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AfD, Bauernprotest und Co.: Unseliges Gebrüll von Social Media und Talkshows


Meinung
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Kolumne "Im Netz"
Die Getöse-Republik

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 17.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Sandra Maischberger: Schlägt Lautstärke die Substanz?Vergrößern des Bildes
Sandra Maischberger: Schlägt Lautstärke die Substanz? (Quelle: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto)
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Die AfD wird auf jeden Fall verboten. Alle Bauern sind auf der Zinne. Und in Talkshows sitzen nur Fachleute ... Nichts davon ist wahr. Doch wir drohen auf etwas hereinzufallen: schiere Lautstärke.

Kürzlich klingelte mein Telefon. Eine Redakteurin einer namhaften Talkshow lud mich in die Sendung ein. Nun halte ich persönlich Formate wie "Lanz", "Hart aber Fair" oder "Maischberger" nicht wie manch anderer für das Schlimmste auf der ganzen weiten Welt, sondern erkenne bei aller berechtigten Kritik durchaus Sinn darin, von Angesicht zu Angesicht auch kontroverse Standpunkte auszutauschen. Beobachtet von der Öffentlichkeit und im besten Sinne sozial kontrolliert von Moderatoren, die notfalls eingreifen. Was passiert, wenn das nicht geschieht, können wir Tag für Tag im Netz mitverfolgen: Selbst anständige Menschen eskalieren in den sozialen Medien bis zur zivilisatorischen Unkenntlichkeit. X (ehemals Twitter) fungiert inzwischen wie eine digitale Enzyklopädie verbalen Abschaums.

Ein großer Teil der Sendung, in die ich eingeladen wurde, sollte sich mit der AfD befassen. Mit der befasse wiederum ich mich seit Jahren als Hauptstadtkorrespondentin sehr intensiv, insofern passte ich als Gast extrem gut. Nur leider passte der Termin wiederum extrem schlecht in meinen Kalender. Ich sagte ab, empfahl aber alternativ direkt Berufskollegen mit Schwerpunkt AfD. Der darauf folgende Dialog machte es mir schwer, die Fassung zu bewahren – und meine positive Grundhaltung gegenüber Talkshows.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich, ihren Blog findet man hier.

Meine Aufzählung von als Gästen infrage kommenden Journalisten nämlich wurde mit einem Seufzen quittiert und mit diesem entlarvenden Satz: "Ach, Frau Diekmann", kommentierte die Redakteurin meine Vorschläge, "das sind ja alles gute Leute. Aber wir hatten eher an (hier den Namen einer unbestritten renommierten Kollegin denken) gedacht." Meinen Einwand, diese Kollegin besitze ja durchaus viel Ahnung, aber in anderen Bereichen, konterte die Talkshow-Redakteurin mit: "Das stimmt, aber sie ist immer so schön meinungsstark. Wir lesen ihre Posts bei X immer so gerne."

Da sind wir inzwischen also angekommen? Lautstärke schlägt Substanz? Das wäre bitter. Noch bitterer: Es sieht zurzeit sehr danach aus.

Lassen Sie uns noch kurz bei der AfD bleiben. Also, thematisch. Die Diskussion um ein Verbot läuft seit den Enthüllungen um ein Treffen von Neonazis und AfDlern vergangene Woche, das von Menschen- und Grundgesetzverachtung geprägt war, vollends auf Hochtouren. Sehr viele, die ein Verbotsverfahren der schon jetzt als in Teilen rechtsextremistisch eingestuften Partei wollen, haben eine Petition mit dieser Forderung unterschrieben. Und sehr viele von ihnen sind schockiert darüber, dass ein Verbotsverfahren nicht schon längst läuft; dass sich noch keine Mehrheit im Bundestag oder aber Bundesrat gefunden hat, die ein Verbotsverfahren auslösen könnte. Dass es womöglich sogar niemals eine Mehrheit dafür geben wird.

AfD? Verbot! Verbot! Verbot!

Dabei melden sich namhafte Juristinnen und Juristen zu Wort, die von einem Verbotsverfahren abraten. Weil sie die Chancen für ein Verbot als möglicherweise zu gering einschätzen. Weil sie Sorge haben, dass die AfD sich während des Verfahrens, das sich über Jahre ziehen kann, noch mehr als ohnehin schon als Opfer stilisieren und so noch mehr Wähler mobilisieren kann. Dass im Falle eines Scheiterns schwarz auf weiß nachzulesen ist: Die AfD ist ja gar nicht gefährlich. Denn so würde die Entscheidung interpretiert werden – die niemand Geringeres zu fällen hat als das Bundesverfassungsgericht.

Ein weiteres Argument gegen ein Verbotsverfahren lautet: Sobald der politische Beschluss gefasst ist – also noch bevor der Antrag in Karlsruhe eingereicht wird – müssen sämtliche Aktivitäten des Verfassungsschutzes eingestellt werden. Die Partei würde dann für eine lange Zeit nicht mehr vom Geheimdienst beobachtet werden. Aktivitäten, die ein Verbot vereinfachen würden, könnten dann komplett unterm Radar laufen.

Man muss das als Otto-Normal-Antifaschist nicht wissen. Man kann das paradox finden. Doof finden kann man das selbstverständlich auch. Man kann ganz vieles in unserer Demokratie. Was man aber nicht sollte: So tun, als wäre ein Verbot deshalb quasi schon zum Greifen nahe und alternativlos, weil so viele so laut dafür trommeln. In dem Moment, in dem Lautstärke den Rechtsstaat schlägt, ist dieser nämlich keiner mehr.

Unterschätze niemals die schweigende Mehrheit

Und ich habe leider noch etwas für Sie, was man doof finden kann (falls es Sie tröstet: Finde ich auch): Schweigen ist nicht laut, auch wenn Poeten gerne Gegenteiliges behaupten. Die schweigende Mehrheit darf man nicht unterschätzen. Schauen Sie mal auf die Bauernproteste. Wir alle reden darüber. Klar: Sternfahrt nach Berlin, die Hauptstadt voller Monstertrecker, deren Hupen kilometerweit zu hören sind. Es ist beeindruckend, auf vielen Ebenen. Nur: Das waren rund 8.000 Bauern. Und jetzt raten Sie mal, wie viele Höfe es in Deutschland gibt? Etwa 260.000. Verstehen Sie mich nicht falsch; ich will das Anliegen der Landwirte nicht delegitimieren. Aber in Relation setzen; Kirche/Dorf, Sie kennen das. Fakten sind manchmal auch leiser, leiser zum Beispiel als Bilder.

Die Mehrheit aber muss ja nicht leise sein. Und wie wir sehen, spricht sich das gerade rum: Seit Tagen gehen Menschen auf die Straße, gegen die AfD. Diese Kundgebungen wie in Leipzig oder hier in Berlin sind größer als die Bauerndemo. Und noch eine gute Nachricht: In der Talkshow saß dann zum guten Schluss eine Kollegin, die regelmäßig und fundiert über die AfD berichtet. UND präsent ist. Das nährt doch zumindest eine leise Hoffnung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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