Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.EM-Kader des DFB Endlich steht der DFB nicht im Abseits
Der DFB enthüllt den EM-Kader scheibchenweise, setzt auf digitale Strategien und schafft so wachsende Vorfreude. Unsere Kolumnistin Nicole Diekmann ist begeistert.
Um dies vorweg klarzustellen: Ich bin kein Fußballprofi. Nicht mal theoretisch. Ich gehöre zu denen, die man in der Kirche "U-Boote" nennt: Kirchen-U-Boote tauchen zu Weihnachten und Ostern auf, Fußball-U-Boote zur WM und EM.
So viel aber weiß ich: In der Offensive zu sein, ist immer besser als in der Defensive. Und insofern macht der DFB alles richtig. Davon können wir uns alle eine Scheibe abschneiden. Die Kirche auch, aber die hat ja sowieso ganz andere Probleme. Dazu vielleicht in einer anderen Kolumne mehr. Ich verbrenne mir ungern an zwei heiligen Institutionen gleichzeitig mit einem Text die Finger. Also: heute Fußball, heute DFB, heute EM-Kader und heute: die Verkündung der deutschen Elf via Social Media.
Zur Person
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".
Volltreffer, möchte ich da sagen! Sehr, sehr klug geht der Deutsche Fußballbund da vor. Seit Tagen enthüllt er den Kader scheibchenweise. Dramaturgisch ist das großartig; mit jedem neuen Namen wächst die Spannung, die Leute bleiben dran, die Vorfreude wächst.
Und dass der DFB die Namen selber verkündet, dafür nicht die "Bild-Zeitung" oder den "Kicker" ins Boot holt, beziehungsweise sich der Tatsache hingibt, dass die das Rennen machen und es einfach vor dem DFB selbst verkünden – auch top. Als hätte jemand Führung bestellt, und das meine ich im doppelten Wortsinn: Der DFB ist vor der Welle und führt das Rennen um die Informationshoheit an.
DFB überrascht positiv
Als wäre das in diesen Zeiten, in denen vermeintliche High-Performer so oft enttäuschen, nicht schon mehr als genug. Von bestellter Führung sprach ja auch unser Bundeskanzler kürzlich, der diese Bestellung durch seine Arbeit in der Ampel als eine Einlösung dieser Forderung begreift – denken Sie sich Ihren Teil dazu. Aber – nein! Der DFB hat noch einen draufgelegt. Der DFB hat verwandelt! Auf mehreren Ebenen. Sekunde, ich wische mir kurz die Tränen des Glücks aus den Augen ... und nun gehts weiter.
Der DFB kann digital! Der DFB hat soziale Medien benutzt, um die Stamm-Elf zu verkünden. Lassen Sie mich meine Begeisterung in eine medienübliche Formulierung packen: *KREISCH*
Auf Instagram kursieren kurze Videos, sogenannte Reels, in denen spielerisch und kreativ etwa Manuel Neuer als Torwart dieser Heim-EM präsentiert wird. Und – ich weiß, ich klinge wie eine Moderatorin im Shopping-TV, aber wenn es doch so schön ist?! – Neuer wird verkündet von einer Frau. Und ich lege noch was obendrauf: von einer Handwerkerin! 2024! Frauen können als Dachdeckerin arbeiten! Und sich für Fußball interessieren! (Ja, ich tu's nicht. Die Abseitsregel beherrsche ich trotzdem, ich schwöre!) Ich finde das so gut, dass Sie sich mich als La-Ola-Welle auf zwei Beinen vorstellen können; damit kommen Sie meiner Gemütslage sehr nah.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Auch Rashid Hamid darf eine Personalie ausrufen, zumindest indirekt: Der Geschäftsführer eines Hamburger Pflegedienstes, mit beachtlicher Fangemeinde auf Instagram, fährt zu Oma Lotti und hat ein Trikot für sie im Gepäck plus eine Torte, die das Konterfei von Jonathan Tah ziert. So also teilt Influencer Hamid seiner fröhlichen 93-jährigen Kundin namens Oma Lotti und der deutschen Öffentlichkeit mit, dass Tah dabei ist.
Es gibt mehrere dieser Videos, die so modern sind, dass man sich die Augen reibt – gleichzeitig aber auch etablierte Gesichter wie das der RTL-Moderatorin Frauke Ludowig und auch die altehrwürdige Tagesschau ist mit im Boot. Es ist für alle was dabei. Das ist so weltoffen und zeitgemäß, dass es guttut.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Debatten über Mats Hummels, den Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht nominiert hat, oder Leon Goretzka werden zwar trotzdem geführt. Und wir können Nagelsmann alle nur die Daumen drücken, dass Hummels’ Ex, Superinfluencerin Cathy, sich kraft ihrer stets zu vielem entschlossenen Follower nicht noch zu Wort meldet. Durch diese geschickte Aktion, die jetzt läuft, liegt der Fokus aber woanders.
Erst mal. Denn apropos High-Performer: Das alles nützt natürlich nichts, wenn die Männer den Titel nicht holen. Oder, bleiben wir realistisch, wenigstens die Vorrunde überstehen.
- Eigene Meinung