Wegweisendes EuGH-Urteil Plötzlich Anspruch auf mehr Urlaub – was Sie vom Chef fordern können
Urlaubstage verfallen nur dann, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter auf die Verjährung hingewiesen haben. Was Arbeitnehmer jetzt geltend machen können.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern gestärkt. Das höchste EU-Gericht entschied in drei Fällen aus Deutschland, dass der Anspruch auf Urlaub in bestimmten Fällen doch nicht verfällt.
Entscheidend ist demnach, ob der Arbeitgeber seinen Teil dazu beigetragen und beispielsweise darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub bald verfällt. Das teilten die Richter am Donnerstag in Luxemburg mit (Rechtssachen C-120/21; C-518/20; C-727/20).
Arbeitgeber muss auf Fristen hinweisen
In einem der Fälle konnte eine Steuerfachangestellte ihren Urlaub nach eigener Aussage wegen des hohen Arbeitsaufwands nicht nehmen und forderte eine Abgeltung der Urlaubstage. Ihr Arbeitgeber argumentierte, dass der Anspruch verjährt sei wegen der üblichen zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei Jahren.
Dem EuGH zufolge muss der Arbeitgeber aber dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrnehmen kann. Außerdem müsse er auf den übrigen Urlaub und die entsprechenden Fristen hinweisen. Tut er das nicht, bleibt der Anspruch auch über die drei Jahre hinaus bestehen.
Zwar sei die Verjährungsfrist an sich mit Europarecht vereinbar, sie beginne aber erst ab dem Zeitpunkt, an dem das Unternehmen seinen Mitarbeiter darüber in Kenntnis gesetzt habe. Andernfalls könne es "zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen", so die Luxemburger Richter.
Was Arbeitnehmer jetzt fordern können
Laut Arbeitsrechtsanwalt Michael Fuhlrott von der Kanzlei Fuhlrott Hiéramente & von der Meden aus Hamburg könnten Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber nicht ausreichend informiert wurden, nun überlegen, ob ihnen noch Urlaub aus der Vergangenheit zusteht. "Wenn ich nachweisen kann, dass ich Urlaubstage nicht wahrgenommen habe, kann ich jetzt zum Arbeitgeber gehen und einfordern, sie noch zu beanspruchen", sagt Fuhlrott. "Bin ich bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden, kann ich sie mir auszahlen lassen."
Spannend werde sein, welche Vorgaben das Bundesarbeitsgericht nun den Unternehmen mache, um das Urteil umzusetzen. "Wahrscheinlich wird die Nachweispflicht bei den Beschäftigten liegen", glaubt Fuhlrott. Denkbar sei das beispielsweise über entsprechende Hinweise auf Entgeltabrechnungen oder mithilfe von Urlaubskonten.
Was bei längerer Krankheit gilt
Die zwei weiteren Fälle, über die der EuGH am Donnerstag entschied, drehten sich um den Urlaubsanspruch bei Krankheit. Die Kläger machten geltend, dass sie einen Anspruch auf bezahlten Urlaub für das Jahr haben, in dem sie aus gesundheitlichen Gründen erwerbsgemindert beziehungsweise arbeitsunfähig waren.
Bei Krankheit verfällt der Urlaubsanspruch nach deutschem Recht normalerweise nach 15 Monaten. Dies gelte aber ebenfalls nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig in die Lage versetzt habe, seinen Urlaub zu nehmen, so das EuGH-Urteil.
- Eigene Recherche
- Mitteilung des BAG und des EuGH
- Gespräch mit Michael Fuhlrott, Anwalt für Arbeitsrecht
- Nachrichtenagentur dpa