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Datenschutz: Unsere Daten haben Macht - auch über uns


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Tag des Europäischen Datenschutzes
Unsere Daten haben Macht – auch über uns

MeinungEin Gastbeitrag von Andreas Weigend

Aktualisiert am 28.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Dr. Andreas Weigend (2016): Gründer des "Social Data Labs"Vergrößern des Bildes
Dr. Andreas Weigend (2016): Gründer des "Social Data Labs" (Quelle: Mikhail Metzel/Tass Publication/imago-images-bilder)

Andreas Weigend war Chefwissenschaftler bei Amazon, heute berät er die Bundesregierung im Digitalrat. In seinem Gastbeitrag für t-online.de lobt er die Datenschutzgrundverordnung und fordert mehr Einsatz für die Privatsphäre

Wenn Sie heute bereits im Internet unterwegs waren, sind sie sicherlich schon vor Ihnen aufgeploppt: Cookie-Banner, die Sie darüber informieren, dass die Website mehr über Sie erfahren will. Sie sind die wohl sichtbarste Erinnerung daran, dass Daten zu den begehrtesten Rohstoffen unserer Zeit zählen – und das muss für uns Nutzer nicht unbedingt schlecht sein.

Blicken wir kurz zurück: Als ich vor rund drei Jahren für mein Buch recherchiert habe, teilte sich die digitale Welt in zwei Gruppen: Die Datenpioniere auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Datenskeptiker. Die einen sahen in erster Linie die Vorteile der fortschreitenden Digitalisierung – globale Vernetzung, stetige Erreichbarkeit, Komfort. Die anderen dagegen vor allem die Nachteile – Überwachung, schwindende Privatsphäre und gläserne Nutzer. Vermittelnde Positionen fanden sich selten; sowohl unter den digital agierenden Unternehmen als auch unter den Usern.
Bis heute hat sich viel getan.

Mehr Datentransparenz ist gut und wichtig

Ein transparenter Umgang mit personenbezogenen Daten, den ich in meinem Buch "Data for the People" gefordert habe, ist ein zentraler Aspekt der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die nun in der Europäischen Union gilt. Dieses Mehr an Daten-Transparenz finde ich gut und richtig. Das mag aus der Feder – pardon – Tastatur des ehemaligen Chefwissenschaftlers von Amazon unglaubwürdig klingen, entspricht aber meiner Überzeugung:

Ich bin ein Datenrealist, dessen Ziel darin besteht, die Bürger über Daten aufzuklären – man könnte auch sagen: Ich bin ein Datenaufklärer. Ich bin mir der Risiken bewusst, die Daten mit sich bringen können, bin aber gleichzeitig davon überzeugt, dass sie unser Leben besser und einfacher machen können. Aber ich möchte wissen, was wer über mich weiß und wie mit diesen Informationen umgegangen wird, damit ich letztendlich ebenfalls von diesen gesammelten Daten profitiere. Vor diesem Hintergrund hat die Datenschutzgrundverordnung schon einen meiner großen Wünsche erfüllt: Dass wir – die Gesellschaft, Politik und Unternehmen – uns für Daten sensibel zeigen.

Win-win-Situation durch Datenweitergabe

Dass wir als Nutzer zunehmend verstehen wollen, was Daten für einen (Mehr-)Wert haben können und sie, wenn wir mögen, dann auch guten Gewissens preisgeben. Wenn dadurch Unternehmen ihr Geld verdienen, dann halte ich das für eine Win-Win Situation – unter der Prämisse, dass auch diese Unternehmen verantwortungsvoll mit den Daten der Nutzer umgehen.

