Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mobiles Surfen Darum sind Daten-Flatrates in Deutschland so teuer
Schnelle LTE-Tarife mit viel Datenvolumen sind in Deutschland teilweise mehr als doppelt so teuer wie im EU-Ausland. Warum ist das so? Ein Erklärungsversuch.
Einen günstigen Handytarif zum Telefonieren und SMS-Schreiben bekommt man schon für wenige Euro. Mobiles Surfen aber ist in Deutschland vergleichsweise teuer. Insbesondere für ungedrosselte LTE-Tarife mit viel Datenvolumen und Surf-Flatrates müssen deutsche Kunden sehr viel tiefer in die Tasche greifen als Nutzer in anderen EU-Ländern.
Um die 80 Euro rufen die großen Anbieter Telekom und Vodafone hierzulande für ihre Top-Tarife auf. Dafür erhalten die Kunden die volle LTE-Geschwindigkeit und unbegrenztes Datenvolumen. In den Nachbarländern gibt es eine vergleichbare Leistung für einen Bruchteil des Preises, wie eine exklusive Aufstellung des Vergleichsportals Verivox für t-online.de zeigt (siehe Tabelle).
Dabei sollte man nicht vergessen, dass die LTE-Abdeckung in allen oben aufgeführten EU-Ländern besser ist als in Deutschland. Wie eine Auswertung der Mobilfunkanalysefirma Opensignal zeigt, haben die Nutzer in vielen Teilen Deutschlands die meiste Zeit keinen LTE-Empfang. Im Durchschnitt beträgt die LTE-Abdeckung in der Fläche knapp 66 Prozent. Manche ländliche und grenznahe Regionen liegen deutlich darunter.
Mit anderen Worten: Die Nutzer zahlen hierzulande zwar von allen dargestellten Ländern am meisten für ihren LTE-Tarif – sie haben aber am wenigsten davon. Wie ist das zu rechtfertigen? Experten geben unterschiedliche Antworten. Wir fassen die wichtigsten Erklärungsversuche zusammen.
Grund 1: Der Netzausbau ist teuer
Telekom, Vodafone und Telefonica investieren massiv in den Ausbau des Mobilfunknetzes. Das Ziel: Bis Ende 2021 sollen 99 Prozent der Haushalte mit schnellem LTE versorgt sein. Dazu müssen tausende neuer Mobilfunkmasten aufgestellt und in Betrieb genommen werden. Offiziellen Angaben des Bundes zufolge kostet eine LTE-Sendeanlage rund 170.000 Euro.
Dabei ist die Wahl des Standortes ganz entscheidend, erklären die Mobilfunkexperten von Verivox: "Es ist wichtig, dass die Masten so stehen, dass der gesamte abgedeckte Raum in etwa gleich gut von den Funkwellen erreicht wird. Steht dort ein Berg 'im Weg', wird es schwierig." Wenige Meter könnten schon den Ausschlag geben, dass ein nahe gelegener Ort schlechter erreichbar ist. Gerade in weniger dicht besiedelten und schwer zugänglichen Regionen Deutschlands ist das Netz deshalb schlecht und der Ausbau sehr teuer.
Grund 2: Die Frequenzen verschlingen Milliarden
In Deutschland werden die Mobilfunkfrequenzen bei einem Auktionsverfahren vom Staat vergeben. Das sorgt immer wieder für Diskussionen. Kritiker sagen, dass dadurch die Kosten für die Netzbetreiber künstlich in die Höhe getrieben werden.
So führen viele Experten auch heute noch die Erlöse aus der UMTS-Versteigerung aus dem Jahr 2000 als Hauptgrund für die hohen Mobilfunkpreise in Deutschland an. Damals zahlten die Netzbetreiber insgesamt 50,8 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen – viel mehr als in anderen Ländern.
Immer wieder werden deshalb Forderungen laut, auf das Auktionsverfahren zu verzichten und die Frequenzvergabe stattdessen mit staatlichen Auflagen zu verknüpfen. Dabei ist der Zusammenhang zwischen den hohen Lizenzgebühren von damals und den hohen Surf-Tarifen von heute längst nicht erwiesen. Immerhin ist die UMTS-Versteigerung fast 20 Jahre her.
Viele Wirtschaftsexperten sind der Meinung, dass sich das Auktionsverfahren bewährt hat. Für den Staat lohnt es sich auf jeden Fall: Bei der 5G-Auktion wurden erneut mehr als 6 Milliarden Euro eingenommen. Von einer kostenlosen Vergabe würden letztendlich nur die Netzbetreiber profitieren.
