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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Europaparlament beschließt Digitalgesetze Neue EU-Regeln treffen Apple, Google und Facebook hart
Mit gleich zwei Gesetzen zeigt die EU den großen Internetunternehmen ihre Grenzen auf. Für Verbraucher bringen diese große Vorteile für den Alltag.
Das Europaparlament hat heute gleich zwei Gesetze beschlossen, mit denen die Europäische Union den großen Anbietern im Netz Grenzen aufzeigen will. Google, Apple, der Meta-Konzern mit Instagram, Whatsapp und Facebook sollen wie auch TikTok mehr Pflichten bekommen. Halten sie sich nicht an die Regeln, drohen Strafen in Milliardenhöhe. Für Nutzer gibt es in beiden Gesetzen einige wichtige Verbesserungen.
Für die EU ist das Paket eine der größten Veränderungen an der Internetgesetzgebung seit fast 20 Jahren: Anderthalb Jahre haben EU-Parlament, EU-Kommission und Mitgliedstaaten über das Digitale Märkte- und das Digitale Dienste-Gesetz verhandelt. Während das Digitale Märkte-Gesetz das Wettbewerbsrecht fit für das digitale Zeitalter machen soll, regelt das Digitale Dienste-Gesetz Pflichten der Anbieter und Rechte der Nutzer neu.
Die EU will mit den Gesetzen dafür sorgen, dass alle in Europa tätigen Unternehmen sich auch gesetzestreu verhalten. "Die großen Plattformen werden sich an unsere Regeln anpassen müssen und nicht umgekehrt", erwartet EU-Digitalkommissar Thierry Breton. Beide Gesetze gelten ab 2024 in allen EU-Staaten.
Digitale Märkte-Gesetz: Apple, Meta, Microsoft und Co drohen hohe Strafen
Auf die ganz besonders großen Digital-Unternehmen wie Apple, Meta, Google, Amazon oder Microsoft haben die Entscheider in Brüssel es mit dem Digitale Märkte-Gesetz abgesehen. Die EU-Kommission soll in Zukunft direkt prüfen, ob Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Die Regeln, wann das der Fall ist, werden an das digitale Zeitalter angepasst. "Die EU geht damit als wichtigster Gesetz- und Regelungsgeber voran", sagte der CDU-Europaparlamentarier Andreas Schwab am Montagabend im Parlament.
Was nach trockenem EU-Gesetzeswerk klingt, soll auch ganz praktisch das Leben der Europäer verbessern: In den kommenden vier Jahren sollen alle besonders großen Anbieter von Kurznachrichten-Apps wie Whatsapp oder Telegram ihre Systeme so ändern müssen, dass sie auch mit anderen Anbietern kompatibel werden.
Dann sollen etwa Whatsapp-Nutzer aus Telegram, Signal oder Threema heraus erreichbar werden. Erst per Textnachrichten, dann aber auch für Sprachnachrichten und zum Schluss auch für Videotelefonie. "Eltern müssen nicht mehr ihre Seele verkaufen, nur weil sie im Elternchat ihrer Grundschule dabei sein wollen", meint René Repasi, SPD-Europaabgeordneter.
Auch an anderer Stelle könnte das EU-Gesetz ganz praktische Veränderungen bringen: Bislang werden etwa Smartphones eines Herstellers oft rundum von einem Anbieter ausgestattet. So sind Android-Telefone meist an Google-Nutzerkonten geknüpft, Apples Telefone, iPads und Rechner sind ohne den App-Store des Herstellers aus Cupertino kaum nutzbar. Solche Zwangs-Nutzungen können künftig verboten werden.
"Das Digitale Märkte-Gesetz ist sicher kein zahnloser Tiger", sagt Justus Haucap, Wirtschaftswissenschaftler und Wettbewerbsexperte an der Universität Düsseldorf zu t-online. Nun hinge viel davon ab, wie die Kommission die Regeln durchsetzen werde. "Die Konzerne werden die Regeln aufgrund der Strafandrohungen sehr ernst nehmen", meint Haucap.
Die Strafandrohungen sind saftig: Wenn eine Firma sich nicht ans Digitale Märkte-Gesetz hält, können bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes einer Firma fällig werden. Bei Apple wären das derzeit etwa 35 Milliarden Euro, bei Meta über 11 Milliarden Euro. Haucap mahnt dabei zu Geduld: "Man sollte nicht erwarten, dass die Dominanz der Konzerne schon in sechs Monaten gebrochen sein wird."
Digitale Dienste-Gesetz: Neue Regeln für Facebook, TikTok, Insta und Telegram
Das zweite große Gesetz soll vor allem für mehr Klarheit sorgen: Das englisch DSA abgekürzte Gesetz schreibt Onlineangebote, Marktplätzen und Social Media-Plattformen viele konkrete Regeln vor. Das betrifft vor allem den Umgang mit Inhalten und Angeboten, die womöglich illegal sind – etwa Fakeangebote auf Onlinemarktplätzen. Die sollen künftig schneller und besser von Anbietern aussortiert werden.
Das Grundprinzip aber bleibt: Die Anbieter müssen nicht selbst dauernd auf die Suche nach illegalen Inhalten gehen. Sobald ihnen andere einen entsprechenden Verdacht mitteilen, müssen sie aber tätig werden. Das gilt auch für Facebook, Instagram, Twitter, TikTok, Telegram oder Youtube. Das Digitale-Dienste-Gesetz verändert auch für diese Plattformen die Regeln. Damit soll zum Beispiel Desinformation, aber auch Hassrede besser begegnet werden, also etwa strafrechtlich relevanten Drohungen.
Während in Deutschland bislang das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz regelte, wie Anbieter mit womöglich illegalen Inhalten umgehen, greift ab 2024 das Digitale-Dienste-Gesetz der EU. Die großen Social Media-Plattformen müssen dann europaweit einheitliche Regeln einhalten, wie sie Inhalte und Kommentare moderieren.
"Jetzt gibt es einen neuen Sherriff in der Stadt."
Eine besondere Rolle erhalten dabei sogenannte vertrauenswürdige Benachrichtiger: Das können etwa Behörden wie Polizei oder Jugendschutzbehörden oder andere Institutionen sein. Deren Meldungen müssen dann besonders schnell bearbeitet werden. Eine zweite Neuerung: Wenn ein Nutzer einen Inhalt für zu Unrecht entfernt oder sich zu Unrecht gesperrt fühlt, müssen die Anbieter eine Möglichkeit bieten, damit Nutzer das Urteil der Plattformen überprüfen lassen können. Das sah etwa das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz bislang nicht vor.
Wie die neuen Gesetze ganz praktisch wirken, ist derzeit noch kaum abzusehen. Noch ist etwa offen, wie viel Personal die EU-Kommission zur Durchsetzung der neuen Gesetze wirklich zur Verfügung haben wird. 150 Mitarbeiter forderte der CDU-Politiker Andreas Schwab im Parlament, nur für das Digitale Märkte-Gesetz. Denn absehbar ist, dass die EU-Kommission sich auf lange juristische Auseinandersetzungen mit den großen Unternehmen und deren Anwaltskanzleien einstellen muss.
Für die zuständigen Politiker ist die Sache heute allerdings klar. "Das Digitale hat sich wie Wildwest entwickelt und die größten und stärksten bestimmen die Regeln", sagt Christel Schaldemose, die für das Parlament das Digitale Dienste-Gesetz verhandelt hat. "Aber jetzt gibt es einen neuen Sherriff in der Stadt."
- Eigene Recherche