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CDU in der Zwickmühle: Was wurde eigentlich aus den Uploadfiltern, Julia Reda?


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CDU in der Zwickmühle
Was wurde eigentlich aus den Uploadfiltern, Julia Reda?

InterviewVon Laura Stresing

Aktualisiert am 30.12.2020Lesedauer: 6 Min.
Eine Demonstrantin hält ein Pappschild mit der Aufschrift "#NiemehrCDU": Im Frühjahr 2019 kam es kurz vor der Abstimmung zur EU-Urheberrechtsreform bundesweit zu Massenprotesten gegen Uploadfilter.Vergrößern des Bildes
Eine Demonstrantin hält ein Pappschild mit der Aufschrift "#NiemehrCDU": Im Frühjahr 2019 kam es kurz vor der Abstimmung zur EU-Urheberrechtsreform bundesweit zu Massenprotesten gegen Uploadfilter. (Quelle: Christian Mang/imago-images-bilder)

Mit der EU-Urheberrechtsreform hat sich die CDU 2019 bei vielen Jungwählern unbeliebt gemacht. Nächstes Jahr muss sie das Vorhaben umsetzen – ausgerechnet im Bundestagswahlkampf. Die ehemalige Digitalpolitikerin Julia Reda erklärt im Interview, warum die Bundesregierung von ihren unhaltbaren Versprechen eingeholt wird.

Kaum ein EU-Gesetz hat 2019 so viel Aufmerksamkeit erregt wie die im April verabschiedete Urheberrechtsreform. Allein in Deutschland gingen Hunderttausende, überwiegend junge Menschen gegen Artikel 17 (ehemals Artikel 13) auf die Straße, da er wahrscheinlich dazu führt, dass Internetplattformen bestimmte Inhalte mit Uploadfiltern blockieren müssen.

Vor allem die CDU musste dafür viel Kritik einstecken – sie hatte die Reform im EU-Parlament maßgeblich vorangetrieben. Bis Juni 2021 muss die Bundesregierung das deutsche Recht an die neuen EU-Regeln anpassen. Doch ausgerechnet die CDU hadert mit der Umsetzung.

Kaum jemand ist mit dem Urheberrecht und seinen Tücken so vertraut, wie die ehemalige Piraten-Politikerin Julia Reda. Als EU-Abgeordnete war sie eine der einflussreichsten Stimmen gegen ein Urheberrecht, das Nutzerrecht zu stark einschränkt. Seit diesem Jahr arbeitet sie bei der "Gesellschaft für Freiheitsrechte" (GFF), einer Organisation, die umstrittene Internetgesetze mit den Mitteln des Rechtstaats angeht.

Nächstes Jahr werden voraussichtlich auch die gefürchteten Uploadfilter in Deutschland und Europa Realität. Was bedeutet das für die Internetnutzer – und was für die Politik? Im Interview mit t-online erklärt Reda, warum sie glaubt, dass sich im Wahlkampf 2021 vor allem für die CDU ein Debakel wiederholen könnte.

Frau Reda, blicken wir nochmal zurück: Viele erinnern sich vielleicht noch an die Massenproteste im Frühjahr 2019, als die Debatte um die Uploadfilter gerade ihren Höhepunkt erreichte. Das EU-Parlament hat der Urheberrechtsreform trotz aller Einwände zugestimmt. Was ist seither passiert?

Die Bundesregierung hatte damals versprochen, bei der Umsetzung in Deutschland auf Uploadfilter zu verzichten. Schon damals haben viele Kritikerinnen und Kritiker – mich eingeschlossen – Zweifel daran geäußert, dass das möglich sein wird. Denn Artikel 17 stellt die Plattformen vor einen unlösbaren Konflikt. Einerseits verlangt er von ihnen bestmögliche Anstrengungen, die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu sperren. Andererseits verlangt er auch, dass legale Inhalte online bleiben müssen. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es keinen Uploadfilter gibt, der diese Unterscheidung zuverlässig treffen kann.

Es steht also zu befürchten, dass Inhalte gelöscht werden, die eigentlich zulässig wären. Davon wäre dann auch die Meinungsfreiheit berührt.

