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ARD-"Tatort" an Ostern: In jeder Hinsicht unwürdig


Neuer "Tatort" aus dem Norden
In jeder Hinsicht unwürdig

  • Steven Sowa
MeinungVon Steven Sowa

21.04.2025 - 21:25 UhrLesedauer: 4 Min.
"Tatort: Im Wahn": BKA-Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) bekommt Unterstützung vbon Yael Feldman (Peri Baumeister) und Anaïs Schmitz (Florence Kasumba).Vergrößern des Bildes
"Tatort: Im Wahn": BKA-Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) bekommt Unterstützung vbon Yael Feldman (Peri Baumeister) und Anaïs Schmitz (Florence Kasumba). (Quelle: NDR/O-Young Kwon)
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Der neue "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring dreht sich um den Einsatz von KI bei der Ermittlungsarbeit. Das wirkt nur auf den ersten Blick modern und einfallsreich.

Beim "Tatort" muss man sich die Welt einfach und zugleich unfassbar kompliziert vorstellen. Ein langer Konferenztisch, viele mittelalte Menschen, Kaffee aus Thermoskannen, ein bisschen Gebäck – und vor allem jede Menge sehr unterschiedliche Ideen. Beispielhaft zeigen wir nun einen Ausschnitt aus einem möglichen, aber gänzlich fiktiven Entwicklungsprozess:

Namenloser NDR-Redakteur: "So Leute, im Frühjahr 2025 wird es haarig. Wir müssen gleich drei Dinge auf einmal schaffen: Wotan Wilke Möhring mit seiner neuen Kollegin zusammenbringen, Florence Kasumba ein letztes Mal die Ehre erweisen – und natürlich einen super-spannenden Fall präsentieren!"

Drehbuchautor Georg Lippert: "Entschuldigt die Nachfrage, aber Kasumba wer? Was haben wir mit der zu tun?"

Hohes Tier vom NDR: "Muss ich das echt schon wieder erklären? Florence Kasumba hängt ihre "Tatort"-Rolle an den Nagel. Schluss. Aus. FiniTOT! Da haben wir es doch: Wäre das nicht ein toller Titel?"

NDR-Mitarbeiter, zuständig für irgendwas mit Presse und Marketing: "FiniTOT als Serientitel könnte schwierig werden. Wir müssen da echt an unsere verschiedenen Partner und Kanäle denken, an ... "

Hohes Tier: "Ist gut Birte. Wir haben verstanden. Andere Ideen?"

NDR-Redakteur: "Also ich kann ja mal aufzählen, was wir so zuletzt hatten: sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche, Tod von Julia Grosz als Falkes Partnerin, davor was mit illegalen Schleuseraktivitäten, dann .."

Hohes Tier: "Ist gut Jochen, danke. Die Frage ist: Was hatten wir noch nicht?"

NDR-Redakteur: "Also ich möchte mich da ungern in die kreative Unabhängigkeit von Georg als Autor einmischen, aber ich sage mal so: Künstliche Intelligenz ist natürlich schon ein RIESENDING."

Georg: "Puh."

Marketing-Dingsda: "Also KI wäre echt mega cool. Wir könnten auch Ruben fragen, ob er uns eine tolle Montage bastelt: So mit Kapuzen-Kriminellen, Daten, Zahlen und düsterer Optik."

NDR-Redakteur: "Super Idee!"

Hohes Tier: "Gut Georg, dann haben wir es ja: next stop KI. Bis wann kriegen wir deinen Drehbuchentwurf? Denk daran: Peri Baumeister stößt als Kommissarin Yael Feldman der Kripo Hannover hinzu und bis zu einem gewissen Grad musst du Kasumbas Hauptkommissarin Anaïs Schmitz noch mit reinbekommen, dann passt alles."

Dieses Szenario ist selbstverständlich an den Haaren herbeigezogen. Niemand weiß, ob nicht womöglich die Idee zur Künstlichen Intelligenz von ChatGPT höchstpersönlich kam, weil ein übereifriger NDR-Mitarbeiter vor der Sitzung das Tool angeworfen hat, mit der Frage: "Was wäre ein cooles 'Tatort'-Thema für das Jahr 2025?"

Künstliche Intelligenz als "Tatort"-Fremdkörper

Aber diese exemplarische Sitzung soll veranschaulichen, wie viele unterschiedliche Personen an der Entwicklung von Stoffen innerhalb des "Tatort"-Kosmos der Landesrundfunkanstalten beteiligt sind – und wie weit die Vorstellungen dabei auseinandergehen. Drehbuchautor Georg Lippert hatte im Fall des neuen NDR-Krimis mit dem Titel "Im Wahn" eine Mammutaufgabe zu bewältigen: Ein Drehbuch für einen 90-minütigen Film entwerfen, das ein ungewöhnliches, so noch nie dagewesenes "Tatort"-Trio in die Ermittlungsarbeit schickt.

Dass ausgerechnet bei dieser Konstellation auch noch das Thema KI aufkommt, überfrachtet den Krimi. Zumal die Künstliche Intelligenz, die hier zum Einsatz kommt, von Anfang an wie ein Fremdkörper wirkt – und wie ein unliebsames, verdächtiges Detail, das mehr Fragen aufwirft, als es Antworten liefern kann.

Als erzählerisches Mittel wirkt die neue Technologie zunächst wie ein Volltreffer: Am Bahnhof in Hannover ereignen sich tödliche Messerattacken – und vom Täter fehlt jede Spur. Der Verkehrsknotenpunkt als zentraler Handlungsort erlaubt den "Tatort"-Machern, eine überregionale Ermittlungsgruppe einzuberufen: Die Herausforderung, Möhring, Kasumba und Baumeister zusammenzubringen, ist damit bewältigt. Die KI hilft anschließend, überhaupt Verdächtige zu ermitteln und einen Konflikt mit der klassischen Ermittlungsarbeit zu eröffnen.

Plötzlich darf Wotan Wilke Möhrings Kommissar Thorsten Falke skeptisch über die Gefahren von vorschnellen Datenauswertungen sprechen und ein dubios wirkender KI-Verantwortlicher als sein Gegenspieler mitmischen. Während Falke auf seine Intuition vertraut, Zeugen befragt, Blutspuren und Fingerabdrücke untersuchen lässt, hat die KI längst einen Schuldigen gefunden.

Florence Kasumbas unwürdiger Abschied

Es ist also von Beginn an offensichtlich, dass Künstliche Intelligenz nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Umso bemühter wirkt es, welche Nebengeschichte die "Tatort"-Macher um die Technologie erzählen, wie sehr sie Falke gegen die Künstliche Intelligenz ausspielen. Die Auflösung des Krimis verfestigt schließlich den Eindruck: Die KI wurde bei diesem NDR-Krimi zum Selbstzweck – und nicht zu einer sich organisch in der Erzählung einfügenden Ergänzung.

Wie passend, dass man sich als Zuschauer am Ende fragt, welche Rolle eigentlich die von Florence Kasumba verkörperte Kommissarin Anaïs Schmit bei "Im Wahn" spielte? Außer, dass sie einige Male durchs Bild läuft und in sehr spärlich gestalteten Dialogen zu hören ist, bleibt ihre Beteiligung an dem Fall rätselhaft. Selten war ein letzter "Tatort"-Auftritt so überflüssig wie unangemessen inszeniert, wie hier.

Der Mensch, er rückt angesichts der übergroßen Künstlichen Intelligenz in den Hintergrund. Ein in jeder Hinsicht unwürdiges Szenario.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • ARD: "Tatort: Im Wahn" vom 21. April 2025
  • NDR-Pressemappe

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