturprognose für dieses und nächstes Jahr. Zugleich erwarten die Forscher eine Inflationsrate von 9,3 Prozent für 2023.
Der Sommer war gut. Klar, das Weizen im Biergarten war teurer als früher, das Chaos an den Flughäfen groß. Und doch zeigten sich die meisten im Land vergleichsweise gelöst, 9-Euro-Ticket, Tankrabatt und gut gefüllte Auftragsbücher bei den vielen Firmen sei Dank.
Damit jedoch dürfte es schon bald vorbei sein. Der Herbst, der Winter, womöglich gar das gesamte Jahr 2023 werden ungemütlich – für Privathaushalte, vor allem aber für die Wirtschaft. Das jedenfalls legen neue Zahlen nahe, die das Ifo-Institut am Montag veröffentlicht hat.
Laut ihrer aktualisierten Konjunkturprognose erwarten die Wirtschaftsforscher für das laufende Jahr nur noch ein Mini-Wachstum von 1,6 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sogar um 0,3 Prozent schrumpfen. Und das bei zugleich extrem hohen Inflationsraten.
Inflation im kommenden Jahr noch höher
Im Schnitt gehen die Ökonomen für 2022 von einer durchschnittlichen Teuerung in Höhe von 8,1 Prozent aus. Nächstes Jahr erwarten sie – entgegen der jüngsten Schätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Eurozone –, dass die Preise sogar noch schneller steigen, die Inflationsrate dann im Schnitt bei 9,3 Prozent liegen dürfte.
"Wir gehen in eine Winter-Rezession", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "Die Kürzungen der Gaslieferungen aus Russland im Sommer und die dadurch ausgelösten drastischen Preissteigerungen verhageln die wirtschaftliche Erholung nach Corona. Erst 2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 Prozent Wachstum und 2,5 Prozent Inflation."
Die Aussagen und Berechnungen von Wollmershäuser und seinen Kollegen haben Gewicht. Von allen Wirtschaftsforschungseinrichtungen gilt das Ifo-Institut als die führende Einrichtung in Sachen Konjunkturforschung. Zuletzt hatten bereits das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) mit einem BIP-Minus von 0,7 Prozent beziehungsweise 1,4 Prozent für 2023 vorgerechnet.
Ungewöhnlich starke Anpassung der Prognose
Die Ifo-Zahlen wirken dagegen zwar etwas weniger dramatisch. Trotzdem ist das Aufsehen entsprechend groß – nicht zuletzt, weil das Institut noch im Juni ganz andere Erwartungen hatte. Damals ging man in München noch davon aus, dass die deutsche Wirtschaft 2023 nicht schrumpfen, sondern um 3,7 Prozent wachsen dürfte – die Inflationsrate veranschlagten die Forscher fürs kommende Jahr mit nur 3,3 Prozent.
"Das sind ungewöhnlich hohe Änderungen in einem so kurzen Zeitraum", sagt auch Wollmershäuser. Ein Grund für die drastischen Anpassungen: Die Energieversorger dürften vor allem zum Jahreswechsel ihre Strom- und Gaspreise spürbar anheben und den hohen Beschaffungskosten angleichen.
Das werde die Inflationsrate in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres sogar auf etwa 11 Prozent hochtreiben. Die Folge: Die realen Haushaltseinkommen gingen stark zurück, die Kaufkraft sinke spürbar, so Wollmershäuser.
Zwar dürfte das dritte Entlastungspaket der Ampelregierung diesem Rückgang etwas entgegenwirken. Vollkommen ausgleichen lasse er sich aber nicht. Wollmershäuser: "Der Kaufkraftverlust, gemessen am Rückgang der realen Pro-Kopf-Löhne in diesem und im kommenden Jahr um jeweils etwa 3 Prozent, ist so hoch wie nie zuvor seit dem Beginn der heutigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahre 1970."
"Immer noch günstig, sich Geld zu leihen"
Dem entgegenwirken kann unter anderem die EZB, indem sie die Geldmenge reduziert und die Zinsen erhöht. Dadurch nämlich werden Kredite teurer, der Anreiz zu sparen steigt – was wiederum dazu führt, dass Verbraucher und Firmen ihr Geld zusammenhalten, weniger ausgeben und die Unternehmen ihre Preise wegen der geringeren Nachfrage nicht immer weiter anheben können.
Nach dem XXL-Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten am vergangenen Donnerstag gehen Wollmershäuser und seine Kollegen davon aus, dass weitere große Anhebungen folgen werden. Ende des kommenden Jahres, so ihre Annahme, dürften die Zinsen bei 4 Prozent liegen.
"Das Problem dabei: Selbst dann sind die Realzinsen wegen der hohen Inflation noch niedrig", so der Ökonom. Das bedeute: "Es ist immer noch günstig, sich Geld zu leihen, die Wirtschaft wird weiter stimuliert."
Geringe Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Hoffnung macht allein der Blick auf das Ende der anstehenden Heizperiode. Denn die Ifo-Forscher nehmen für ihre Prognose an, dass es diesen Winter grundsätzlich genug Gas gibt, eine Gasmangellage schließen die Ifo-Experten derzeit aus. Demnach sollten die Energiepreise nicht noch weiter steigen, spätestens ab dem Frühjahr 2023 sollten sie wieder sinken.
Und noch etwas ist angesichts des drohenden Winter-Abschwungs bemerkenswert positiv: Große Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt erwartet das Ifo-Institut nicht, da sei man "optimistisch".
Zwar könnten viele Firmen die Einstellung neuer Mitarbeiter durch die schwierige wirtschaftliche Lage etwas verlangsamen. Das jedoch bleibt wohl nur eine vorübergehende Phase.
"Wir glauben nicht, dass es einen krisenbedingten Anstieg der Arbeitslosigkeit geben wird", sagte Wollmershäuser. Der erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen um rund 50.000 Menschen im kommenden Jahr gehe vor allem auf den sprunghaften Zuwachs arbeitsloser Ukrainer zurück, die vor dem Krieg aus ihrer Heimat nach Deutschland flohen und jetzt nach und nach in den Arbeitsmarkt stoßen.
- Pressemitteilung des Ifo-Instituts