Tatsächlich gibt es ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, in dem es um die Frage geht, ob Artikel 17 überhaupt mit den Grundrechten vereinbar ist. Das Urteil wird aber erst im nächsten Sommer erwartet. Gleichzeitig müssen die Mitgliedstaaten schon vorher, nämlich bis Juni, die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Da steht die Bundesregierung jetzt vor der Frage, wie sie das machen soll.

Hat die Große Koalition schon eine Idee?

Das SPD-geführte Justizministerium hat im letzten Sommer einen Vorschlag vorgelegt. Von einem absoluten Verzicht auf Uploadfilter, wie ihn die CDU versprochen hatte, war da schon keine Rede mehr. Stattdessen soll jetzt versucht werden, zumindest die Zahl der fälschlichen Sperrungen zu verringern.

Dazu sieht der Vorschlag zwei konkrete Mechanismen vor: Zum einen soll die Nutzung von sehr kurzen Ausschnitten von dieser Sperrverpflichtung ausgenommen werden. Dafür sollen die Plattformen eine Vergütung zahlen. Das andere ist das sogenannte Pre-Flagging, also die Möglichkeit, dass Nutzerinnen und Nutzer den Inhalt schon beim Hochladen als legal markieren können.

In einem neuen Entwurf vom November wurden diese Möglichkeiten außerdem weiter eingeschränkt. Eine automatische Sperrung soll demnach nur noch dann verboten sein, wenn die Inhalte zusätzlich weniger als die Hälfte eines geschützten Werks enthalten und das geschützte Werk mit anderen Inhalten kombiniert wird.

Alle Vorschläge sind hochumstritten und bisher hat sich die Bundesregierung nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen können. Eigentlich war geplant, dass das Bundeskabinett den Entwurf noch vor Weihnachten verabschiedet. Aber dann wurde der Punkt doch wieder von der Tagesordnung gestrichen – offenbar, weil die CDU-geführten Ministerien diesem Entwurf nicht zustimmen wollten.

Wie interpretieren Sie das?

Es stellt sich die Frage, ob überhaupt irgendetwas an dem Versprechen der CDU dran war, Uploadfilter zu verhindern. Denn im Grunde hat das Justizministerium etwas Ähnliches vorgeschlagen wie die CDU im Frühjahr 2019: eine sogenannte Pauschallizenz. Die Idee dahinter ist, dass man die automatische Sperrung von Inhalten verhindert, indem man sie legalisiert und die Plattformen für die Nutzung eine Vergütung zahlen lässt. Genau diese Idee ist in dem Gesetzesentwurf enthalten. Aber anscheinend ist die CDU nun doch nicht dafür.

Wird es am Ende doch so kommen, wie die Kritiker befürchtet hatten: Zerstört die Urheberrechtsreform die Meme-Kultur im Internet?

Artikel 17 hat durchaus neue Urheberrechtsausnahmen geschaffen, die das verhindern sollen. Zum Beispiel schreibt er vor, dass alle Mitgliedstaaten eine Ausnahme für sogenannte Pastiche-Werke einführen müssen, also für die kreative Auseinandersetzung mit den Inhalten anderer. Darunter fällt auch alles, was im Allgemeinen unter Internetkultur zusammengefasst wird – also Memes, Reaction-Gifs, Sampling, Remixes und so weiter. Solche Inhalte werden jetzt legalisiert.

Das zentrale Problem ist aber weniger die Frage, was legal ist, sondern die Frage, wie der Uploadfilter zwischen der legalen Nutzung und einem Urheberrechtsverstoß unterscheiden soll. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass diese rechtlichen Kategorien nicht technisch umgesetzt werden können.

Wie lässt sich dieses Dilemma auflösen?

Das Justizministerium hat vorgeschlagen, wir machen eine Neuaufnahme, die sich nicht am Zweck der Nutzung orientiert, sondern an der Länge des Ausschnitts. Das ist nämlich etwas, was der Uploadfilter erkennen kann. Weniger als 20 Sekunden von einem Video oder Musikstück oder weniger als 1.000 Zeichen Text sollen demnach nicht automatisch gesperrt werden dürfen – aber die Plattformen müssen dafür bezahlen.

