t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeDigitalNicole Diekmann: Im Netz

Soziale Medien | WhatsApp-Spam: Betrugsmasche im Chat entlarvt


Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Chat mit einem Enkeltrickser
Was für eine fiese Nummer

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 07.02.2023Lesedauer: 7 Min.
Chat mit einem Betrüger: Nicole Diekmann hat einfach mal auf eine Spam-Nachricht geantwortet.Vergrößern des Bildes
Chat mit einem Betrüger: Nicole Diekmann hat einfach mal auf eine Spam-Nachricht geantwortet. (Quelle: Kollage: t-online)
News folgen

Unsere Kolumnistin wurde von einem Betrüger angeschrieben. Sie durchschaute die Masche. Hier der lustige und lehrreiche WhatsApp-Dialog.

Am Sonntagmorgen beim ersten Kaffee, ich schalte mein Handy an – eine Nachricht ploppt auf, eingegangen nachts um 2:53 Uhr, Absender ist eine mir unbekannte Nummer: "Hallo Mama/Papa, mein Handy ist kaputt. Schickst Du mir eine Nachricht auf WhatsApp? Vergiss nicht, meine Nummer zu speichern. Danke!"

Ich kenne solche Nachrichten. In den vergangenen Wochen habe ich verstärkt Warnungen davor bei Instagram oder Facebook gesehen. Aktuell scheint eine neue Variante des sogenannten Enkeltricks zu kursieren.

So heißt die Masche, mit einer freundlichen SMS in Kontakt zu jemandem zu treten, dessen Nummer man sich zusammengewürfelt hat, und auf einen gutgläubigen Menschen zu hoffen, die sich über den Tisch ziehen lässt. Eine ältere Person zum Beispiel.

Leute, die diese oder sehr ähnlich formulierte Nachrichten bekommen haben, schreiben in den sozialen Netzwerken: "Achtung, Falle! Dahinter stecken Kriminelle, die an Euer Geld wollen!" Ich erinnere mich dunkel an Abenteuergeschichten.

Der angebliche Sohn meldet sich per SMS, angeblich gerade in einen schlimmen Autounfall verwickelt, den er auch noch verschuldet hat, und entkommt dem neben ihm stehenden Staatsanwalt bzw. dem drohenden Gefängnis nur, wenn Mama oder Papa auf der Stelle Geld überweisen und ihm dies per Foto beweisen.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Das Geld ist dann weg, denn das Konto gehört natürlich keinem Staatsanwalt, sondern Betrügern. Man könnte über so eine Räuberpistole lachen – aber tatsächlich fallen mehr Leute darauf rein, als man im ersten Moment denken sollte.

Es gibt keine gesonderte Statistik darüber, aber allein das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein erfasste im November 2022 etwa 150 Fälle. Entstandener Schaden: rund 250.000 Euro. Eine Viertelmillion. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen, denn die Scham ist groß, wenn man auf so etwas reingefallen ist. Außerdem steigt die Zahl der Versuche stetig. Immer mehr ältere Leute nutzen Smartphones.

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich, ihr Blog findet man hier.

Jetzt bin ich also auch an solch einen Betrüger geraten. Ich poste die SMS auf meinem Twitter-Account, und jemand schreibt mir: "Verwickeln Sie den doch mal in ein Gespräch. So lange kann er keine gutgläubigen Omis betrügen." Guter Gedanke. Und wie es der Zufall so will, muss ich an diesem Sonntag und am darauffolgenden Montag immer mal wieder länger auf etwas warten. Die Zeit vertreibe ich mir mit dem Enkeltrickser auf WhatsApp.

SONNTAG

Ich: Hallo, was ist passiert? Brauchst du Hilfe? Liebe Grüße, Mama

Enkeltrickser: Ich habe mein Handy fallen lassen, der Touch Screen reagiert nicht mehr. Ich benutze jetzt mein altes Handy, bin schlecht zu erreichen. Zum Glück bin ich versichert, aber ich habe gerade wirklich ein Problem. Bin schon seit Stunden damit beschäftigt. Kannst du mir helfen?

Ich: Natürlich. Hier liegt doch noch dein neues Handy von Oma, das schicke ich dir gleich morgen früh per Kurier, dann ist es morgen Abend da!

Enkeltrickser: Danke, ich muss zwei Rechnungen überweisen, aber weil das Handy kaputt ist, komme ich nicht bei den Dateien. Könntest du das für mich überweisen? Dann überweise ich dir das morgen zurück.

Ich: Klar, mache ich sofort. Küsschen und gute Nacht!

Enkeltrickser: Kann ich die Rechnung schicken?

Ich: Du, wenn du morgen Abend sowieso ein neues Handy hast, reicht das doch eigentlich auch, oder? Auf den einen Tag kommt es ja jetzt auch nicht mehr an.

