GDL-Streik Weselskys "Denkfehler" entfacht neues Unverständnis
GDL-Chef Weselsky versagt die Erinnerung. Einen Vermittlervorschlag in dem seit Monaten schwelenden Tarifstreit mit der Deutschen Bahn gibt er falsch wieder - und sorgt so für Irritationen.
Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, hat mit der falschen Darstellung eines Zwischenstands bei den Bahn-Tarifverhandlungen Unverständnis ausgelöst. Der Präsident des Bundesverbands Schienennahverkehr, Thomas Prechtl, äußerte am Mittwoch zwar Verständnis, dass es nach zahlreichen Runden zu Fehlinterpretationen kommen könne. Er würdigte zudem, dass Weselsky den von ihm so bezeichneten "Denkfehler" eingestanden habe. Es dürfe aber nicht passieren, "dass Millionen Fahrgäste ab Donnerstag wegen eines solchen Denkfehlers erneut nicht zur Arbeit kommen können, weil streikbedingt keine Züge fahren".
Hintergrund sind Schilderungen Weselskys über einen Kompromissvorschlag, den der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (beide CDU) als Moderatoren bei den wochenlangen Verhandlungen zwischen den beiden Tarifparteien unterbreitet hatten. Dieser sah eine Senkung der Wochenarbeitszeit in zwei Schritten auf 36 Stunden bis 2028 bei vollem Lohnausgleich vor. Die Bahn hatte den Vorschlag angenommen. Die GDL lehnte jedoch ab. Die Gespräche scheiterten deshalb vergangene Woche, und die Gewerkschaft rief zum nächsten Streik auf.
Weselsky stellte den Vorschlag der Vermittler bei einer Pressekonferenz am Montag anders dar: Diese hätten eine Absenkung auf lediglich 37 Stunden bei vollem Lohnausgleich ins Spiel gebracht. Eine weitere halbe Stunde Reduzierung wäre lediglich optional und mit finanziellen Einbußen für die Beschäftigten verbunden gewesen. Im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" räumte Weselsky am Dienstag ein, ihm sei bei dieser falschen Darstellung ein "Denkfehler" unterlaufen. Das ändere aber nichts an seiner Haltung, fügte er hinzu.
"Umso unverständlicher ist es für uns, dass man auf Maximalforderungen beharrt, sich um keinen Millimeter bewegt, aufsteht und die Verhandlungen verlässt", sagte ein Bahnsprecher am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die Ablehnung der GDL. "Wir waren bereit, auch über unsere eigene Schmerzgrenze hinüberzugehen und diesen Vorschlag anzunehmen."
Auftritt abgesagt
Die GDL will in dem Tarifstreit unter anderem eine Senkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich durchsetzen - also eine Reduzierung von drei Stunden anstatt der von den Moderatoren vorgeschlagenen zwei Stunden.
Einen geplanten Auftritt vor GDL-Mitgliedern in Wuppertal am Mittwoch sagte Weselsky ab. Stattdessen verteidigte sein Stellvertreter, Mario Reiß, die Forderungen der Gewerkschaft. "Es ist falsch, wenn da draußen jemand tönt, dass wir dem Arbeitgeber nicht entgegenkommen", sagte Reiß. Die GDL-Verhandler seien etwa bereit gewesen, bei den Entgeltforderungen von 555 Euro mehr pro Monat auf 420 Euro pro Monat herunterzugehen. In dieser Höhe habe die GDL auch schon Abschlüsse mit 28 anderen Eisenbahnunternehmen erzielt. Dort sei auch die 35-Stunden-Woche verankert.
Allerdings stehen diese Tarifverträge unter dem Vorbehalt des Abschlusses bei der Deutschen Bahn. Sollte die GDL die dreistündige Arbeitszeitabsenkung dort nicht durchsetzen, werden die bereits geschlossenen Verträge bei den Wettbewerbern noch einmal angepasst. Weselsky selbst sprach Anfang der Woche von einem Junktim.
Warnstreiks bei der Lufthansa
Außer der Lokführergewerkschaft hat für diese Woche auch die Gewerkschaft Verdi zu Warnstreiks bei der Lufthansa aufgerufen. Mit neuerlichen Arbeitskämpfen gleich mehrerer Berufsgruppen legt Verdi an diesem Donnerstag wichtige Teile des deutschen Luftverkehrs lahm. Passagiere müssen sich auf hunderte Flugausfälle und Verspätungen einrichten.
Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, warnte am Mittwoch vor einem Machtmissbrauch der Gewerkschaften. "Wir können diesen Streik natürlich überhaupt nicht gebrauchen, weil er die Lage verschlimmert", sagte Fuest dem Fernsehsender "Welt TV". "Das Streikrecht ist wichtig, aber es darf nicht missbraucht werden. Meines Erachtens wird es hier tatsächlich problematisch eingesetzt."
- Nachrichtenagentur dpa