Das ist natürlich ein sehr grober Filter. Denn natürlich gibt es auch Inhalte, die länger als 20 Sekunden sind und trotzdem nach dem bisherigen Urheberrecht als legales Zitat bewertet werden müssen. Umgekehrt gibt es Inhalte, die kürzer als 20 Sekunden sind und trotzdem eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Das heißt, das gesetzlich vorgegebene Ziel kann man durch so eine Regelung nur teilweise erreichen. Aber es ist zumindest mal ein Vorschlag eines Kompromisses.

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Wären die Rechteinhaber mit so einer Lösung denn zufrieden?

Es gibt im Moment eine relativ aggressive Kampagne, vor allem von Seiten der Musikindustrie, aber auch einiger Verlegerverbände. Die sind der Meinung, es sollte überhaupt keine Maßnahmen zum Schutz vor der Sperrung legaler Inhalte geben. Deshalb lehnen sie auch Lösungen wie die 20-Sekunden-Regel ab. Gleichzeitig haben sie keinerlei Gegenvorschläge, wie man das Gesetz EU-rechtskonform gestalten könnte.

Die Proteste gegen Artikel 17 haben ja durchaus etwas gebracht. Sie haben dazu geführt, dass bei den letzten Verhandlungen rund um Artikel 17 die Nutzerrechte gestärkt wurden. Nur deshalb wurde explizit reingeschrieben, dass legale Inhalte nicht gesperrt werden dürfen. Die Rechteinhaber fordern mehr oder weniger, dass die Bundesregierung diese Vorschrift einfach ignoriert und nur das Urheberrecht stärkt. Das wäre natürlich hochgradig europarechtswidrig.

Letztes Jahr waren es vor allem YouTube-Stars wie Rezo, die durch ihre Videos extrem viele junge Menschen mobilisiert haben. Hat die "Generation YouTube" inzwischen das Interesse an dem Thema verloren?

Das Problem ist, dass wir nicht wissen, was das Kabinett am Ende beschließen will. Es gibt keinen konkreten Text, an dem man sich abarbeiten kann. In diesem Stadium der Verhandlungen haben Verlegerverbände und andere Interessengruppen wesentlich besseren Zugang zu den Ministerien als die allgemeine Öffentlichkeit.

Vor kurzem haben sich deshalb 48 Content-Creator – darunter auch Rezo, PietSmiet und andere mit einer wirklich großen Reichweite – zusammengetan und eine eigene Stellungnahme zur Umsetzung von Artikel 17 an die Ministerien geschickt. Dabei ist das eher ungewöhnlich, dass sich diese "Berufsgruppe" mit klassischem Lobbying beschäftigt.

Ich glaube, dass die Debatte erneut an Fahrt aufnimmt, sobald das Thema in den Bundestag kommt – und wenn es auf die Bundestagswahl zugeht. Denn eigentlich muss Deutschland den Artikel 17 bis Juni umgesetzt haben und wenn nicht bald ein Entwurf vorliegt, wird irgendwann die Zeit knapp.

Es wird sich kaum vermeiden lassen, dass das Thema in den Wahlkampf reinspielt. Was bedeutet das für die Regierungsparteien?

Ich glaube, dass vor allem die CDU wie schon im Europa-Wahlkampf 2019 schmerzlich lernen wird, dass sich die Öffentlichkeit nicht mehr nur im Feuilleton der FAZ abspielt, sondern dass gerade jüngere Leute sich über soziale Medien vernetzen, informieren und eben auch politischen Protest los treten können. Ich hoffe, dass sie nicht den gleichen Fehler wiederholen und die Nutzerrechte ignorieren, für die wir auf die Straße gegangen sind. Denn das könnte natürlich dazu führen, dass so ein Protest im Sommer wieder auflebt.

Wie lange wird es dauern, bis eine Lösung auf dem Tisch liegt?

Schwer zu sagen. Es kann natürlich sein, dass die Ministerien die Weihnachtspause produktiv nutzen und im Januar einen Vorschlag vorlegen. Da ist dann auch schon der CDU-Parteitag, da wird der Wahlkampf eingeläutet. Insofern hätten sie schon ein Interesse daran, sich schnell zu einigen. Allerdings sind die unterschiedlichen Interessen zwischen Rechteinhabern, Plattformen und Nutzern nach wie vor sehr groß.

Vielen Dank für das Gespräch!

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