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Nach Böhmermann-Witz im "ZDF Magazin Royale": AfD, FPÖ und Reichelt empört


Meinung
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Böhmermann provoziert
Die kalkulierte Empörung

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 22.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Jan Böhmermann: Er ist Meister darin, Empörungswellen zu produzieren. (Quelle: Christoph Hardt via www.imago-images.de/imago-images-bilder)
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Jan Böhmermann macht einen simplen Witz und die üblichen Verdächtigen sind empört. Unsere Kolumnistin Nicole Diekmann ermüdet dieses immergleiche Hin und Her.

Auf nichts kann man sich mehr verlassen, heißt es in den letzten Jahren immer öfter. Bankenkrise, Corona, Inflation, der Aufstieg der Rechten, die Entwicklung Putins zum imperialistischen Diktator – unsere Zeit ist geprägt von Unberechenbarkeit.

Das stimmt aber so nicht. Einige sensationell vorhersehbare Phänomene sind geblieben, einige neue sind hinzugekommen. Die FDP zum Beispiel begibt sich weiterhin in Koalitionen, die sie total schlimm findet. Mitten im laufenden Ampel-Betrieb bieten die Liberalen gerade der oppositionellen Union eine Koalition an (demokratietheoretisch und auch rein rechnerisch völliger Unsinn, aber gut). Und als sie gemeinsam mit CDU/CSU regierten, beschimpfte sie deren Gebaren als "Wildsau"-Politik.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

Neben der Bindungsstörung der FDP existiert eine weitere Konstante: Jan Böhmermann (der, das sei der Transparenz halber an dieser Stelle erwähnt, für denselben Sender arbeitet wie ich).

Böhmermann sagt oder schreibt etwas – und zack, einige sind auf den Barrikaden. Um es zu präzisieren: Immer dieselben sind auf den Barrikaden.

Aktuell sind es AfD und die österreichische FPÖ. Ebenso, und das ist eben auch keine Überraschung, das vom Ex-Bild-Chef Julian Reichelt geleitete Online-"Newsportal" namens "Nius". Warum nun schon wieder? Weil Böhmermann sich in seiner Sendung "ZDF Magazin Royale" die FPÖ vorgeknöpft hat und deren Nähe zu den Rechtsextremisten von der "Identitären Bewegung" thematisiert. Das ist wichtig. Man kann gar nicht oft genug betonen, was die sogenannte Neue Rechte treibt. Und wie sie ihre teils menschenverachtende Agenda ummantelt, verschleiert, bis in die Salons durchzusetzen versucht. Genau das ist Aufgabe von Journalismus.

Für Böhmermann etwas billig

Am Ende der Folge setzt Böhmermann dann noch exakt auf die Reflexe, die nun auch wieder zuverlässig angesprungen sind. Zum Abschied sagt er: "Bitte nicht vergessen: Nicht immer die Nazikeule rausholen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen."

Eine Provokation. Eine total kalkulierte Provokation. Für Böhmermann-Verhältnisse fast schon billig. Aber: Billig, hey, da stehen wir doch mittlerweile alle drauf! "Keulen" steht sowohl für das Schlachten kranker Tiere, kursiert unter jungen Leuten aber auch als umgangssprachliches Synonym für masturbieren. Ein Wortspiel – schwer vorstellbar, dass es ein Versehen ist. Aber ein legitimes. Böhmermann macht Show und Satire, keine Nachrichtensendung.

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Das Kalkül geht auf, die FPÖ regt sich auf; ihr Kanzlerkandidat Herbert Kickl schreit ganz aufgeregt auf Facebook, Böhmermann würde zum Mord an FPÖ-Politikern aufrufen. Dabei nennt der die FPÖ in diesem Passus ja gar nicht. Das ist normal. Auch "Nius" stellt sich doof und verwendet diesen Spin. Alles andere wäre ja auch zu wenig hysterisch, die Blase will bedient werden – und hat sich an Hysterie gewöhnt. Darunter geht's nicht mehr, die Aufmerksamkeitsschwelle hat sich verschoben. Aber auch andere Medien springen drauf. Und auch die AfD lässt sich keine noch so fadenscheinige Chance entgehen, gegen den verhassten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu wettern.

