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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Freistellung des BSI-Chefs Wer ist hier das Sicherheitsrisiko?
Schönbohms Freistellung durch Nancy Faeser wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit auf. Der Schritt der Innenministerin könnte ein größeres Problem nach sich ziehen, als Schönbohm es je war.
Die Abberufung des BSI-Chefs Arne Schönbohm kommt nicht überraschend. Schon früh hatte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sich festgelegt: Alle Optionen wolle sie prüfen, hatte sie infolge der Böhmermann-Fernsehsendung mitteilen lassen. Und das schloss ausdrücklich die mögliche Demission Schönbohms ein.
Erst langsam realisierte das Ministerium, dass dies gar nicht so einfach ist: Schönbohm ist kein sogenannter politischer Beamter, sondern genau eine Stufe darunter. Politische Beamte hätte man kurzerhand in den "einstweiligen Ruhestand" versetzen können, das ging beim BSI-Chef nicht. Und so griff Faeser nun zum schärfsten Mittel, das ihr zur Verfügung stand: einem Verbot der Führung der Amtsgeschäfte.
Die Begründung war kurz und knapp: Sie habe kein Vertrauen mehr in ihn, das Vertrauen ins BSI sei erschüttert. Nicht zuletzt die Medienberichte über eine möglicherweise fehlende Distanz zu russlandnahen Akteuren und die Bedrohungslage zusammen seien der Grund.
Begründung Faesers für die Freistellung ist dünn
Diese Begründung ist ausgesprochen dünn und könnte für Faeser zum Bumerang werden, wenn sich die Vorwürfe gegen Schönbohm nicht weiter erhärten lassen. Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass er enger als branchenüblich mit russischen oder anderen Geheimdienstlern im Austausch stand oder gar wichtige Informationen weitergegeben hat. Der "Spiegel" berichtete, dass Schönbohm bei einem vom Verfassungsschutz abgehörten Telefonat aufgefallen sei – hierzu schweigt die Innenministerin sich jedoch aus.
Was Faeser aber jetzt schafft: Verunsicherung.
Um das zu verstehen, muss man die Rolle des BSI und die Amtsführung Arne Schönbohms kurz erläutern. Deutschlands oberster IT-Sicherheitsbeauftragter war 2016 ins Amt gekommen, berufen von Thomas de Maizière. Damals gab es lauten Protest von IT-Sicherheitsexperten, etwa vom CCC: Der Sohn von Jörg Schönbohm, einst Innenminister von Brandenburg und CDU-Politiker wie de Maizière, habe schlicht keine Ahnung von IT-Sicherheit. Er sei vielmehr ein Lobbyvertreter, ein Verkäufer. Doch die Kritik aus diesen Reihen an Schönbohm als Leiter des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik wurde nach und nach leiser.
Behörde blühte unter Schönbohm auf
Unter Schönbohm wuchs das BSI, bekam mehr Geld, mehr Stellen, so wie die IT-Sicherheit immer relevanter wurde. Und das, was viele Kritiker befürchtet hatten, trat nicht ein: Schönbohm führte die Behörde, weitgehend ohne sich politisch vereinnahmen zu lassen. Dort, wo die Mitarbeiter im Haus, also die eigentlichen Experten, eine fachliche Position hatten, vertrat Schönbohm diese nach außen. Und das war unbequem, auch für die wechselnden Innenminister.
Obwohl der BSI-Präsident nicht den gleichen Rang wie Verfassungsschutz-, BKA- oder BND-Präsidenten haben, war das BSI diesen Organisationen plötzlich in bestimmten Bereichen faktisch vorgesetzt. Welche Kämpfe dabei im Hintergrund ausgetragen wurden, ist nur in Teilen bekannt. Informierte Kreise berichten von regelmäßigen Auseinandersetzungen zwischen BSI und den Sicherheitsbehörden. Etwa bei der Frage, was wichtiger sei: eine möglichst sichere Verschlüsselung für alle Bürger und die Wirtschaft – oder dass Sicherheitsbehörden notfalls verschlüsselte Nachrichten, etwa von Terroristen, knacken können?
Mit Schönbohm wurde die einst still im Kämmerlein werkelnde Bonner Behörde in der Öffentlichkeit präsent, wurde zu einem wichtigen Ansprechpartner für Behörden, Wirtschaft und Bürger – auch, weil das Thema IT-Sicherheit immer drängender wurde. Dass überhaupt ein Beamter im Rang eines Unterabteilungsleiters diese Position so mit Leben füllte: keine Selbstverständlichkeit.
Der BSI-Chef war unbequem
Schönbohm taugt zwar sicherlich nicht zum Säulenheiligen, aber das verschlafene Bonner BSI rückte er in seiner Amtszeit ins Licht der Öffentlichkeit – und galt einigen anderen Akteuren zuweilen als Risiko für die Agenda der Sicherheitsbehörden.
Bequem war der BSI-Präsident für viele Stellen nicht. Die SPD-Politikerin Nancy Faeser, die bislang als Innenministerin kaum Spuren hinterlassen hat, muss sich kritisch fragen lassen: Ist das, was sie Arne Schönbohm vorwerfen kann, tatsächlich ausreichend, um in derartigen Krisenzeiten den Präsidenten der wichtigsten deutschen IT-Sicherheitsbehörde abzuberufen? Oder reicht die Aufregung infolge einer Comedysendung schon aus, um Präsidenten von deutschen Sicherheitsbehörden abzuberufen?
Faeser muss nun, und das wird sicherlich nicht leicht, schnell einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Schönbohm vorzeigen. Jemanden, der tatsächlich in der IT-Sicherheit profiliert ist. Und auf keinen Fall in dem Ruf steht, jederzeit zu allem, was eine Innenministerin möchte, Ja und Amen zu sagen. Denn dann wäre das Vertrauen in die wohl kompetenteste deutsche IT-Behörde tatsächlich dauerhaft und nachhaltig erschüttert und nicht Arne Schönbohm, sondern die Innenministerin wäre das Cybersicherheitsrisiko der Republik.
- Eigene Recherche