Technologische Beschleunigung braucht beschleunigten Datenschutz.
Dass die Nutzer datenbewusster werden, sahen wir im vergangenen Jahr vor allem mit Blick auf Facebook. Nach dem Datenskandal haben sich in Europa in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen jeweils eine Million monatlich aktiver Nutzer von dem sozialen Netzwerk abgemeldet. Darauf reagiert nun auch Mark Zuckerberg. Als eines von vier Zielen will er den Nutzern mehr Kontrolle über die eigenen Informationen geben. So sollen Entwickler von Facebook-Apps nun Zugang zu weniger Nutzerdaten haben und es wurden – auch im Zuge der Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung – auf der ganzen Welt neue Kontrollen eingeführt und alle Nutzer aufgefordert, die Privatsphäre-Einstellungen zu überprüfen. Außerdem sollen die Chatdienste von Facebook nun besser verschlüsselt sein. Das ist meiner Meinung nach der richtige Weg: Die Nutzer müssen ihre Macht nutzen, um die Unternehmen zu beeinflussen, ihnen mehr Datensouveränität zu geben. Und Facebook ist da erst der Anfang.

Moore's Law gilt nicht mehr

Denn vor kurzem las ich eine Studie, derzufolge sich Moore’s Law deutlich beschleunigt. Das heißt, die wahre Explosion der technischen Leistungsfähigkeit – vor allem im Hinblick auf die KI – steht uns erst noch bevor. Bisher hat sich die technische Leistungsfähigkeit im Jahr verdoppelt, künftig müssen wir mit einer Verzehnfachung rechnen. Mit gestiegener technischer Leistungsfähigkeit gehen wiederum neue Nutzungsszenarien einher, die den Innovationswettbewerb für neue digitale Ideen und Produkte beschleunigen. Das wird nicht nur eine Auswirkung auf die jetzt dominierenden Tech-Unternehmen haben, die einst als Disruptoren auftraten und nun selbst um ihre Position mit immer neuen Innovationen kämpfen müssen, sondern auch auf uns Nutzer. Nicht nur mental, denn Veränderung ist immer anstrengend und verlangt die Beschäftigung mit dem Neuen, sondern auch ethisch: Wie stellen wir sicher, dass regulatorische Ansätze im Digitalbereich mit technologischer Entwicklung Schritt halten? Können wir es schaffen, auch im Datenschutz schneller und agiler auf neue Produkte und Anwendungen zu reagieren?

Datenschutz ist ein Prozess

Wenn wir die Macht über unsere Daten zurückerobern wollen, wie ich es im Untertitel meines Buchs nenne, ist dies kein einmaliger Feldzug, sondern ein beständiger, fortlaufender Aushandlungsprozess, den die Politik moderieren muss. Den Digitalrat der Bundesregierung, in dem ich Mitglied bin, halte ich für einen guten Schritt in die richtige Richtung, um zentrale Fragen unserer Gegenwart und Zukunft zu diskutieren.

Meine Aufgabe sehe ich hier darin, Möglichkeiten aufzuzeigen, die uns die neuen Entwicklungen bieten. Gleichzeitig brauchen wir aber auch in der Zivilgesellschaft eine selbstbewusste Anspruchshaltung den Digitalkonzernen gegenüber: Wir wenden als Gesellschaft viel Zeit dafür auf, zu debattieren, ob Unternehmen und Institutionen Beschränkungen auferlegt werden sollten, welche Daten sie sammeln und anschließend nutzen dürfen, und nicht annähernd genug Zeit darauf, welche Werkzeuge sie anbieten sollten, um Transparenz und Handlungsfähigkeit zu fördern. Denn: Das Wissen darüber, wie mit unseren Daten umgegangen wird, ist Grundvoraussetzung für individuelle und digitale Entscheidungshoheit. Das sollten wir uns gerade zum heutigen "World Privacy Day" vor Augen führen – und bei jedem Cookie-Banner, den wir blind wegklicken.

Über den Autor:
Dr. Andreas Weigend ist Physiker, Autor von „Data for the People“ und gilt als einer der führenden Experten zum Thema Daten. Er lehrt heute an der Stanford University und erforscht die Veränderungen durch die Social-Data-Revolution und wie sich diese auf Einkaufs- und Lifestyle-Entscheidungen von Verbrauchern auswirkt. Als ehemaliger Chef-Wissenschaftler von Amazon half er bei der Erstellung einer Datenstrategie. Seit August 2018 ist Andreas Weigend Mitglied des Digitalrats der Deutschen Bundesregierung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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