Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.YouTube-Star Peter Smits "Den Politikern fehlt das nötige Wissen"
Jahrelang wurde um die EU-Urheberrechtsreform gerungen. Kurz vor der finalen Abstimmung im EU-Parlament gibt es auf einmal heftigen Widerstand – warum? Hier erklärt ein Star der YouTube-Szene das Problem.
Peter Smits ist einer der bekanntesten Gamer Deutschlands und Gründer des YouTube-Kollektivs "PietSmiet". Mehr als 2,3 Millionen Zuschauer haben den gleichnamigen YouTube-Kanal abonniert und sehen Smits und seinen Kollegen regelmäßig dabei zu, wie sie Videospiele ausprobieren und besprechen.
In jüngster Zeit geht es bei "PietSmiet" aber immer häufiger politisch zu. Grund ist die Debatte rund um die Artikel 11 und 13 der EU-Urheberrechtsreform. Smits und seine Kollegen fürchten um die Zukunft des Internets, mit dem sie groß geworden sind. Im Interview mit t-online.de erklärt der 30-Jährige, warum "Digital Natives" wie er von der Politik enttäuscht sind – und wie die wachsende Kluft zwischen jungen, internetaffinen Wählern und fachfremden Politikern doch noch überbrückt werden könnte.
IN KÜRZE: Zoff ums Urheberrecht
Die Reform des europäischen Urheberrechts wurde 2016 von dem früheren EU-Kommissar Günther Oettinger auf den Weg gebracht. Doch erst im Februar 2019 konnten sich EU-Parlament, Kommission und die Mitgliedsländer auf einen gemeinsamen Entwurf einigen. Er sieht die Einführung eines europaweiten Leistungsschutzrechts (Artikel 11) und eine strengere Haftung für Plattformen (Artikel 13) vor. Beide Maßnahmen sind umstritten, da sie das Hochladen und Teilen von Inhalten, sowie den freien Informationsaustausch im Netz behindern und erschweren könnten. Viele kleinere Plattformen sehen sich angesichts der strengen Vorgaben sogar in ihrer Existenz bedroht. Die Gegner hoffen, dass das Plenum die Reform in letzter Minute stoppt und rufen am 23. März zu europaweiten Protesten auf. In Städten wie Berlin werden dazu mehrere Tausend Teilnehmer erwartet.
Herr Smits, die EU will das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anpassen. Künstler und Kreative sollen von der Reform am stärksten profitieren. Warum gibt es so heftigen Widerstand, und das ausgerechnet von professionellen YouTuber-Künstlern wie Ihnen, die selbst kreativ tätig sind?
Es ist erst mal so, dass die ganze Copyright-Directive an sich definitiv nichts Schlechtes ist. Wir reden, wenn wir es kritisieren, vor allem über Artikel 11, also das Leistungsschutzrecht, und Artikel 13, der die Plattformen für die Inhalte verantwortlich macht. Damit wird versucht, die großen Internetkonzerne aus den USA in die Schranken zu weisen, weil die – und da stimme ich definitiv zu – sehr groß sind und sehr viel Geld machen, ohne dafür hier in Europa Steuern zu zahlen.
Wo also ist das Problem?
Der Vorschlag der EU geht vollkommen in die falsche Richtung. Der Einschnitt in die Meinungsfreiheit und generell die Vielfalt im Internet ist sehr groß. Das sollte man wirklich sehr ernst nehmen.
Das müssen Sie genauer erklären. Was genau an der Richtlinie kritisieren Sie?
Auf europäischer Ebene soll beschlossen werden, dass Plattformen wie YouTube und Facebook für alles verantwortlich gemacht werden, was auf ihren Seiten hochgeladen wird. Wenn also jemand etwas veröffentlicht, das urheberrechtlich geschützt ist, muss der Betreiber dafür geradestehen. Deshalb werden die Plattformen in Zukunft sehr genau hinschauen, was ihre Nutzer hochladen, und sie werden sehr viel blockieren – einfach nur, um kein Risiko einzugehen.
Dafür gibt es inzwischen aber technische Lösungen.