Enkeltrickser: Kannst du es morgen früh machen?

Ich: Klar. Schick mir doch mal die Rechnungen, Foto reicht.

(Der Enkeltrickser schickt mir ein Foto mit einer abenteuerlichen Bankverbindung, löscht sie dann aber schnell wieder. Die Summe darauf, die ich überweisen soll: 1576,66 Euro.)

MONTAG

Ich: Was hast du denn für 2.000 € gekauft???

Enkeltrickser: Ein neuer Laptop und ein neues Telefon.

Ich: Wir haben dir doch gerade einen neuen Laptop zum Geburtstag geschenkt?

Enkeltrickser: Etwas ist damit passiert.

Ich: Was denn? Und vor allem, warum kann man nicht reparieren?

Enkeltrickser: Es kann nicht repariert werden.

Ich: Warum nicht? Was ist denn damit?

Enkeltrickser: Die Reparatur des Laptops kostet mehr als ein neuer Laptop.

Ich: Das mag sein, aber ich finde das nicht nachhaltig. Schick den neuen bitte zurück und lass den alten reparieren. Werner macht uns da bestimmt einen guten Preis. Ich übernehme das.

Enkeltrickser: Der alte Laptop ist nicht mehr da. Ich habe es an einen Händler verkauft.

Ich: Wo ist der denn? Schick mir mal den Kontakt zum Händler, das regle ich.

Ich höre einige Stunden nichts und habe inzwischen Spaß an der Sache gefunden. Also hake ich nach.

Ich: Alles okay bei dir?

Mein "Kind" schickt einen erhobenen Daumen.

Am späteren Abend sehe ich, dass der Enkeltrickser versucht hat, mich per Videoanruf zu erreichen. Schade! Ich hätte gern gewusst, was er getan hätte, hätte ich den Anruf angenommen. Ich hake nach.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Ich: Ich war unterwegs mit Dagmar und hatte das Handy nicht dabei. Schickst du mir noch den Kontakt zum Händler? Vielleicht lässt sich da ja noch was machen. Und ist das Handy angekommen? Der Kurier hat sich gar nicht mehr gemeldet.

Enkeltrickser: Das Telefon ist weg. Kannst du mir helfen, die Rechnung zu bezahlen?

Ich: Wieso weg? Hase (ich muss beim Tippen lachen, aber ich fühle meine Rolle inzwischen sehr, und mich hat der Ehrgeiz gepackt), ich hab es doch schon geschrieben: Ich möchte jetzt erst mal versuchen, den alten Laptop zu reparieren. Werner weiß schon Bescheid und ...

Enkeltrickser: Er hat es bereits repariert und verkauft.

Ich: Ich denke, den könnte man nicht mehr reparieren??? Hat man dich über den Tisch gezogen?

Enkeltrickser: Nein, die Reparaturkosten waren höher als der Wert des Laptops.

Ich: Ich finde das nicht gut. Papa auch nicht. (Muss wieder lachen.) Aber gut, es ist jetzt, wie es ist. Was ist denn das für ein neuer Laptop? Und was für ein neues Telefon?

Enkeltrickser: Es ist ein MacBook Pro.

Ich: Das brauchst du ja auch nicht, Oma hat dir doch alles geschenkt.

Loading...
Loading...

Enkeltrickser: Ich habe mich für das iPhone 14 Pro Max entschieden.

Ich: Und wir sollen das bezahlen?

Enkeltrickser: Das Telefon ist bereits bezahlt. Nur der Laptop muss bezahlt werden.

Ich: Das verstehe ich nicht. So haben wir dich auch nicht erzogen, dass hier ein neues Telefon liegt und der feine Herr kauft einfach ein neues. Du hast mir doch oben geschrieben, ein Telefon und einen Laptop. Moment … Hier. (Ich schicke ihm seine Nachricht, in der er schrieb, er habe Telefon und Laptop gekauft.)

Enkeltrickser: Der Laptop ist noch nicht bezahlt.

Ich: Ich finde das Foto von der Rechnung nicht mehr oder hattest du mir das noch gar nicht geschickt? (Ich weiß natürlich, dass er es gelöscht hat. Aber mein anderes Ich, seine Mama, weiß es nicht. Die ist ja arglos. Und will herausfinden, wie lange so ein Trickbetrüger mitmacht. Wie lohnend diese Masche ist, dass man im Zweifel Stunden für ein einziges potenzielles Opfer aufwendet.)

Enkeltrickser: Ich schicke es.

(Wieder schickt er eine dubiose Bankverbindung, wieder soll ich 1576,66 Euro überweisen, wieder wird er diese Nachricht schnell löschen.)

Ich: Schickst du mir noch ein Foto von der Rechnung, bitte?