Böhmermann erwähnt also weder FPÖ noch AfD in seinen Abschiedsworten, aber natürlich weiß er, wie die Schuhe aussehen müssen, die sich die entsprechende Klientel anzieht, und er stellt sie hin. Das Kalkül geht auf. So weit, so gut. So weit, so unspektakulär das total erwartbare spektakuläre, hyperaufgeregte Echo.

Es geht nicht mehr um Themen, nur um Applaus

Denn diese Reflexe, auf die Böhmermann und andere ja zielen – sie sind so ermüdend. Sie sind inzwischen schon dermaßen bekannt und ritualisiert, dass man sie von außen gar nicht mehr hinterfragt – und sich für den Kern einer solchen Auseinandersetzung kaum noch interessiert. Es geht nicht um Themen, es geht um Schemen.

Dass alle draufspringen, auch Unbeteiligte, und dass damit Klicks generiert werden, ist deshalb total erklärbar. Gut ist es aber nicht. Es macht uns alle ein Stück weit dümmer, weniger differenziert – und weniger empfänglich für Kritik. Dabei ist Kritik ja was Gutes; sie bringt uns weiter, sie hilft beim Wachsen, beim Reifen, beim Erweitern des Horizonts. Wenn aber beide Seiten sich in einem solchen Fall total erwartbar verhalten, lässt nichts mehr aufhorchen. Wenn es nur noch um Schubladen geht, dann wird Kritik eben nicht mehr darauf geprüft, ob sie einen wahren Kern enthalten kann. Es geht nur noch darum, von einer bestimmten Seite angegriffen zu werden, um deshalb(!) von der richtigen Seite Applaus zu bekommen.

Um diesen Kreislauf immer wieder zu durchbrechen, versucht man, sich selbst, aber auch einander, immer wieder zu überbieten.

Wohin führt die Verkürzung des Diskurses?

Armin Laschet hat das gerade sehr lesenswert in einem Interview erklärt: "Die Emotionalisierung, diese extreme Rigorosität, in der heute argumentiert wird, ohne auch nur den kleinsten Raum für Differenzierung und Abwägung zu lassen – das macht diejenigen, die in der unterlegenen Position sind, umso radikaler."

Auch Laschet ist diesen sehr kurzfristigen Reflexen zum Opfer gefallen. Als Kanzlerkandidat lachte er im falschen Augenblick im Wahlkampf, im Hochwasser. Wir alle kennen diesen Augenblick noch. Es war keine Glanzstunde für den CDU-Politiker, keine Frage – und es war vor allem ein gefundenes Fressen für Laschets Gegner. Die Verkürzung, die Reduzierung Laschets auf diesen Augenblick könnte ein Hauptgrund sein für den überraschenden Wahlsieg von Olaf Scholz. Laschets lange Jahre als Landesvater in NRW, seine Verdienste – all das interessierte kaum noch jemanden.

Mittlerweile ist Laschet Everybody's Darling. Immer wieder hat er in den vergangenen Monaten pointierte, kluge und viel beachtete Reden gehalten zur "Neuen Rechten", ihren Strategien. Zuletzt hat er an den Aufstieg der Nationalsozialisten erinnert, an die Blauäugigkeit der damaligen demokratischen Kräfte.

Armin Laschet hat im falschen Moment gelacht. Wer das tut, ist aber nicht per se ein Idiot, der niemals ein politisches Amt innehaben darf. Wer das tut, hat im falschen Moment gelacht. Ebenso wenig ist Laschet nun der Messias, mit dem alles besser wäre. Vielleicht wäre es das, vielleicht aber auch nicht.

Verwendete Quellen
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