Das ist gerade das Problem! Wenn diese neue Direktive in Kraft tritt, muss jeder Inhalt vor dem Hochladen gescannt werden – egal, ob Text, Bild, Musik oder Video. Dann wird der Inhalt mit einer Datenbank abgeglichen, um festzustellen, ob er eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Und wenn das der Fall ist, muss dieser Inhalt blockiert werden, bevor er online geht. Die Plattformen können zwar auch Lizenzvereinbarungen mit allen Rechteinhabern treffen. Das werden sie aber aufgrund der Masse niemals schaffen. Stattdessen werden sie Filtersysteme einsetzen.
Aber wieso halten Sie die Uploadfilter für ungeeignet?
Weil diese Filter nicht zu 100 Prozent funktionieren werden. Das kann Ihnen jeder YouTuber aus eigener Erfahrung berichten. YouTube setzt nämlich jetzt schon Filtersysteme ein. Das sind die besten auf dem Markt – aber selbst die machen viele Fehler. Wenn jeder solche Filter benutzen muss, wird sehr viel mehr blockiert werden, als nötig wäre. Wie soll so ein Filter zum Beispiel erkennen, was Satire ist und was eine Urheberrechtsverletzung? Es wird zwangsläufig dazu kommen, dass Sachen gefiltert und blockiert werden, die eigentlich legal sind.
Sie nutzen in Ihren Videos ebenfalls oft fremdes Material, zum Beispiel Ausschnitte aus Videospielen. Ist das der Grund, warum Sie so vehement gegen die Copyright-Direktive kämpfen?
Ich glaube, meine Kollegen und ich hätten sogar einen leichten Vorteil, weil wir schon lange dabei sind. Wir haben schon Lizenzbestimmungen mit jedem, von dem wir urheberrechtlich geschütztes Material benutzen. Viel komplizierter wird es allerdings für Leute, die gerade erst anfangen. Die werden es künftig viel schwerer haben. Bevor die überhaupt loslegen können, müssen sie selbst oder die Plattform, auf der sie agieren, alle Lizenzen von den Leuten besorgen, von denen sie die Arbeit nutzen wollen.
Das Thema bewegt die YouTube-Szene sehr. Das spürt man auch auf den Demonstrationen gegen Artikel 13. Dort marschieren Tausende junge Menschen mit, viele mit einer Kamera in der Hand. Aber erreicht das Thema außerhalb dieser Gemeinschaft überhaupt jemanden?
Ich nehme die Proteste etwas vielfältiger wahr. Aber es wundert mich nicht, dass die Thematik zuerst bei den Leuten ankommt, die digital interessiert sind. Das sind nicht nur Männer, aber durchaus eher tendenziell jüngere Menschen. Die sind mit dem Internet nun mal groß geworden. Aber Sie haben recht: Es ist für Menschen wie mich schwierig, Leute außerhalb dieser YouTube-Blase zu erreichen.
Das klingt so, als hätten wir es mit zwei gegensätzlichen Lagern zu tun: Da sind auf der einen Seite die "Digital Natives", die sich intensiv mit dem Internet beschäftigen und die Reform mehrheitlich ablehnen. Auf der anderen Seite stehen die politischen Entscheidungsträger, die die Reform auf den Weg gebracht haben. Bleibt bei dieser Konfrontation die Kompetenz nicht auf der Strecke?
Ich möchte niemandem die Kompetenz absprechen, vor allem nicht Politikern, die ich nicht persönlich kenne. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, ist das genau mein Eindruck: Den Politikern fehlt das nötige Wissen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der wirklich versteht, wie das Internet funktioniert, objektiv an diesen Artikel 13 herangeht und sagt: Ja, das ist so umsetzbar, das klingt vernünftig, das können wir so machen.
Künstler wie Sie könnten Politikern ja Nachhilfe geben, statt sie nur aus der Ferne zu kritisieren. Warum gehen YouTuber wie Sie nicht stärker auf Politiker zu, reden mit ihnen und erklären, was Sie da eigentlich machen?