Enkeltrickser: Ich habe nur die Daten auf dem Handy.

Ich: Hast du den Laptop denn schon?

Enkeltrickser: Das sind die richtigen Daten.

Ich: Dann kannst du davon ja ein Foto schicken.

Enkeltrickser: Ich bin im Bett.

Ich: (Dies tippe ich mit der Stimme meiner eigenen Mutter im Ohr): Mein liebes Kind. Dafür, dass deine Mutter dir über 1.000 € vorstrecken soll, wirst du doch wohl aufstehen können? Langsam werde ich aber sauer.

Enkeltrickser: Ich werde das Geld zurückgeben. Keine Sorgen.

Ich: Na gut. Geht es dir wirklich um einen Laptop? Machst du krumme Sachen? Muss ich was wissen? Du weißt, dass wir über alles sprechen können. Hast du Drogen gekauft?

Enkeltrickser: Ha ha ha nein

Ich: Na gut. So. Und jetzt gehe ich ins Bett. Gute Nacht. Schlaf schön, mein Junge. (Warum ich automatisch davon ausgehe, es mit einem Mann zu tun zu haben – keine Ahnung.)

Enkeltrickser: Kannst du die Überweisung jetzt machen?

Ich: Nein, ich liege auch im Bett. Ich mache das morgen.

Enkeltrickser: Okay. Gute Nacht.

Ich (kann es nicht lassen, es ist zu unterhaltsam und gleichzeitig ein so interessantes Experiment; ich fühle mich wie eine Digitalversion von Miss Marple): Schickst du mir eben noch die neue Nummer von Franziska?

Enkeltrickser: Ich werde es morgen.

Ich: Du sagtest doch, du hättest sie. Ich wollte sie gerne einladen. Du hast doch gerade dein Telefon in der Hand.

Der Trickbetrüger ruft an. Ich bin erstaunt – aber nach einem halben Klingeln legt er auf. Nicht blöd. Wirkt authentisch.

Ich: Du kannst ruhig klingeln lassen, sonst schaffe ich es ja nicht, rechtzeitig ranzugehen.

Es folgt ein Videoanruf. Sehr mutig. Ich gehe ran, richte die Kamera meines Telefons auf mein Sofa, sodass nichts von meiner Umgebung deutlich wird. Die Gegenseite ist komplett schwarz, auf mein mehrmaliges "Hallo" kommt keine Reaktion. Ich beende die Verbindung.

Ich: Komisch, dein Videoanruf hat nicht funktioniert. War alles schwarz. Ist das noch das kaputte Telefon? (Ha! Die ganze Zeit schreibt mir dieser Mensch, kann anrufen, kann Fotos machen und mir schicken – dabei war der Ausgangspunkt bei seiner Kontaktaufnahme doch sein angeblich kaputtes Handy. Ich bin nicht Miss Marple, ich bin mindestens Sherlock!)

Enkeltrickser: Ich habe nichts gehört.

Ich: Sag mal, wenn du das neue Telefon schon hast und nur den Laptop noch nicht, warum kannst du dann nicht selbst das Geld für den Laptop überweisen? Und bitte schick mir jetzt Franziskas Nummer!

Enkeltrickser: So viele Fragen. Wenn es nicht funktioniert, dann lass es.

Ah! Er hat keine Lust mehr. Der Aufwand, den er betreiben muss, steht langsam in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag. In der Zeit, in der wir uns geschrieben haben, hätte er vielleicht schon zwei, drei andere arme Seelen um ihr sauer Erspartes bringen können.)

Ich: Sei doch nicht genervt. Ich verstehe es nur nicht.

Enkeltrickser: Vertraust du mir nicht?

Ich: Ist das eine ernst gemeinte Frage?

Enkeltrickser: Das Geld bekommst du rechtzeitig zurück. Aber ich werde einen Freund von mir fragen. Danke für die Hilfe.

Ich: Nach allem, was ich damals für dich getan habe, erinnere dich an die Sache mit Sophie …

Enkeltrickser: Ich kümmere mich um meine eigenen Probleme. Ich frage niemanden mehr. Habt einen schönen Abend.

Bevor er sich einfach verabschiedet, will ich meinen Triumph.

Ich: Am besten suchen Sie sich erst mal eine anständige Art und Weise, Geld zu verdienen. Das wäre mein Tipp. Nicht versuchen, Leute zu betrügen.

***

Ab hier wird es dann unfreundlich, die andere Seite beleidigt mich. Seitdem habe ich nichts mehr gehört. Was für eine fiese Nummer. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel
Meinung|Debatte über "Tagesthemen"-Kommentar
  • Nicole Diekmann
Eine Kolumne von Nicole Diekmann



TelekomCo2 Neutrale Website