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Aserbaidschan blockiert Bergkarabach – Neue Gewalt befürchtet


Russische "Friedenstruppen" hilflos
Aserbaidschan blockiert Bergkarabach – Furcht vor Gewalt

Von t-online
Aktualisiert am 17.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Aserbaidschanische Aktivisten gegen Moskaus Truppen: Kommt es zu einem neuen Krieg?Vergrößern des Bildes
Aserbaidschanische Aktivisten gegen Moskaus Truppen: Kommt es zu einem neuen Krieg? (Quelle: Anadolu Agency)

Selbsternannte Aktivisten, die der Regierung nahe stehen sollen, blockieren die einzige Lebensader nach Bergkarabach. Es droht eine humanitäre Katastrophe, die russischen "Friedenstruppen" sehen tatenlos zu.

Wer einen zusätzlichen Beleg dafür braucht, dass der Ukraine-Krieg Russland militärisch an seine Grenzen bringt, sollte derzeit nach Bergkarabach schauen. In der mehrheitlich von Armeniern bewohnten Krisenregion, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, soll eigentlich eine russische Friedensmission für Ordnung sorgen. Doch obwohl Hunderte Aserbaidschaner, die sich als "Umweltaktivisten" bezeichnen, seit Tagen die einzige Straße von Armenien in die Region blockieren und ein neuer Krieg droht, sehen Moskaus Truppen dem Treiben bisher hilflos zu.

Dabei könnte die Lage schnell außer Kontrolle geraten, denn die Blockade durchtrennt den einzigen Versorgungsweg der über 100.000 Bewohner von Bergkarabach. Medikamente, Nahrung, Hygieneartikel – alles läuft über den Latschin-Korridor, der Bergkarabach mit Armenien verbindet.

Die sich anbahnende humanitäre Katastrophe in der unruhigen Kaukasusregion hat bereits die internationale Bühne erreicht. "Der Latschin-Korridor muss sofort geöffnet werden", die Blockade könnte eine ernste humanitäre Krise bedeuten, twitterte die Chefin der US-Entwicklungsorganisation USAID, Samantha Powers, am Donnerstag.

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Auch in Brüssel nimmt man die Situation ernst. Mehrere EU-Parlamentarier forderten den EU-Außenbeauftragten Josep Borrel dazu auf, sich "gegen die aserbaidschanische Aggression" und für eine Öffnung des Latschin-Korridors einzusetzen. In der EU-Kommission selbst reagiert man jedoch zurückhaltend. Der US-Auslandssender Radio Free Europe zitiert einen EU-Vertreter, der von einer unklaren Informationslage vor Ort spricht und beide Seiten zur "Deeskalation" aufruft.

Wer sind die "Umweltaktivisten"?

Tatsächlich ist nicht klar, wer die aserbaidschanischen Bürger sind, die den Latschin-Korridor blockieren und sich den russischen Friedenstruppen entgegenstellen. Laut eigener Aussagen sind es Umweltaktivisten, die angeblich gegen die Ausbeutung von Bodenschätzen in Bergkarabach protestieren. Experten zufolge handelt es sich bei den "Umweltaktivisten" jedoch um Anhänger der aserbaidschanischen Regierung.

Einen Hinweis darauf gab die aserbaidschanische Regierung selbst. So twitterte Fasli Nabiyev von der Regierungspartei Neues Aserbaidschan vor wenigen Tagen: "Der Widerstand im Latschin-Korridor geht weiter." Der Korridor werde nicht geöffnet, bis "Khankendi" (der aserbaidschanische Name für Stepanakert, die Hauptstadt von Bergkarabach) vollständig unter die Kontrolle von Aserbaidschan gelangt. Das Statement legt nahe, dass die selbsternannten Aktivisten zumindest mit Segen der Regierung agieren. Völkerrechtlich gehört das armenisch dominierte Gebiet zu Aserbaidschan, von dem es sich aber 1991 losgesagt und als unabhängige Republik ausgerufen hatte. Arzach, wie die Armenier diese Republik nennen, wird jedoch von den meisten Ländern der Welt nicht als Staat anerkannt.

Armenien kritisiert Russlands Schwäche

Ob sich der Konflikt weiter gefährlich zuspitzt, wird sich wohl die nächsten Tage entscheiden. Je länger die Blockade andauert, desto schwieriger wird die humanitäre Lage in Bergkarabach. Die armenische Regierung sprach bereits von der Vorstufe zu einer "ethnischen Säuberung" – ein Vorwurf, den ein aserbaidschanischer Regierungssprecher zurückwies.

Fraglich ist zudem, wie Russland reagieren wird. Kremlchef Wladimir Putin sieht sich weiter als Vermittler zwischen den verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien. Doch diese Rolle wird zunehmend von Russlands armenischem Verbündeten angezweifelt. Im Herbst 2020 war es zu einem 44 Tage dauernden Krieg zwischen den verfeindeten Staaten gekommen, der mit aserbaidschanischen Gebietsgewinnen endete. Die Waffenruhe vermittelt hatte damals die russische Regierung, die zudem 2.000 Soldaten zur Friedenssicherung nach Bergkarabach entsandte.

Doch auch die russischen Truppen konnten keinen dauerhaften Frieden schaffen. Im September griff Aserbaidschan erstmals armenisches Staatsgebiet an (mehr dazu lesen Sie hier). Als Putin einen Monat später versuchte, eine Verlängerung der Friedensmission über 2025 hinaus zu verhandeln, scheiterte das am Veto Aserbaidschans – sehr zum Ärger Armeniens.

Wie sehr das Verhältnis zwischen Russland und Armenien abgekühlt ist, zeigte das Gipfeltreffen des Russland geführten Verteidigungsbündnisses OVKS (Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit) im November in der armenischen Hauptstadt Jerewan. Als die Staatenführer sich zum Gipfelfoto gemeinsam auf der Bühne aufreihen sollten, trat der armenische Premier Nikol Paschinjan demonstrativ einen Schritt weg von Putin.

Verwendete Quellen
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