Das wäre extrem wünschenswert. Ich verfolge dieses Ziel auch schon seit einiger Zeit. Ich war zum Beispiel bei Katarina Barley, als sie noch Generalsekretärin der SPD war, oder bei Peter Tauber, dem früheren Generalsekretär der CDU. Ich versuche, jede Einladung anzunehmen, um zu erklären, was wir machen. Und um zu verstehen, was die Politiker eigentlich denken, was wir da tun. Denn da ist tatsächlich noch zu wenig passiert. Wir brauchen viel mehr Leute aus meinem Bereich, die den Austausch suchen und nicht das Gegeneinander. Daher rufe ich meine Kolleginnen und Kollegen auf, Einladungen von Politikern anzunehmen und sich nicht zu scheuen, über Politik zu sprechen.
Bisher reden YouTuber vor allem mit ihrem jeweiligen Nischenpublikum. Trotzdem haben sie es geschafft, dass in mehreren Städten mehrere Tausend Menschen gegen den Artikel 13 demonstriert haben. Das zeigt, dass die YouTube-Szene durchaus schnell Menschen mobilisieren kann. Glauben Sie, die Politik lässt sich davon beeindrucken?
Es ist zumindest hier in Deutschland das erste Mal, dass sich YouTuber und generell Influencer zusammengetan haben und so viel Werbung dafür gemacht haben, dass die eigenen Zuschauer für ihre Meinung auf die Straße gehen sollten. Das Ergebnis finde ich sehr erstaunlich und sehr gut. Aber ob die Politiker das überhaupt mitbekommen, kann ich natürlich schlecht sagen.
Nach unserer Beobachtung werden sie durchaus ernst genommen, sowohl die CDU als auch die SPD will ja nun Einschränkungen der EU-Richtlinie durchsetzen. Allerdings gab es auch die – inzwischen widerlegte – Theorie, dass auf Twitter sogenannte Bots am Werk waren, dass also die meisten Protest-Tweets gegen die EU-Richtlinie gar nicht von echten Menschen verschickt wurden. Die EU-Kommission veröffentlichte sogar einen Blogpost, in dem es hieß, dass ein künstlicher "Online-Mob" durch große Konzerne mobilisiert worden sei. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Sie seien Teil der "Google-Lobby"?
Das ist Unsinn (lacht). Google selbst hat sich erstaunlich wenig zu dieser Thematik geäußert, finde ich. Die halten sich sehr zurück, sogar so sehr, dass ich mal zu denen gegangen bin und gesagt habe, ey, könnt ihr dazu nicht vielleicht auch mal was sagen? Das liegt aber schon Monate zurück. Google hat relativ wenig Einfluss, glaube ich. Und zu dieser Bot-Studie ... Das ist so kontraproduktiv! Das ist genau das Gegenteil dessen, worüber wir gerade geredet haben. Das ist ein Gegeneinander und nicht ein Miteinander. Es hat dazu geführt, dass viele Leute sagen: Ich bin gegen diese Reform und werde deshalb jetzt als Bot beschimpft. Das funktioniert doch nicht! Da ist Frust programmiert. Wie hier mit den Protesten umgegangen wird, halte ich für einen großen Fehler. Die Leute fühlen sich schlicht nicht ernst genommen. Das könnte sich auch in deutschen Wahlen niederschlagen.
- Leistungsschutzrecht und Uploadfilter: Wie die EU-Reform das Internet verändert
- Meinungsumfrage: Uploadfilter-Frage spaltet Deutschland
Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen, dass die Reform doch noch gekippt wird?
In der Bundesregierung gibt es durchaus Digitalpolitikerinnen und -politiker, die sehr klar sagen, dass sie die EU-Pläne nicht gut finden. Sogar Katarina Barley sagt, dass sie bei Artikel 13 Bauchschmerzen hat. Trotzdem hat sie den Vorschlag im EU-Rat durchgewunken. Das werfe ich ihr vor. Aber noch ist es nicht zu spät. Sie und andere Mitglieder der Bundesregierung könnten mit ihren Parteifreunden im EU-Parlament sprechen und sagen: Ihr habt’s jetzt noch in der Hand. Wir fanden das Ganze eigentlich nicht so gut, also bitte stimmt dagegen!