Grund 3: Wichtige Einnahmequellen sind weggebrochen
Eine andere politische Entscheidung hat sich aber ganz gewiss auf die Verbraucherpreise ausgewirkt, und zwar positiv: Ende 2018 wurden die Roaming-Gebühren im EU-Ausland abgeschafft. Damit ist für die Provider eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen. Bis heute versuchen die Unternehmen, den Schaden zu begrenzen und schaffen Ausnahmen für die Auslandsnutzung, zum Beispiel bei sogenannten Zero-Rating-Tarifen. Andere erfinden rein nationale Tarife.
Auch das langsame Aussterben der SMS setzt den Mobilfunkanbietern zu. Die altmodische Kurznachricht galt einst als "Goldesel" der Branche, denn sie verursachte praktisch keine zusätzliche Kosten. Trotzdem konnten die Anbieter für jede Kurznachricht ein paar Cent berechnen. Heute nutzen die Leute lieber WhatsApp und eine Flatrate. Abkassiert wird dafür bei den Datentarifen.
Grund 4: Die Deutschen sind zu sparsam
Auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ist nicht viel Geld zu holen, zumindest nicht bei den Privatkunden. Diese Erfahrung machen Provider immer wieder. Denn die Deutschen sind in ihrem mobilen Datenverbrauch extrem sparsam.
Embed
Durchschnittlich 2,5 Gigabyte verbrauchen deutsche Kunden pro Monat. Das ist nicht besonders viel. Passende Tarife finden sich schon für ein paar Euro. Mit Premium-Tarifen ließe sich mehr Geld verdienen. Doch nur sehr wenige Deutsche gönnen sich die kostspieligen Daten-Flatrates. "In Deutschland werden solche Flats von Privatkunden lediglich im niedrigen einstelligen Bereich nachgefragt", teilt eine Verivox-Sprecherin mit.
Über die Ursache und Wirkung kann man sich natürlich streiten: Würden die Kunden mehr mobil surfen, wenn schnelle LTE-Tarife günstiger wären und das schnelle Netz tatsächlich überall verfügbar wäre?
Letztendlich beißt sich hier die Katze in den Schwanz: Die geringe Nachfrage lässt sich einerseits durch die hohen Preise und schlechte Netzabdeckung erklären. Umgekehrt fehlt den Netzbetreibern ohne zahlungsbereite Kundschaft das Geld (und der Anreiz), um den Netzausbau voranzutreiben.
Und jetzt?
Am Wochenende trifft sich die Bundesregierung zur Digitalklausur in Meseberg. Dort will sie auch eine neue Mobilfunkstrategie verabschieden, mit der die letzten Funklöcher beseitigt und die Netzqualität verbessert werden soll. Dafür will der Staat viel Geld in die Hand nehmen und zur Not sogar selbst Funkmasten aufstellen. Mehr zu den Plänen, erfahren Sie hier.
- Netzausbau: Jetzt ändert die Bundesregierung ihre Strategie
- Mobilfunktarife: Das sind die häufigsten Fehler bei der Anbieter-Wahl
- Anrufe per Messenger: Wie WhatsApp zur Kostenfalle werden kann
Wie sich das auf die Mobilfunkpreise auswirkt, ist unklar. An dem Modell der Lizenzversteigerungen will die Bundesregierung jedenfalls festhalten. Eine Pflicht zum regionalen oder nationalen Roaming ist ebenfalls nicht vorgesehen. Dabei würde diese Billig-Anbieter begünstigen und könnte den Preisdruck auf die drei großen Anbieter erhöhen. Kritiker fürchten allerdings, dass damit auch der Investitionsanreiz für die Netzbetreiber verloren geht. Denn wenn die Aussicht auf große Gewinne schwindet, lohnt sich der Bau eines neuen Funkmasts kaum noch.
Mit ihrem neuen Maßnahmenpaket macht die Bundesregierung deutlich, was für sie derzeit Priorität hat: Sie will unbedingt erreichen, dass der Netzausbau schneller vorangeht – und zwar um jeden Preis. Für die Kunden bleibt es also womöglich weiterhin teuer.
- Eigene Recherche
- Opensignal: "The State of LTE"
- Golem: "Was eine Mobilfunkanlage kostet"